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Helikoptergeld: Ein gefährliches Spiel

Zentralbanken flirten mit der Idee Haushalten Geld zu schenken. Nicht wenige Experten warnen vor den Folgen. Die Argumente beider Seiten.

Mario Draghi findet die Idee „sehr interessant“; Ben Bernanke, ehemaliger Chef der US-amerikanischen Zentralbank FED, sprach schon 2002 davon. Und der Chef der japanischen Notenbank, Haruhiko Kuroda, fühlte sich Ende Juli zu einem klaren Statement genötigt, nachdem Märkte darauf spekulierten, dass die Zentralbank in Versuchung gerät. Die Rede ist von Helikoptergeld. Doch woher kommt die Idee? Und was heißt das genau?

Antworten auf diese Fragen liegen weit zurück in der Geschichte der Volkswirtschaft. Erstmals in Verbindung gebracht wird Helikoptergeld mit Milton Friedman. Friedman gehörte neben John M. Keynes zu den einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftlern der jüngeren Geschichte und war als Vertreter des Monetarismus bekannt. Dreh- und Angelpunkt der Theorie ist die Bedeutung der Geldmenge und ihre Beziehung zur Inflation. Auf ihn geht auch die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote zurück. 1976 erhielt der Ökonom den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. In seinem vielbeachteten Aufsatz „The Optimum Quantity of Money“ (1969) beschreibt Friedman folgendes Gedankenexperiment:

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„Nehmen wir an, dass eines Tages ein Helikopter über diese Gegend kreist und 1.000 US-Dollar vom Himmel wirft, welche natürlich eilig von den Einwohnern eingesammelt werden. Nehmen wir des Weiteren an, dass jeder davon überzeugt ist, dass es ein einmaliges Ereignis war, dass niemals wieder wiederholt wird.“ Friedman nutzt dieses Gedankenspiel, um folgendes Prinzip seiner Theorie zu erläutern: Wenn eine Zentralbank die Inflation ankurbeln will, stellt der direkte Geldtransfer das wohl effektivste Mittel dar. Denn die permanente, aber einmalige, Ausweitung der Geldmenge sorge dafür, dass die Preise anziehen. Zwischen Geldmenge und Preisen bestehe also eine direkte Verbindung. Jahrzehnte später griff unter anderem Ben Bernanke, damals noch nicht Chef der US-Notenbank FED, Friedmans Gedankenspiel auf und entwickelte es weiter: Regierungen könnten Steuern kürzen, während sich die Zentralbank dazu verpflichtet Staatsanleihen zu kaufen, um die Zinsen niedrig zu halten. Auf diese Weise solle Nachfrage, das heißt Konsum, und Inflation angeregt werden. Diese Art der monetär, also durch die Notenbankpresse, finanzierten Steuererleichterung sei gleichzusetzen mit Milton Friedmans berühmten Helikoptergeld.

Auch wenn Zentralbanken wohl keine Helikopter mit Geld vollladen und über der Welt abwerfen, ganz abwegig ist die Idee nicht. Seit Jahren versucht die EZB die Inflation im Euroraum anzukurbeln. Die Zinsen könnten niedriger kaum sein. Doch der gewünschte Effekt lässt nach wie vor auf sich warten. Nicht wenige Fragen sich, ob Zentralbanken ihre letzten Mittel aufgebraucht haben. Und seit Mario Draghi im März dieses Jahres das Thema mit den beiden Worten „sehr interessant“ kommentierte, ist die Katze sprichwörtlich aus dem Sack. Eine Studie der Deutschen Bank hat sich daher bereits mit der Wirkung von Geldgeschenken in Form von beispielsweise direkten Überweisungen an die private Wirtschaft auseinander gesetzt. Das Fazit: Helikoptergeld könne wesentlich wirksamer sein als Wertpapierankäufe oder staatliche Konjunkturprogramme. Mittels Helikoptergeld könne die Gesamtnachfrage also erhöht und das Wachstum angekurbelt werden. In welcher Höhe Zentralbanken Geldgeschenke verteilen sollen, klärt die Studie allerdings nicht.

