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Hoch die Hände, Wochenende

Chefreporterin Tanja Kewes berichtet aus ihrem Homeoffice – mit drei kleinen Kindern und Ehemann. Es ist der private Stresstest schlechthin mit lustigen und nachdenklichen Momenten.

Kommt sie oder kommt sie nicht – die Ausgangssperre? Ich frage mich das seit Tagen. Die Menschen hier bei uns im Viertel haben an den ersten Tagen das Freie sehr gesucht. Sie drängten nach draußen wie kleine Hasen aus ihrem Bau, vor Neugierde vermute ich und vor allem auch wohl wegen des schönen Frühlingswetters. Wir wohnen an einer Kreuzung, es war ein bisschen so wie sonst beim Schützenfest.

Inzwischen ist Ruhe und Leere eingekehrt. Ich sehe nur noch die üblichen Leute, die mit ihren Hunden allein und gezielt Gassi gehen. Auch die Spielplätze sind leer. Ordnungsämter und Polizei überwachen dieses wohl einmalige Spielplatz-Verbot hier inzwischen aber auch. Doch reicht das? Oder brauchen wir eine Ausgangssperre wie in Italien, Frankreich und Spanien – und nun auch in Bayern?

Ich weiß es nicht. Einerseits fürchte ich ein solches Verbot, weil es uns alle noch mehr einengen wird, andererseits muss es vielleicht sein, damit so bald wie möglich wieder Normalität einkehrt.

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An Tag fünf im Homeoffice zu fünft wird der Ausnahmezustand langsam zur Normalität. Die Jungs haben sich an ihren Müßiggang gewöhnt. Sie spielen einfach unentwegt, erledigen ihre Aufgaben unwillig, aber zügig, genießen die Mittagspause mit einer Tier-Doku oder dem Mittagsschläfchen, danach geht es gerne hinaus in den Garten, wo sie so laut lärmen, dass bestimmt bald Beschwerden von nervösen Nachbarn kommen…

Wir Eltern arbeiten, wo, wann und wie es nur geht. Die Euphorie der ersten Tage ist dabei der Befürchtung gewichen, dass wir es uns in diesem Zustand wohl noch länger einrichten müssen als bis nach den Osterferien. Eine Freundin von mir, die zwei Jungs im Alter von vier und sechs hat, hat dazu eine wunderbare Vorlage für Corona-Hausregeln erstellt. Die hängt bei uns jetzt auch am Kühlschrank.

Und mein Mann hatte nun die unschöne Idee, dass wir unseren für Ostern geplanten und angemeldeten Urlaub nun getrennt nehmen. In Skiferien fahren könnten wir ja sowieso vergessen. So würden aus zwei Wochen Kinderbetreuung vier. Hmm, so richtig überzeugt bin ich von dieser Notmaßnahme noch nicht…

Eine gute Nachricht gab es heute Morgen von der Stadt Düsseldorf: Die gezahlten Elternbeiträge für die Kita und die offene Ganztagsbetreuung an den Schulen sowie das Essensgeld werden zurückerstattet, lese ich in der Rheinischen Post. Na bitte, denke ich beim Frühstück. Bei uns sind das immerhin für einen Monat über 600 Euro.

Und ich finde das auch jenseits der eigenen Betroffenheit wirklich sehr gut. Schließlich wurde auch schon die „Bazooka“ (O-Ton Bundesfinanzminister Olaf Scholz) mit Finanzhilfen für die Wirtschaft ausgepackt. Und wir Familien? Die erste Woche waren wir mehr oder weniger komplett auf uns allein gestellt.

Kinderbetreuung und Arbeit hatte man bitteschön binnen zwei Tagen zu organisieren – am besten ohne Großeltern und Familienfremde. Sonst müsse man Urlaub nehmen, hieß es von vielen Arbeitgebern. Schön und gut, aber unsere Kita hier etwa brauchte sage und schreibe drei Tage, also bis Mittwoch, um eine E-Mail zu verschicken, in der man wenig freundlich aufgefordert wurde, sich zu melden, falls man in systemrelevanten Berufen arbeite und damit Anspruch auf die Notbetreuung habe.

