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Herbert Grönemeyer: So erfolgreich kann Poesie sein

Herbert Grönemeyer bei einem Auftritt im Jahr 2019. (Bild: imago images / 3S PHOTOGRAPHY)
Herbert Grönemeyer bei einem Auftritt im Jahr 2019. (Bild: imago images / 3S PHOTOGRAPHY)

Wer oder was ist Herbert Grönemeyer ("Mensch")? Ein Sänger? Ein Schauspieler? Ein Dichter? Er ist alles in einer Person, mehr noch. Sein Erfolg als vielseitiger Künstler ist ungewöhnlich. Am Montag (12. April) wird dieses Phänomen, das seit fast 40 Jahren sein deutschsprachiges Publikum so umfassend unterhält, 65 Jahre alt. Das Haar ist lichter geworden, das Gesicht etwas voller und das Doppelkinn ausgeprägter, ansonsten ist er ganz der alte.

Ein "Kind des Ruhrgebiets"

"Ich komm ja aus dem Ruhrgebiet", sagte Grönemeyer einmal in einem Interview mit der "Zeit". Dort habe er seine "maßgeblichen Lebensthemen und Lebenszeilen kennen gelernt. Ich würde sicher nicht dorthin zurückziehen, aber mich als Kind des Ruhrgebiets bezeichnen. Bis heute."

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In der Tat ist Bochum eine der wichtigsten Lebensstationen des Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer, so sein voller Name. Er wurde zwar in Göttingen geboren, ist aber in Bochum aufgewachsen, wo sein Vater als Bergbauingenieur gearbeitet hat. Hier machte er sein Abitur und studierte an der Bochumer Ruhr-Universität einige Semester Musik- und Rechtswissenschaften (ohne Abschluss).

Sein vierter Vorname Clamor stammt von der lateinischen Vokabel "clamor" ("Ruf", "Schrei") ab. Bei dieser Wahl haben seine Eltern eine gewisse Weitsicht bewiesen. Herbert Grönemeyer wurde Sänger und machte Musik mit Jungs aus dem benachbarten Wattenscheid, später mit der Bo-Band des Bochumer Schauspielhauses.

Der Erfolg ließ auf sich warten - und dann kam "Bochum"

Der Beginn verlief zäh. Die ersten drei Alben verkauften sich zäh, das vierte, "Gemischte Gefühle", immerhin 250.000 Mal. Zu wenig, befand seine Plattenfirma und feuerte ihn. Dann hatte Herbert Grönemeyer einen Einfall, der sich als Königsidee erweisen sollte. Er wechselte das Label - und besang seine Heimat.

"Die EMI hat mich damals aufgenommen, als Intercord mir gekündigt hatte und meinte, ich sollte das ganz lassen mit dem Singen", sagte er der "Zeit". "Dann kam ich zur EMI ausgerechnet mit 'Bochum', wo die doch denken mussten: O Gott, er hat schon keinen Erfolg, jetzt singt er auch noch über Bochum! Das kauft schon in Wanne-Eickel keiner mehr."

Grönemeyer hatte über Bochum nichts Sensationelles zu besingen, im Gegenteil: "Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau." Doch die Ehrlichkeit des Textes hat Millionen ergriffen, die Verkaufszahlen des Albums "4630 Bochum" gingen durch die Decke (2,9 Mio., Nummer eins in den Charts).

Auch jedes der folgenden zehn Alben (bis 2018) war mehrfacher Spitzenreiter in den deutschen Hitparaden, das Album "Mensch" verkaufte sich mehr als 3,62 Millionen Mal. Insgesamt hat Herbert Grönemeyer mehr als 17 Millionen Tonträger verkauft. Damit ist er der erfolgreichste zeitgenössische Musiker Deutschlands. Hits wie "Männer", "Flugzeuge im Bauch", "Kinder an die Macht", "Was soll das?" und "Mensch" kennt fast jeder, insofern könnte man ihn als Volkssänger im besten Sinne des Wortes bezeichnen.