Experten sind beunruhigt

Professor Hans-Werner Sinn, ehemaliger Chef des ifo-Instituts, ist weniger von der Idee überzeugt. In einem Gastbeitrag für „FAZ“ macht der Ökonom deutlich, dass das durch das QE-Programm erzeugte Zentralbankgeld bereits Helikoptergeld sei, „weil die Staaten mit den Einnahmen aus der Verschuldung, die letztlich aus der Druckerpresse kamen, Transfers an die Bürger finanziert oder Steuererhöhungen vermieden haben“. Dabei spiele es keine Rolle, dass der Staat auf die ausgegebenen Schuldtitel Zinsen zahlen muss, „denn diese Zinsen fließen über die Gewinnausschüttungen der Notenbank wieder an ihn selbst zurück“. Es sei allgemein bekannt, dass die Ausgabe von Helikoptergeld dasselbe sei, wie die Kombination aus einer expansiven Fiskalpolitik und einer expansiven Geldpolitik. „Deshalb sind auch die ökonomischen Wirkungen dieselben“, so Sinn. „Was bislang schon nicht funktioniert hat, wird auch dann nicht funktionieren, wenn man es anders verpackt.“ Der einzige Unterschied läge in der rechtlichen Betrachtung: Beim Helikoptergeld sei es die EZB selbst, die die Entscheidungen trifft. „Wenn das ein Vorteil sein soll, so kann er nur darin begründet sein, dass mit der neuen Form des Helikoptergeldes die demokratischen Hürden und rechtlichen Verschuldungsschranken überwunden werden, die sich die parlamentarischen Demokratien der Eurozone gegeben haben.“ Wie auch die Autoren der Deutschen Bank-Studie gibt Sinn zudem zu Bedenken, dass die EZB in diesem Fall ein besonderes Auge auf die Inflation haben müsse. Schließlich drohe bei solchen Maßnahmen eine Hyperinflation.

Ähnliche Bedenken hat auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagt er zum Thema Helikoptergeld: „Das (Other OTC: DASX - Nachrichten) wäre nichts anderes als die vollständige Vermengung von Geldpolitik und Fiskalpolitik und mit der Notenbankunabhängigkeit nicht vereinbar.“ Statt immer waghalsigere geldpolitische Experimente ins Spiel zu bringen, wäre es sinnvoll, innezuhalten: „Geldpolitik ist kein Allheilmittel, ersetzt nicht notwendige Reformen in einzelnen Ländern und löst auch nicht die Wachstumsprobleme Europas. Wer das von ihr verlangt, überfordert sie und wird am Ende enttäuscht werden.“ Bereits im März kommentierte Berenberg Bank Chefvolkswirt Holger Schmieding die Diskussion mit den Worten: „Das Helikoptergeld ist Quatsch. Es würde die Illusion nähren, die Notenbank könne für die Bürger einfach immer mehr Geld drucken und damit die Probleme lösen.“

Der Einsatz von Helikoptergeld ist jedoch weit weniger ungewöhnlich, als zunächst angenommen: „Während den zwei Weltkriegen spannten Regierungen ihre Zentralbanken eng in die Finanzierung der Militärausgaben ein“, so die Deutsche Bank (London: 0H7D.L - Nachrichten) - Studie. „In der Vergangenheit hat es immer wieder – oft unrühmliche – Versuche mit Helikoptergeld gegeben, so etwa in der Weimarer Republik, in Ungarn und in Simbabwe“, sagt Patrick Schotanus, Investment Strategist bei Kames Multi-Asset Investing. Die Folge in den meisten Fällen: Hyperinflation. Denn es bleibe die Gefahr, „dass die Regierungen Gefallen an dem Geldregen finden könnten“ und das Thema Haushaltsdisziplin nicht konsequent genug verfolgt wird. Zusätzlich dazu stehe das Vertrauen in Banken auf dem Spiel: „Seit Einführung der Negativzinsen sind die Verkaufszahlen von Tresoren in Deutschland und Japan nach oben geschnellt“, so Schotanus.

Voraussetzungen für Helikoptereinsatz sind gegeben

Niedrige Zinsen, niedrige Inflation und ratlose scheinende Notenbanken: Das Thema Helikoptergeld scheint längst kein Tabu mehr. Im Gegenteil, es scheint sprichwörtlich über den Köpfen der Zentralbänker zu kreisen: „Maßnahmen, die einst als rücksichtslos und als absolute Extreme der Wirtschaftstheorie abgestempelt wurden – wie quantitative Lockerung oder Negativzinsen - gelten jetzt nicht nur als konventionell, sondern immer häufiger sogar als unzureichend“, schreibt dementsprechend das Multi-Manager Team von Schroders in einem Kommentar. Hinzu kommt die Furcht vor einem ganz anderen Übel: „Das Zusammenspiel aus Deflation und Nullzinsen erhöht das Risiko einer Liquiditätsfalle, in der geldpolitische Maßnahmen wirkungslos verpuffen und der Staat über seine Fiskalpolitik der Wirtschaft unter die Arme greifen muss“, erklärt Schotanus. Gleichzeitig zwinge aber die nach wie vor hohe Staatsverschuldung Regierungen eigentlich weiterhin zu Haushaltskürzungen und Sparsamkeit. Welcher Weg das größere Übel darstellt, bleibt ungeklärt. „Überdies warnen Kritiker, die Geldpolitik selbst habe dazu beigetragen, die Weltwirtschaft in die Zwickmühle zu manövrieren, in der sie sich derzeit befindet“, sagt Schotanus. „Helikoptergeld halten sie für die extremste Form der bereits verabreichten schädlichen Medizin.“ Auch Friedman selbst glaubte nicht, das Geld ein Allheilmittel darstellt und warnte: „Weil es so alles durchdringend ist, wirft es Sand ins Getriebe aller anderen Maschinen, wenn es außer Kontrolle gerät.“

(TL)