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Wirecard bestätigt Einschaltung externer Ermittler im Jahr 2016

Wurden Hedgefonds überwacht? Wirecard erklärt, externe Sicherheitsberater hätten eine Beschattung eigenmächtig initiiert – der Konzern selbst habe dies nie beauftragt.

Die Aktie des Zahlungsdienstleisters Wirecard steht ein weiteres Mal kräftig unter Druck. Schon seit vergangenem Freitagmittag gibt es heftige Kursreaktionen. Am Dienstag sackte die Aktie dann ab dem frühen Nachmittag um mehr als sieben Prozent nach unten, am Ende blieb ein Minus von 4,56 Prozent. Die Aktie war so viel wert wie zuletzt im März. Auch am Mittwoch ging es erneut abwärts auf 105 Euro.

Als wesentlichen Grund nennen Börsianer die erneute Positionierung von Hedgefonds gegen Wirecard. Durch den Aufbau von Netto-Leerverkaufspositionen wetten sie auf fallende Kurse beim Zahlungsdienstleister.

„Wir stellten zuletzt vermehrte Aktivitäten fest“, sagte eine Sprecherin des Dax-Konzerns. Wirecard ist bereits seit über einem Jahrzehnt immer wieder das Ziel von Hedgefonds, die auf fallende Kurse setzen.

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Schon am Freitag erhöhte der Hedgefonds Slate Path Capital seine Position auf 1,1 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals. Davor lag der Anteil bei 0,94 Prozent. Der New Yorker Großinvestor Slate Path setzt bereits seit Längerem auf sinkende Kurse bei Wirecard. Die Meldung dazu wurde vergangenen Montag im Bundesanzeiger veröffentlicht. Ab einem Anteil von 0,5 Prozent der geliehenen Aktien müssen Großinvestoren dort ihre Position offenlegen.

So wurde am Dienstag auch der Anteil von TCI Fund Management bekannt. Der Londoner Hedgefonds positionierte sich gegen Wirecard, sein Anteil liegt bei 0,54 Prozent der ausgegebenen Aktien. Am Mittwoch erhöhte TCI den Anteil auf 0,67 Prozent. TCI gehörte vorher nicht zu den bekannten Namen, die gegen Wirecard spekuliert haben.

Überwachung durch Detektive

Doch nicht nur verstärkte Wetten gegen die Konzernaktie belasten den Kurs. Am Mittwoch meldete die britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“ (FT), dass ein früherer Topagent des libyschen Geheimdienstes namens Rami El Obeidi 2019 gegen Hedgefonds ermitteln ließ, die auf den Kursverfall bei Wirecard spekulieren. Obeidi sei selbst Aktionär von Wirecard.

Laut FT hat er mit der Hilfe zweier Detekteien aus London und Manchester zahlreiche Investoren ausspionieren lassen. Unter anderem in den Fokus gerieten demnach der Hedgefonds-Manager Crispin Odey, die Co-Autoren des Wirecard-kritischen sogenannten Zatarra-Berichts sowie der Aktienspekulant Nick X. Obeidi habe nach Beweisen dafür gesucht, dass der Kurs der Wirecard-Aktie manipuliert worden sei, schreibt die FT.

Nick X. war im Juli 2019 in die Schlagzeilen geraten, nachdem Wirecard in einem Brief an die FT behauptet hatte, „unwiderlegbare Beweise für eine Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der Financial Times und Shortsellern“ zu besitzen. Demnach hätten geheime Audioaufnahmen X.' Verbindung zu der Zeitung unter Beweis gestellt. Nun könnte etwas Licht in den dubiosen Vorgang kommen: Wahrscheinlich ist, dass Obeidi Nick X. ausspionieren und die Audioaufnahmen anfertigen ließ.

Und nicht nur 2019 gab es geheime Vorgänge: Laut FT sollen schon nach Erscheinen des Zatarra-Berichts 2016 mehrere Investoren und Journalisten beschattet worden sein. Auch der Name Dan McCrum, Wirecard-Reporter der FT, ist demnach in einem Beschattungsplan vom März 2016 gefallen, den die FT veröffentlicht hat. Der Ersteller des Dokuments ist unbekannt. In ihm wird ebenso Michael Hedtstück genannt, Online-Chefredakteur des Fachmagazins „Finance“: Dieser habe „mehrfach über WC [Wirecard, Anm. d. Red.] ,negativ' berichtet.“ Sein Haus, der F.A.Z.-Fachverlag, wollte sich auf Anfrage nicht zum Fall äußern.