Herbert Grönemeyer stellt "Konsonanten in all ihrer verdammt ehrlichen Härte" aus

Seine kehlige Stimme ist ein Alleinstellungsmerkmal. Das hat die "Süddeutsche Zeitung" so beschrieben: "Herbert Grönemeyers Markenzeichen ist dieses konsonantische Singen: Vokale möglichst kurz hervorstoßen, Konsonanten in all ihrer verdammt ehrlichen Härte ausstellen. So dass ihm die Wörter beim Singen wie kleine Winterkartoffeln aus dem Mund kollern: nahrhaft, hart und erdverbunden. Wobei das bei ihm anders klingen würde, eher so: Hartmwind. Nll Kmprmsse!"

In diesem Sinne besingt er metaphernhaft den "Schffsvrkhr" auf einem Album, das natürlich "Schiffsverkehr" heißt. Da wird der Text "rausgepresst, als würde er die Stimmbänder nachts in einer Roth-Händle-Packung einlegen." Man fragt sich, wie kann ein gelernter Schauspieler so undeutlich singen?

Die Antwort ist: Herbert Grönemeyer hat nie eine Schauspielschule besucht. Mit seinem Schulfreund Claude-Oliver Rudolph (64) ging er nach der Schule ans renommierte Schauspielhaus Bochum. Rudolph wurde Schauspieler, Grönemeyer zunächst Pianist, ab 1976 musikalischer Leiter.

"Das Boot" brachte seinen Durchbruch als Schauspieler

Zur Schauspielerei brachte ihn der Bühnenregisseur Joachim Breen. Das Naturtalent Grönemeyer arbeitete mit Theatergrößen wie Peter Zadek und Claus Peymann, er spielte in TV-Filmen mit und hatte seinen Durchbruch - übrigens mit seinem Kumpel Claude-Oliver Rudolph - in einer Hauptrolle in "Das Boot" von Wolfgang Petersen (80). Besonders einfühlsam spielte er den Komponisten Robert Schumann in "Frühlingssinfonie".

Er ist in erster Linie Musiker geblieben, hat allerdings auch beide Genres verknüpft und Filmmusiken für internationale Produktionen komponiert wie für die Thriller "The American" mit George Clooney (59) oder "A Most Wanted Man" mit Philip Seymour Hoffman (1967-2014).

Ein Erfolgsgarant für die künstlerische Karriere sind auch die eindringlichen, manchmal sogar poetischen Texte, die von der Kritik bisweilen belächelt werden, für die ihn aber sein Publikum vergöttert. Herbert Grönemeyer hat ein instinktives Gespür für Stimmungen, vor allem wenn er eigene Gefühle beschreibt. "Du bist das Himmelbett für Tauben", dichtet er über Bochum. Und in "Mensch" singt er: "Und der Mensch heißt Mensch, weil er irrt und weil er kämpft. Und weil er hofft und liebt, weil er mitfühlt und vergibt."

1998 starben sein Bruder und seine Frau

Im November 1998 hatte er die schwerste Zeit seines Lebens zu überstehen. Erst starb sein Bruder, der Galerist Wilhelm Grönemeyer, mit 44 an Leukämie. Vier Tage später seine Frau, die Schauspielerin Anna Henkel (1953-1998) an den Folgen von Brustkrebs. "Man trauert, und es hört nie auf", sagte er später. "Man kann Trauer nicht verarbeiten und auch nicht wegarbeiten. Die bleibt."

Vier Jahre später hat er den Song "Der Weg" seiner toten Frau gewidmet. "Du hast jeden Raum / Mit Sonne geflutet / Hast jeden Verdruss ins Gegenteil verkehrt / [...] Ich trag' dich bei mir / Bis der Vorhang fällt." Diesen Herbert Grönemeyer hat jeder verstanden - und geliebt.