Werbung
Deutsche Märkte schließen in 4 Stunden 35 Minuten
  • DAX

    18.048,58
    +187,78 (+1,05%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.987,67
    +50,82 (+1,03%)
     
  • Dow Jones 30

    38.239,98
    +253,58 (+0,67%)
     
  • Gold

    2.316,50
    -29,90 (-1,27%)
     
  • EUR/USD

    1,0660
    +0,0003 (+0,03%)
     
  • Bitcoin EUR

    62.215,94
    +168,48 (+0,27%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.425,36
    +10,60 (+0,75%)
     
  • Öl (Brent)

    81,69
    -0,21 (-0,26%)
     
  • MDAX

    26.653,87
    +364,14 (+1,39%)
     
  • TecDAX

    3.271,25
    +54,30 (+1,69%)
     
  • SDAX

    14.214,47
    +161,22 (+1,15%)
     
  • Nikkei 225

    37.552,16
    +113,55 (+0,30%)
     
  • FTSE 100

    8.064,82
    +40,95 (+0,51%)
     
  • CAC 40

    8.088,63
    +48,27 (+0,60%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.451,31
    +169,30 (+1,11%)
     

„Die herrschende politische Klasse versagt“

Terrassengespräch der Verlagsgruppe Handelsblatt - „Die herrschende politische Klasse versagt“

Aktueller konnte das Thema kaum sein. Erst vor wenigen Tagen haben die Amerikaner mit Donald Trump einen Populisten zum US-Präsidentschaftskandidaten nominiert. Die Briten haben sich vor einigen Wochen für den Austritt aus der Europäischen Union (EU) entschieden – auch aufgrund falscher Versprechungen von Populisten wie Boris Johnson, heutiger britischer Außenminister, oder Ukip-Parteichef Nigel Farage. Und in Frankreich wächst mit jedem Terroranschlag der Zuspruch für die Rechten, den Front National von .

Der Populismus, so scheint es, hat Hochkonjunktur. Ein Phänomen, das auch Thema des ersten Terrassengesprächs der Verlagsgruppe Handelsblatt in diesem Sommer war. „Wie verändert der Aufstieg des Populismus die Medien?“ fragte Fernsehmoderator Jochen Breyer die N-TV-Chefredakteurin Sonja Schwetje, den ehemaligen Bundesminister Wolfgang Clement (SPD) und Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe.

Gut 120 Gäste erlebten eine muntere Diskussion auf der Dachterrasse des Verlagsgebäudes in Düsseldorf. Ex-Superminister Clement brachte es gleich zu Beginn auf den Punkt: „Populismus wendet sich gegen die Eliten.“ Doch diese Einsicht alleine erklärt weder das Phänomen noch den Zuspruch, den Trump, Johnson, Farage oder Le Pen erfahren. „Populismus reduziert komplexe Themen“, wagte N-TV-Chefin Schwetje einen Erklärungsversuch. „Die Menschen haben einen Wunsch nach einfachen Antworten, nach einfachen Lösungen.“ Das mache es so einfach für Populisten, denn sie schienen nah an den Menschen dran zu sein, ohne sich anzubiedern.

Das konnte Handelsblatt-Chefredakteur Afhüppe zwar unterschreiben, ergänzte aber: „Populismus fällt nicht vom Himmel. Populismus entsteht, weil in vielen Ländern die politischen Systeme keine Lösungen für die drängenden Probleme der Zeit liefern.“ Ob Flüchtlingskrise oder drohende Altersarmut – Antworten auf drängende Fragen würden die Menschen oft am rechten oder linken Rand finden. „Die herrschende politische Klasse versagt hier“, so Afhüppe. „Wenn die Politik ihre Entscheidungen zudem als alternativlos verkauft, bereitet sie den Nährboden für Populismus.“