Wirecard verneint direkte Beauftragung

„Wir haben niemanden beauftragt, Individuen untersuchen oder beschatten zu lassen“, sagte ein Wirecard-Sprecher auf Handelsblatt-Anfrage. „Richtig ist, dass Wirecard im Jahr 2016 eine externe Forensik-Beratung beauftragt hat, die Drahtzieher krimineller Short-Attacken zu identifizieren. Das Mandat umfasste jedoch keine Beschattung von Personen.“

Dann sei jedoch etwas schief gegangen. „Im Folgenden hat sich das von uns beauftragte Unternehmen bedauerlicherweise verselbstständigt und von sich aus Privatermittler für eine einmalige Beschattung beauftragt, um die Urheber des sogenannten Zatarra-Berichts zu identifizieren. Nachdem Wirecard-Manager über diese Überwachung informiert worden sind, wurde sie umgehend beendet“, so der Sprecher.

In einem Schreiben einer beauftragten Kanzlei, dessen Ausschnitt dem Handelsblatt vorliegt, bestätigt diese gegenüber den Vertretern eines Investors eine Überwachung durch Detektive. „Wir bestätigen, (...) dass private Ermittler nach der Veröffentlichung des Zatarra-Berichts am Mittwoch, dem 8. Dezember 2016, eine eingeschränkte und rechtmäßige Überwachung durchgeführt haben“, heißt es dort. Es sei jedoch lediglich darum gegangen, die Anwesenheit des Investors zum Empfang eines eigenen Schreibens sicherzustellen. Die damals eingesetzte Detektei war auf Handelsblatt-Anfrage zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Der Konzernsprecher erklärte weiter: „Wirecard hat nie Überwachungen beauftragt, auch weder vor, noch nach diesem einmaligen Vorfall. Das entspricht nicht unserer Firmenpolitik. Gleiches gilt für eigenmächtige Ermittlungen von externen Dienstleistern. Auch ist nie im Auftrag Wirecards gegen Journalisten ermittelt worden. Der von der FT veröffentlichte Beschattungsplan aus dem März 2016 ist ebenfalls nicht von uns beauftragt worden.“ Für die aktuellen Beschattungen gelte: „Mit den Vorkommnissen des Jahres 2019 steht Wirecard weder direkt noch indirekt in Verbindung.“

Beobachter zweifeln daran, dass eine Überwachung kritischer Investoren eigenmächtig in Auftrag gegeben worden sein könnte. Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität und früherer Investmentbanker, hält diese Darstellung für „unrealistisch“.

„Eine auch nur halbwegs renommierte Kanzlei würde sich nie entscheiden, eine solche Operation eigenmächtig durchzuführen. Eine solche Entscheidung wird grundsätzlich mit dem Auftraggeber abgesprochen, schon allein, um einen eigenen Reputationsschaden zu verhindern“, erklärt Brühl.

Weitere Hedgefonds spekulieren gegen Wirecard

Wirecard-kritische Aktionäre dürften die neuen Nachrichten in ihrer Skepsis gegenüber dem Konzern bestätigen. Bereits seit Längerem sind die Londoner Hedgefonds Marshall Wace und Citadel mit Leerverkaufspositionen gegen Wirecard aktiv. Marshall Wace erhöhte Ende Oktober seinen Anteil von 0,57 Prozent auf 0,61 Prozent. Citadel reduzierte Ende September leicht von 0,51 Prozent auf 0,48 Prozent.

Zu Jahresbeginn zählte auch der britische Hedgefonds Odey Asset Management zu diesem Kreis, er hatte jedoch schon Ende April seine Position gegen Wirecard deutlich reduziert.

In der Regel handelt es sich bei den Leerverkäufern um Hedgefonds, die sich gegen eine Gebühr Aktien bei Großinvestoren wie Banken oder Versicherungen leihen, sie am Markt verkaufen und hoffen, sie später zu günstigeren Kursen wieder zurückkaufen zu können. Dann geben sie die geliehenen Papiere wieder an den eigentlichen Eigentümer zurück.

Angesichts der jüngsten Kursbewegungen sieht die Finanzaufsicht Bafin „keine Anhaltspunkte für eine weitere Marktmanipulationsuntersuchung“, wie sie am Mittwoch auf Anfrage erklärte.

Bei Wirecard versucht man trotz der neuerlichen Attacken spekulativer Anleger, bei der Tagesordnung zu bleiben. Am Mittwochmorgen veröffentlichte der Konzern eine Meldung zur erweiterten Zusammenarbeit mit dem französischen Telekommunikations-Unternehmen Orange. Dorthin unterhält Wirecard bereits seit Jahren Geschäftskontakte. Künftig soll die Orange Bank auch Zahlungen für Android-Kunden via Google Pay anbieten.

Die Tochter des Unternehmens gilt als Marktführer für mobiles Bezahlen in Frankreich und hatte im vergangenen Jahr einen Anteil von 17 Prozent. Durch die Einführung von Google Pay auf der App der Orange Bank soll es künftig 200.000 weiteren Kunden ermöglicht werden, per Smartphone zu bezahlen. Dahinter steckt die Technologie von Wirecard.