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Der Unbeugsame: Heinz Hermann Thiele ist tot

Mit 79 Jahren ist der Unternehmer in München gestorben. Bis zuletzt war der Patriarch bei Knorr-Bremse aktiv. Mit ihm geht eine der markantesten Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft.

Heinz Hermann Thiele ist tot. Der Mehrheitsgesellschafter von Knorr-Bremse und Großaktionär der Lufthansa ist im Alter von 79 Jahren überraschend verstorben, teilte Knorr-Bremse am Dienstagabend mit.

Thiele ist eine der wichtigsten Unternehmerpersönlichkeiten des Landes. Der studierte Jurist hat Knorr-Bremse im Jahr 1985 übernommen und den Zulieferkonzern bis zum Börsengang 2018 zum Weltmarktführer für Zug- und Lkw-Bremsen geformt. Zuletzt war er stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats. Über seine Familienholding hielt er 59 Prozent der Anteile. Thiele war auch Eigner des Bahntechnikherstellers Vossloh.

„Vorstand und Aufsichtsrat trauern um eine globale und visionäre Unternehmerpersönlichkeit, die die weltweite Schienen- und Nutzfahrzeugbranche über Jahrzehnte wegweisend geprägt hat“, heißt es in der Mitteilung von Knorr-Bremse. „Heinz Hermann Thiele hat sein ganzes Leben in den Dienst der Firma gestellt.“

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Im vergangenen Jahr hatte Thiele mit seinem Einstieg bei der Lufthansa für Schlagzeilen gesorgt. Dort hält er laut letzter Mitteilung rund zwölf Prozent der Anteile. Der Multimilliardär hatte sich im Sommer vergangenen Jahres die Zustimmung zum staatlichen Stabilisierungspaket der Airline lange offengehalten und damit für Unruhe gesorgt.

Thiele war laut dem US-Magazin „Forbes“ einer der reichsten zehn Deutschen. Der Unternehmer besaß nach Angaben des „Forbes“-Rankings 2020 mehr als 18 Milliarden US-Dollar.

Thiele gelang ein beispielloser Aufstieg

Heinz Hermann Thiele hatte sich aus kleinen Verhältnissen an die Spitze der deutschen Industrie hochgearbeitet. Als Prokurist arbeitete er Anfang der 80er-Jahre für die damals marode Knorr-Bremse. Als das Unternehmen nach einem Erbschaftsstreit zum Verkauf stand, sollte Thiele im Auftrag der Banken einen Käufer finden.

Als er keinen fand, griff er mithilfe der Deutschen Bank selbst zu. Im vergangenen August hatte Thiele noch Anna Herrhausen ein Interview gegeben (hier im Video). Der 1989 von der RAF ermordete Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen hatte Thiele unterstützt, als dieser ohne eigene Mittel Knorr-Bremse übernahm.

Es folgte ein „aberwitziger Ritt über den Weltmarkt“, wie ein Konkurrent sagte. Thiele war einer der ersten, die Großaufträge aus China ergatterten, und stattete die U-Bahn in Schanghai in den 90er-Jahren mit Bremssystemen aus. Im Lkw-Geschäft sicherte er sich von Bosch das ABS-Geschäft für Bremssysteme.

Aus der einst maroden Knorr-Bremse wurde über die Jahre ein Global Player, der die Märkte für Zug- und Lkw-Bremsen bis heute dominiert. Thiele kannte fast jeden Bahnchef und Lkw-Manager auf dieser Welt persönlich. Zuletzt machte Knorr-Bremse 6,9 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigte 29.000 Menschen.

Thiele war bei Führungskräften gefürchtet

Thiele schonte weder sich noch andere. Kritiker fürchteten seinen harten Managementstil – er nannte es „konsequent“. Den Flächentarif lehnte er ab, er trat aus dem Arbeitgeberverband aus. Thiele vertrat solche unpopulären Positionen öffentlich, fühlte sich aber oft missverstanden.

Wenn ihn etwas ärgerte, griff er zum Telefon und rief Journalisten auch mal persönlich an. Man konnte sich mit ihm reiben, streiten, aber auch herzlich lachen. Das Loslassen fiel im schwer. Nach seinem Abgang 2007 als Vorstandsvorsitzender bei Knorr-Bremse ging er in den Aufsichtsrat, die meisten Nachfolger fielen bei Thiele in Ungnade.

Auch sein Sohn Hendrik verließ 2017 das Unternehmen und die Familienholding im Dissens. Thiele fehlte der Nachfolger. 2018 brachte der Patriarch Knorr-Bremse an die Börse. Die Mehrheit der Anteile liegt immer noch in der Familienholding, die nun von seiner Frau und seiner Tochter kontrolliert wird.

Eigentlich wollte sich Heinz Hermann Thiele nach dem Börsengang immer mehr zurückziehen, nur noch als „Ehrenvorsitzender“ dem Aufsichtsrat zur Seite stehen. Doch im Mai 2020 kehrte der Patriarch in den Aufsichtsrat zurück. Das hatte Folgen: Kurz darauf musste der frisch eingesetzte Vorstandschef Bernd Eulitz seinen Posten wieder räumen.

Nebenbei stieg Thiele bei Lufthansa ein und wehrte sich bis zuletzt über das aus seiner Sicht unfaire Sanierungspaket der Bundesregierung. Am Ende winkte er die Lufthansa-Sanierung doch durch.

Thiele hatte noch viel vor

„Heinz Hermann Thiele war eine der herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte. Seine enorme Leistung ist es, Knorr-Bremse vor der Pleite gerettet und zu einem Weltmarktführer aufgebaut zu haben“, würdigte der ehemalige ZF-Chef Hans-Georg Härter, der zwischenzeitlich auch den Aufsichtsrat von Knorr-Bremse führte, Thieles Lebensleistung.

Härter war überrascht von der Nachricht von Thieles Tod. Erst vor wenigen Wochen hatte er mit dem Unternehmer voller Tatendrang unter anderem über die Auswirkungen der Coronakrise telefoniert.

Sicher ist: Thiele hatte noch viel vor. Seine Persönlichkeit wird der deutschen Industrie fehlen.