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Hellofresh stößt an seine Grenzen – und bittet Kunden um Stornierungen

Der Kochboxen-Versender ist 2020 bei Umsatz und Aktienkurs rasant gewachsen. Doch zum Jahreswechsel ist Hellofresh überlastet – mit spürbaren Folgen.

Es ist ein ungewöhnliches Angebot, das der Kochboxenversender Hellofresh zum Wochenbeginn seinen Stammkunden macht: Sie bekommen eine Belohnung, wenn sie ihre Bestellung stornieren.

„Mit Deiner Hilfe stellen wir sicher, dass die Kapazitäten zum Jahreswechsel nicht an ihre Grenzen stoßen und wir unseren Service in Zukunft weiterhin zufriedenstellend anbieten können“, heißt es in einer Mail vom Montagabend an die Kunden. Diese sollten sich rasch dazu durchringen, ihre Bestellung für die Woche abzusagen.

Die Berliner versenden Pakete mit abgestimmten Kochzutaten wie Gemüse, Fleisch und Gewürzen samt Rezepten. Die Kunden erhalten die Pakete automatisch einmal pro Woche, sofern sie Lieferungen nicht aktiv stornieren. Aber genau dazu forderte Hellofresh nun mit Zeitdruck auf.

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Nur bis Mitternacht gelte das Angebot: „Wir hinterlegen Dir als Dankeschön zehn Euro in Deinem Kundenkonto, wenn Du Dich dazu entscheidest unser Team zu unterstützen und Deine Bestellung zu pausieren.“

Die ungewöhnliche Aktion zeigt: Hellofresh stößt an seine Wachstumsgrenzen. In der Pandemie haben so viele Neukunden die Kochboxen für sich entdeckt, dass der Umsatz sich 2020 wohl mehr als verdoppeln wird. Der Aktienkurs ist im laufenden Jahr sogar um mehr als das Dreifache gestiegen.

Neun Jahre nach der Gründung und drei Jahre nach dem Börsengang dürfte Hellofresh 2020 erstmals einen Gewinn ausweisen. Doch Zweifel daran wachsen, wie nachhaltig das Wachstum ist.

Bloomberg-Analystin Diana Gomes warnt in einer aktuellen Analyse: „Weniger Menschen könnten ab dem zweiten Halbjahr 2021 zu Hause kochen, wenn die Corona-Maßnahmen wegen der Impfungen gelockert werden.“ Für Hellofresh müsse es daher darum gehen, die neu geworbenen Kunden zu halten. Denn: Profit macht das Modell dann, wenn der Anteil der Marketingkosten sinkt.

Analystin Gomes verweist auf Marktforschung: Erst nach 66 Tagen hätten Verbraucher eine neue Gewohnheit verinnerlicht – wie eben das Kochen mit Zutaten im Paket-Abo.

Stündlich wechselnde Lage

Entscheidend dafür ist auch ein verlässlich guter Service. Hellofresh geriet jedoch bereits in den vergangenen Wochen erkennbar an Leistungsgrenzen. Kunden, die den Service für einige Zeit pausiert hatten, konnten zwischenzeitlich keine neuen Lieferungen bestellen. Offenbar stieg die Nachfrage wegen der Restaurantschließungen zu stark an.

Hintergrund der aktuellen Aktion sei die Produktionspause an den Feiertagen, heißt es bei Hellofresh. Derzeit ändere sich die Bestelllage stündlich, daher seien endgültige Aussagen zur Liefersituation nicht möglich. Offenbar verschiebt Hellofresh bei einigen Kunden bereits Liefertermine.

Offen ist, ob die Kunden wegen der Pandemie mit besonderer Nachsicht auf die Probleme von E-Commerce-Anbietern reagieren – oder ob solche Aktionen gerade Neukunden verschrecken, die erstmals Lebensmittel im Netz bestellen.

„Die Frage gilt eigentlich für alle Onlinehändler derzeit und vor allem für Online-Food-Anbieter“, sagt Gerrit Heinemann, Professor für eCommerce an der Hochschule Niederrhein. „Zweifelsohne bringen Onlinekunden derzeit mehr Verständnis auf als sonst – allerdings mehren sich auch derzeit die Kundenbeschwerden bei DHL und anderen.“

Hellofresh trifft dabei auf ein weiteres Problem: Einer der Lieferpartner fällt ab Februar aus. Vor drei Wochen kündigte der Paketlogistiker Hermes überraschend an, den zugekauften schnellen Lieferdienst Liefery einzustellen.

Bisher gewährleistet Liefery noch einen Teil der Hellofresh-Lieferungen in bestimmten, von den Kunden buchbaren Zeitfenstern. Ein Teil soll von Hermes übernommen werden, allerdings nicht das Geschäft mit Frischeprodukten.

„Zwar ist hier vor allem in diesem Jahr eine steigende Nachfrage zu verzeichnen, die Margen für Hermes als reinen Logistikdienstleister sind in diesem niedrigpreisigen Produktsegment jedoch so gering, dass eine Profitabilität auch mittelfristig nicht gegeben sein wird“, teilte eine Hermes-Sprecherin auf Nachfrage mit. Hellofresh muss also wohl eine andere Lösung finden. Neuigkeiten dazu gebe es noch nicht, sagte eine Sprecherin.

Gorillas greift an

Zudem kommen neue Konkurrenten auf, die anders als Hellofresh mit schneller Lieferung werben. So baut der frisch gestartete Dienst Gorillas sein Liefergebiet aus. Seit wenigen Tagen bieten die Berliner auch in Hamburg an, Lebensmittel innerhalb von nur 15 Minuten per App geliefert zu bekommen. Derweil hat Hellofresh in der vergangenen Woche die Frist, innerhalb derer Kunden ihre Bestellung verändern können, teils um zwei Tage auf eine Woche verlängert.

Bei der Entlastung könnte helfen, dass das Wachstum 2021 nicht ganz so rasant weitergehen dürfte. „Ich gehe davon aus, dass das Coronajahr 2020 das Wachstum in diesem Bereich zwar beschleunigt hat, sich jedoch nach Corona nicht weiter mit der Dynamik fortsetzen wird“, meint Experte Heinemann.

Hellofresh-Chef Dominik Richter rechnet für 2021 mit 20 bis 25 Prozent Wachstum, also einem Viertel der Geschwindigkeit des laufenden Jahres. Mit dieser Prognose überraschte er Anfang des Monats die Analysten positiv – schließlich verzeichnete die Aktie zwischenzeitlich einen Dämpfer, weil Leerverkäufer auf stärkere Bremseffekte nach der Coronakrise spekulieren.

Hilfreich ist für Hellofresh ein Zukauf in den USA, wo der Konzern bereits eine starke Position hat. Mit der Übernahme von Factor75 steigen die Berliner in das Geschäft mit bereits fertig zubereiteten Mahlzeiten ein, die die Kunden zu Hause nur noch aufwärmen müssen.

Wachstum ist für Hellofresh entscheidend, um konstant Gewinne ausweisen zu können. Das zeigt der Finanzbericht für das dritte Quartal. In den ersten neun Monaten 2020 verdoppelte der Konzern seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 2,6 Milliarden Euro.

Damit ließ er die Zeit der Verluste hinter sich. Im Vorjahr machten die Berliner operativ (Ebit) noch gut 38 Millionen Euro Verlust. Ein Jahr später melden sie für die ersten neun Monate knapp 273 Millionen Euro Gewinn.