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Mit Anlauf in die Schuldenkrise – Haushaltsstreit zwischen Italien und EU eskaliert

Noch nie hat eine italienische Regierung ihre EU-Partner so brüskiert. Sollte Rom im Haushaltsstreit nicht einlenken, droht eine neue Schuldenkrise.

Italien setzt im Schuldenstreit mit Europa auf Konfrontation. Denn auch wenn die Regierungskoalition in Rom immer häufiger streitet und zunehmend auseinanderdriftet – in einem Punkt sind sich Lega-Chef Matteo Salvini und Fünf-Sterne-Anführer Luigi Di Maio einig: Die angesetzte Neuverschuldung für 2019 im Haushaltsentwurf soll bei 2,4 Prozent bleiben, auch wenn sie damit dreimal so hoch ist wie unter dem früheren Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni festgelegt und von Brüssel genehmigt.

Da kann der parteilose Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria noch so sehr dafür werben, das Defizit zu senken, um eines Tages die Staatsverschuldung auf unter 60 Prozent des BIP abzuschmelzen, wie es der Maastricht-Vertag vorsieht. Doch Vizepremier Di Maio, Minister für wirtschaftliche Entwicklung, sagte am Wochenende nach einer Krisensitzung des Kabinetts in Rom: „Ich denke, ich spreche für die ganze Regierung, wenn ich jede Neubewertung des Defizits von 2,4 Prozent ablehne.“

Ähnlich wird das auch in dem Brief klingen, mit dem die Regierung am Montag auf das Mahnschreiben aus Brüssel antworten will. Damit ist die Konfrontation mit der EU-Kommission auf der nächsten Eskalationsstufe angelangt, inklusive aller negativen Konsequenzen für die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone. Das Land ist auf dem Weg in den Abgrund. Denn für Italien wird es immer kostspieliger, sich Geld an den Finanzmärkten zu beschaffen. Die Ratingagentur Moody’s hat Italien am Freitag nach Börsenschluss herabgestuft. Nun liegt die Bonitätsbewertung nur noch eine Stufe über dem Ramschstatus. Ende dieser Woche folgt dann die Benotung von Standard & Poor’s.

Investoren haben zuletzt italienische Staatsanleihen abgestoßen. Allein im August belief sich der Wert der Papiere nach Zahlen der Banca d’Italia auf 17,8 Milliarden Euro. Finanztitel verlieren an der Börse in Mailand, und der Transfer von Kapital aus Italien in die benachbarte Schweiz hat neue Rekorde erreicht, wie Luganer Banker bestätigen. Schon wird spekuliert, ob Italien ein Hilfsprogramm des Euro-Rettungsfonds ESM braucht.

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Das sieht nicht nach Vertrauen in eine Lösung des Konflikts aus. Ökonomen warnen gar vor einer neuen Schuldenkrise, die schlimmer als 2011 ausfallen könnte. Damals stand Italien vor dem Staatsbankrott. Silvio Berlusconi trat zurück, der frühere EU-Kommissar Mario Monti übernahm und verordnete dem Land einen strikten Sparkurs.

Mit seinen Budgetplänen stößt Italien auf heftige Kritik der EU-Kommission. Die 2,4 Prozent werden in eben jenem Brief stehen, den die italienische Regierung am Montag nach Brüssel schickt. Es ist die Antwort auf den blauen Brief, in dem die Kommission Italien einen „besonders ernsten Verstoß gegen die Budgetvorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakts“ vorwirft. Schon am Dienstag will die Kommission entscheiden, ob sie gegen Italien ein Strafverfahren einleiten wird.

Wirtschaft kritisiert den Regierungskurs

Einen „konstruktiven Dialog“ mit der EU wünscht sich dennoch Premier Giuseppe Conte. Außer den Populisten selbst gibt es in Italien niemanden, der den Anti-EU-Kurs gutheißt. „Die Regierung muss den Haushalt ändern und mehr Ressourcen in das Wachstum stecken“, kritisiert Vincenzo Boccia, Präsident des mächtigen Unternehmerverbands Confindustria.

