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Linke-Parteitag: Steuern, Osten und Wagenknecht

Die Parteivorsitzenden Janine Wissler (l) und Susanne Hennig-Wellsow.
Die Parteivorsitzenden Janine Wissler (l) und Susanne Hennig-Wellsow.

Schlechte Umfragewerte und parteiinterner Streit über den richtigen Kurs - zwei Tage lang debattiert die Linke über ihr Programm für die Bundestagswahl, begleitet von Rufen nach mehr Geschlossenheit.

Berlin (dpa) - Drei Monate vor der Bundestagswahl und unter dem Eindruck schlechter Umfragewerte hat die Linke bei einem Online-Parteitag mit den Schlussberatungen über ihr Wahlprogramm begonnen.

Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow rief ihre Partei am Samstag zum Auftakt zu Einigkeit und Optimismus auf. Co-Chefin Janine Wissler bekräftigte die Pläne der Linken für eine «Umverteilung von oben nach unten» mit höheren Steuern für Reiche und Unternehmen. Am Sonntag soll das Wahlprogramm von den rund 580 Delegierten beschlossen werden.

Politik mit Herz oder geballter Faust?

«Ich kann Euch eins versprechen: Wir gehen nicht zu Boden, (...) weil wir zusammenhalten, weil wir geschlossen sind (...) und weil wir tatsächlich eine Aufgabe in dieser Gesellschaft haben», sagte Hennig-Wellsow. Es bringe niemandem etwas, wenn man sich streite. Hennig-Wellsow appellierte an das Zusammengehörigkeitsgefühl: Ohne die Linke würden Millionen Menschen weiter in Armut leben müssen und «nicht dort rauskommen». «Es gibt Millionen Menschen in diesem Land, die nicht mehr warten können», sagte sie und rief die Mitglieder ihrer Partei dazu auf, mit dem Herzen Politik zu machen.

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Das griff später auch der zugeschaltete Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow auf: «Es kommt auf uns an, dass wir die Herzen der Menschen gewinnen», sagte er. Die Linke sei der starke Garant, dass das Land sozialer und gerechter werde. Andere in der Partei fordern dagegen mehr Kante: Die Partei stehe an einem Wendepunkt, es gehe um Wachstum oder Niedergang, sagte Simon Aulepp von der hessischen Linken. Es gehe weniger um warme Politik des Herzens und der Liebe, «es geht um eine Politik der geballten Faust, (...) es geht darum, das kapitalistische System zu überwinden».

Mehr Steuern für Reich und Unternehmen

Spitzenkandidatin und Co-Parteichefin Wissler bekräftigte den Willen der Linken, hohe Einkommen, Vermögen und Unternehmen steuerlich stärker zu belasten. «Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten», sagte sie dem Sender «phoenix» am Rande des Parteitags. Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Infrastruktur und das Gesundheitssystem müsse jemand bezahlen. Dafür wolle die Linke die Vermögensteuer wieder einführen und hohe Einkommen und Unternehmen stärker besteuern. «Das halten wir für sozial gerecht.»

«Es gibt ja in diesem Land Geld wie Heu», sagte Wissler. In der Corona-Krise seien zwar viele ärmer, aber wenige auch sehr viel reicher geworden. So könne ein Konzern wie Amazon «ja mal vernünftig Steuern zahlen in Deutschland». Auch große Einzelhandelskonzerne machten große Gewinne.

Debatte über Osten und «Lifestyle-Linke»

Zu knabbern hat die Linke momentan an schlechten Umfragewerten: Sie steht nur zwischen sechs und sieben Prozent und diskutiert vor diesem Hintergrund auch wieder über ihre grundsätzliche Ausrichtung. Befeuert hatte die Debatte zuletzt Partei-Promi Sahra Wagenknecht mit ihrem Buch «Die Selbstgerechten», das weit oben in den Bestsellerlisten steht. Darin wirft sie linken Parteien vor, soziale Fragen aus den Augen verloren und mit Gender-, Klima- oder Biolebensmittel-Debatten traditionelle Wähler mit geringen Einkommen verprellt zu haben. Sie spricht von «Lifestyle-Linken». Mehrere Partei-Mitglieder hatten einen Antrag auf Parteiausschluss Wagenknechts gestellt.

Wagenknecht selbst meldete sich am ersten Tag des Parteitags zwar nicht zu Wort, war in der Debatte aber trotzdem präsent. Verschiedene Redner riefen die Partei dazu auf, persönliche Angriffe aufeinander einzustellen, andere gingen inhaltlich auf Wagenknechts Thesen ein.

Michael Benecke aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt, wo die Linke zuletzt bei der Landtagswahl stark eingebüßt hatte, warf seiner Partei vor, «Grünen-Wählern, Yuppies und anderen» hinterherzuhecheln, anstatt sich auf ihre Kernklientel, deren Wünsche und Sorgen zu konzentrieren. Die «politisch korrekte Gender-Sprache», die von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt werde, sei bei einigen Linken das Non-Plus-Ultra, kritisierte er. Es sei fünf nach zwölf für die Linke. «Die Fünf-Prozent-Hürde im Bund ist ganz nah.»

Paul Gruber vom linken Jugendverband «solid» widersprach: Dem Osten würden sicher keine Debatten über Gender, wie von Wagenknecht angestoßen, oder Scheindebatten über angebliche Lifestyle-Linke helfen.

Schlussabstimmung am Sonntag

Debattiert wurde auch über die Klima- und Außenpolitik. Über erste Punkte des Wahlprogramms, zum Beispiel im Bereich Soziales, wurde am Samstag bereits abgestimmt. Die Schlussabstimmung ist für Sonntag geplant. Im Programmentwurf stehen unter anderem eine Mindestrente von 1200 Euro, eine Abschaffung der Schuldenbremse, langfristig kostenlose öffentliche Verkehrsmittel und eine Abgabe für Vermögen ab zwei Millionen Euro für die Bewältigung der Corona-Krise.