Ich meine, da hätte man mehr tun können. Allein auch vor dem Hintergrund, dass wir alle ein großes Interesse daran haben, dass Ärzte, Krankenschwestern, Journalisten oder Polizisten ohne schlechtes Gefühl und mit freiem Kopf ihrer Arbeit nachgehen können.

Tja, und dann habe ich es gewagt. Ich bin Einkaufen gefahren. Mir klopfte das Herz bis zum Hals – so neugierig war ich, was mich wohl bei dm und Edeka erwartet.

Jeder hat Angst, dem anderen zu nahe zu kommen

Ich begann mit dem Wichtigsten. Milchpulver und Windeln für unseren Jüngsten. Beim Drogeriemarkt dm gab es Einlasskontrollen. Ich durfte erst in den Laden, als jemand anderes rauskam. Drinnen war es dann gespenstisch leer, vor und in den Regalen. Pampers und Feuchttücher waren leider ausverkauft. Ich ärgerte mich. Darauf hätte ich bei der Deutschen Liebe zum Toilettenpapier kommen können… Bei Zahnpasta und Seifen gab es auch nur noch Reste. Gleiches bei Wasch- und Putzmitteln.

Weiter zum benachbarten Edeka. Hier ist der Zutritt noch nicht geregelt. Die Regale sind auch überwiegend noch gut gefüllt. Lediglich beim Mehl, haltbaren Brot und Müsli klafften Lücken. Ich muss unwillkürlich an einen Klamauk denken, der gerade im Internet kursiert.

Der Witz geht so: „Hamsterkäufe – USA: Medikamente und Waffen. Italien: Zigaretten und Grappa. Frankreich: Kondome und Rotwein. Holland: Haschisch und Käse. Schottland: Whiskey. Deutschland: Klopapier und Mehl. Ausruf: Ich bin im falschen Land!“ Dieser Ausruf hätte auch von mir sein können. Und jetzt dürfen Sie mal raten, in welches Land ich passe...

Aber Spaß beiseite, was mich insgesamt am meisten irritierte: Dieser richtige und wichtige, aber unsagbar unnatürliche, fast schon asoziale Abstand der Menschen zueinander. An der Kasse, im Gang, vor dem Regal. Dieses Abstandhalten mag die Rheinländerin – wir schunkeln und bützen nicht nur an Karneval gern – in mir besonders treffen.

Aber das sind jetzt emotionale Momente, die wir wohl aushalten müssen. Auf dem Edeka-Parkplatz traf ich die Mutter eines mit unserem Ältesten befreundeten Jungen. Wir unterhielten uns – mit gut eineinhalb Meter Abstand. Das ganze Gespräch geriet dadurch auch inhaltlich irgendwie schal. Man traute sich im doppelten Sinne des Wortes einander nicht mehr an.

Jeder hat Angst, dem anderen zu nahe zu kommen, körperlich und auch emotional. Das ist wirklich im besten Sinne des Wortes: befremdlich. Und ich frage mich, ob wir diese Attitüde bald wieder ganz ablegen können oder ob ein Rest an Misstrauen bleibt. Es wird ja wahrscheinlich nicht das letzte Virus sein, das uns Menschen in naher Zukunft befallen wird.

Nun ist aber erst einmal Wochenende. Hoch die Hände (von der Tastatur) und Wochenende, wie wir hier bei uns sagen.

Es wird wohl, ob mit oder ohne Ausgangssperre, ein einsames Wochenende. Unsere selbst getroffenen Maßnahmen sind schon drastisch. Wir verabreden die Jungs seit einer Woche nicht mehr mit ihren Freunden. Viele unserer Bekannten machen das auch so. Und die Großeltern unserer Kinder haben wir ausgeladen. Sie wollten uns eigentlich dieses Wochenende besuchen kommen.

Wir, das heißt unser ältester Sohn, will „Omi und Opi“ stattdessen einen „Brief schreiden“. (Er verdreht das b und d gerne mal…) Und der Mittlere will ihnen ein Bild mit einem Feuerwehrgroßeinsatz malen. Ich meine, dieses Unterfangen zu betreuen, reicht dann uns Eltern dann aber wirklich als Wochenendprogramm.