WERBUNG

Clement ergänzte, dass die Antworten der Populisten oft nicht akzeptabel, mitunter sogar inhaltlich falsch seien. „Doch ihre Kritik zeigt Mängel der Politik auf“, so Clement. Die Diskutanten waren sich einig, dass die Populisten oft ein wichtiges und richtiges Thema aufgriffen, ihre Argumente aber oft falsch und ihre Forderungen irreführend seien. „Populismus ist nicht grundsätzlich böse“, sagte Schwetje. „Aber wir müssen über Fakten sprechen. Emotionen helfen bei komplexen Themen nicht weiter.“


Die Medien tragen eine Mitverantwortung

Doch mit Emotionen lassen sich (Vor-)Wahlen gewinnen. Das haben die vergangenen Wochen gezeigt. Wer Ängste schürt, ob nun vor Flüchtlingen, Terror oder gleich der EU, erreicht die Menschen. Oft passiert das über die sozialen Medien. Donald Trump beherrscht die twitter-kompatiblen 140-Zeichen-Parolen perfekt. „Brauchen Populisten die klassischen Medien überhaupt noch“, fragte Breyer. Eine gute Frage, befand Afhüppe. Er sei gespannt auf das Fernsehduell zwischen Trump und Hillary Clinton, das sicher ganz anders ablaufen werde als frühere Duelle. Emotionaler, aggressiver, hitziger. Die sozialen Medien seien dabei sehr wichtig für Trump. „Donald Trump ist mehr als nur ein Populist, er ist der gewählte US-Präsidentschaftskandidat. Man muss Trump jetzt ernst nehmen“, so Afhüppe.

Und die Medien? „Trump braucht nur Murdoch – genau wie Berlusconi nur seine eigenen Sender brauchte“, sagte Clement. In Deutschland mit seiner Medienlandschaft laufe das natürlich ähnlich. „Wir stellen uns gar nicht die Frage, ob Trump oder oder jemand anderes uns braucht“, so Schwetje. „Viel wichtiger ist es doch, ob uns der Zuschauer braucht.“

Dass die Medien Trump groß gemacht hätten, verneinte die N-TV-Chefredakteurin. So groß sei die Macht der Medien nicht. Das wollte Clement so nicht stehen lassen: „Natürlich sind die Medien an der Entstehung von Populismus beteiligt. Auch sie setzen auf emotionale Themen“, sagte er. Auch Afhüppe sah die Rolle der Medien etwas kritischer. Der Einfluss der Boulevard-Medien in Großbritannien auf den Ausgang des Brexit-Referendums sei enorm gewesen. „Sie tragen eine riesen Mitverantwortung“, so Afhüppe. „Sie haben Falschaussagen der Brexit-Befürworter unreflektiert weitergeben und Farage & Co. so erst groß gemacht.“

Die Macht des britischen Boulevards ist zwar mit der deutschen Presse nicht zu vergleichen, doch auch hiesige Blätter und Sender machen Fehler, beispielsweise in der Flüchtlingsdebatte. „Viele haben die Willkommens-Kultur der Bundeskanzlerin gleich aufgenommen“, so Afhüppe. „Wer gewarnt hat, stand schnell am gesellschaftspolitischen Rand, bei Pegida und AfD. Doch genau die haben die richtigen Fragen aufgeworfen, wenn auch mit den falschen Argumenten.“

Auch Clement sind viele deutsche Medien zu unkritisch. Dafür schätze er auch das Handelsblatt, lobte er seinen Gastgeber. „Die Grundfunktion von Medien war, ist und bleibt die Wächterfunktion“, so Afhüppe. Doch Medien müssten sich auch weiter entwickeln, auf allen Kanälen – auch in den sozialen Netzwerken – aktiv sein. In den vergangenen zehn Jahren sei viel passiert, auch thematisch. „Wir leben in einer Dauerkrise, von der Banken- über die Staatsschulden- bis zur IS-Krise“, sagte der Handelsblatt-Chefredakteur. „Vielleicht waren wir nicht immer kritisch genug, waren vielleicht nicht tief genug in den Themen, was übrigens auch für die Politik gilt.“

Das gesamte Terrassengespräch im Wortlaut lesen Abonnenten am Montag im Handelsblatt und auf Handelsblatt Online.