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Heil will Langzeitarbeitslose mit Zuschüssen in Jobs bringen – doch das wird wohl nichts nützen

„Arbeit zu haben und für sich selbst sorgen zu können, ist eine Frage der Würde und Teilhabe“, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil. Mit seinem Teilhabechancengesetz, das am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, will der SPD-Politiker nun auch jenen Menschen ein Stück Würde zurückgeben, die schon viele Jahre ohne Job und auf staatliche Stütze angewiesen sind.

Doch die Pläne stoßen keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. Wirtschaft, Gewerkschaften und Kommunen fordern Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren.

Mit seinem Gesetz will Heil zwei verschiedenen Zielgruppen helfen. Zum einen soll besondere Unterstützung erhalten, wer in den zurückliegenden acht Jahren mindestens sieben Jahre Arbeitslosengeld II – umgangssprachlich Hartz IV – bezogen hat und in dieser Zeit allenfalls kurz beschäftigt war.

Hier ist der erste Referentenentwurf in der Ressortabstimmung noch einmal verändert worden. Ursprünglich sollten schon sechs Jahre Leistungsbezug für die Förderung ausreichen.

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Ziel ist, die Betroffenen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Wirtschaft, den Kommunen oder bei sozialen Einrichtungen zu vermitteln. Den Arbeitgebern werden dafür im ersten Jahr 100 Prozent der Lohnkosten vom Staat erstattet, danach schmilzt der Zuschuss um zehn Prozentpunkte pro Jahr ab. Gefördert werden kann über maximal fünf Jahre.

Die Bundesregierung erkennt damit an, dass die bisherige, eher kurzfristige und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierte Förderung nicht die gewünschten Effekte gebracht hat. Ergänzt werden soll die finanzielle Förderung durch ein intensives Coaching der Arbeitslosen, von denen viele zusätzlich gesundheitliche oder soziale Probleme haben.

Die zweite Zielgruppe sind Langzeitarbeitslose, die schon zwei Jahre oder länger erfolglos einen Job suchen. Sie können zwei Jahre lang gefördert werden. Arbeitgeber, die ihnen eine Chance geben, erhalten im ersten Jahr 75 Prozent des Arbeitsentgelts als Zuschuss vom Staat, im zweiten Jahr sinkt die Förderung auf 50 Prozent. Die Arbeitgeber werden aber verpflichtet, den Langzeitarbeitslosen nach Auslaufen der Förderung noch mindestens für ein halbes Jahr weiter zu beschäftigen.

Kritik etwa vom Deutschen Städtetag und der Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt es unter anderem daran, dass Heil den Arbeitgebern nur den gesetzlichen Mindestlohn, nicht aber den ortsüblichen Tariflohn erstatten will.

Eine Kommune müsste einem Langzeitarbeitslosen in der untersten Entgeltgruppe West also 10,78 Euro pro Stunde zahlen, würde aber im kommenden Jahr – nach der bereits beschlossenen Erhöhung des Mindestlohns – nur 9,19 Euro vom Staat zurückbekommen. Die versprochene 100-Prozent-Förderung ist hier also nicht gegeben.

„Diese Förderkonditionen sind so unattraktiv, dass sich viele potenzielle Einsatzstellen nicht beteiligen werden, die eigentlich für die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser aufgeschlossen sind“, kritisiert Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Die Koalition laufe damit Gefahr, die angestrebte Zahl von 150.000 geförderten Arbeitsplätzen nicht zu erreichen.

Die Bundesagentur für Arbeit kritisiert zudem, dass die auf zwei Jahre angelegte Förderung bei den seit mindestens zwei Jahre Arbeitslosen zu rasch abschmilzt und die geförderten Langzeitarbeitslosen danach für mindestens ein halbes Jahr weiter beschäftigt werden müssen. Unter diesen Bedingungen werde es schwer, kooperationsbereite Arbeitgeber zu finden.

Nach einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind 44 Prozent der Betriebe grundsätzlich bereit, Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben. 34 Prozent würden nur Bewerber in Betracht ziehen, die weniger als ein Jahr arbeitslos waren. 14 Prozent berücksichtigen gar keine arbeitslosen Bewerber.

Wichtigstes Kriterium für die Einstellung Langzeitarbeitsloser ist dabei weniger das Geld als vielmehr die Zuverlässigkeit der Bewerber.

Die Wirtschaft fürchtet, dass Langzeitarbeitslose Privatunternehmen Arbeit wegnehmen könnten

Das zeigt sich auch an den Ausnahmen vom Mindestlohn, die bei der Einstellung Langzeitarbeitsloser gelten. Seit Inkrafttreten der gesetzlichen Lohnuntergrenze 2015 bis Mai dieses Jahres wurden nur 4.350 entsprechende Anträge gestellt, wie das Handelsblatt von der BA erfuhr.

Die Zuverlässigkeit der Bewerber, von denen sich viele überhaupt erst wieder an einen geregelten Tagesablauf gewöhnen müssen, soll das intensive Coaching sicherstellen. Die Union nimmt für sich in Anspruch, hier noch einen ausführlichen Zielkatalog in den Gesetzentwurf hineinverhandelt zu haben.

Fraglich ist aber, ob soziale Träger nach den Einsparungen der vergangenen Jahre überhaupt noch genug Ressourcen haben, um eine intensive Betreuung von ehemals Langzeitarbeitslosen im Job zu leisten.

Die Befürchtungen der Wirtschaft richten sich weiter darauf, dass die bezuschussten Langzeitarbeitslosen Privatunternehmen Arbeit wegnehmen könnten. Die Pläne „dürften nicht zu Wettbewerbsverzerrungen durch Träger öffentlich geförderter Beschäftigung zu Lasten von Handwerksbetrieben führen“, mahnt der Generalsekretär des Handwerksverbands ZDH, Holger Schwannecke. Gefördert werden dürften nur Jobs, die zusätzlich, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral seien.

Von diesen Kriterien will Arbeitsminister Heil allerdings bewusst Abstand nehmen. Vielmehr sollen die lokalen Jobcenter-Beiräte, in denen die Sozialpartner vertreten sind, darüber wachen, dass keine reguläre Beschäftigung verdrängt wird.

Für den Paritätischen Gesamtverband springt Heil mit seinem Entwurf dagegen zu kurz. Dass die intensive Förderung erst nach sieben Jahren Hartz-IV-Bezug greifen solle, sei ein Fehler, kritisierte Geschäftsführer Werner Hesse. „Schon deutlich kürzere Zeiten in verfestigter Arbeitslosigkeit führen nach aller Erfahrung bei vielen Betroffenen zu massiven gesundheitlichen Belastungen und sozialer Ausgrenzung.“

Intensive Hilfe sollte deshalb spätestens nach vier Jahren durchgehender Arbeitslosigkeit greifen.

Auch hat der Verband Zweifel, dass die vier Milliarden Euro zusätzlich, die die Koalition bis 2022 eingeplant hat, tatsächlich für den Sozialen Arbeitsmarkt verwendet werden. Denn es bestehe die Gefahr, dass die Jobcenter das Geld auch zum Stopfen ihrer Haushaltslöcher nutzten.