„Es gibt keine Alternative, unsere Regierung und die EU-Kommission müssen eine Übereinkunft finden“, sagt Alberto Bombassei, Chef des Bremsanlagenherstellers Brembo, der enge Geschäftsbeziehungen nach Deutschland hat und das Programm „Industrie 4.0“ in Italien vorangetrieben hat. „Es ist unvorstellbar, dass Italien nicht fest verankert in Europa bleibt“, so Bombassei. „Der blaue Brief aus Brüssel war vorhersehbar wie auch das negative Urteil der Märkte“, heißt es von Antonio Tajani, Präsident des Europaparlaments. „Dieser Haushaltsentwurf bringt kein Wachstum, die Regierung muss ihn ändern.“

Populismus statt Reformen

Der Forza-Italia-Politiker Tajani kritisiert wie viele andere den Weg, den die Regierung von Lega und Fünf Sternen einschlagen will: Wachstum soll durch mehr Konsum geschaffen werden, den wiederum Investitionen anheizen sollen. Auf diese Weise soll auch die Staatsverschuldung sinken. Wahlgeschenke wie die Steuerreform, das Grundeinkommen und die Rückabwicklung von Ex-Ministerpräsident Mario Montis Rentenreform sind Ursachen für die überzogene Neuverschuldung.

Dennoch glaubt Wirtschaftsminister Tria für 2019 an ein Wachstum von 1,6 und 2020 gar von 1,7 Prozent. Prognosen, die der Unternehmerverband anzweifelt. Die Confindustria-Ökonomen gehen nur von einem Wachstum von 0,9 Prozent für das nächste Jahr aus. Die Gründe: Der Export schwächelt, der Konsum hat sich verlangsamt, und Kreditfinanzierungen werden teurer, da die Italiener ihr Geld zusammenhalten.

„Wenn der Spread (der Risikoaufschlag für italienische Bonds gegenüber Bundesanleihen) weiter steigt, zahlen dafür Unternehmen und Familien“, sagt Confindustria-Chef Boccia. „Nicht der Risikoaufschlag ist das größte Problem, sondern dass wir in der Industriepolitik verlieren, wenn wir Unternehmer, die wir investieren müssen, das Vertrauen verlieren“, so äußert sich Antonio D’Amato, Chef eines Verpackungsunternehmens. „Es geht um Wettbewerbsfähigkeit, und dieser Entwurf ist die absolute Negierung des richtigen Wegs. Was wir brauchen, sind Reformen.“

Die mahnt auch Moody’s an: Es fehle eine kohärente Reformagenda für Wachstum, so steht es im Länderbericht. Und Notenbankgouverneur Ignazio Visco fordert, dass Italien öffentliche und private Investitionen fördern und sich darauf konzentrieren müsse, die Staatsverschuldung zu reduzieren. „Es geht nicht ohne einen klaren Kurs der Reduzierung“, so Visco. Nach Griechenland hat Italien den zweithöchsten Schuldenstand in der EU.

Doch jedwede Kritik von innen und außen perlt ab an der Regierung, die sich nur auf die Innenpolitik fokussiert. Ihr Ziel: Sie will bei der Europawahl im Mai einen großen Sieg für die Populisten erringen, allerdings jede Partei für sich. Anschließend sollen die europäischen Regeln geändert werden. Salvini und Di Maio sind im Dauerwahlkampf. Finanzthemen wie der Haushaltsentwurf oder die Staatsverschuldung eignen sich weniger für Facebook-Videos oder Reden auf der Piazza. Wirtschaftsexpertise haben die Populisten wenig. Daher suchen sie die Schuld lieber woanders.

59 Prozent der Italiener stehen hinter dem Haushaltsentwurf

So sagte Salvini jüngst: „Nach Jahren von Haushaltsentwürfen, die uns Europa aufgezwungen hat und die die öffentliche Verschuldung in die Höhe getrieben haben, haben wir jetzt einen Kurswechsel gemacht und denken an Wachstum. Und vor allem: Die Italiener zuerst!“ Ein weiteres Beispiel, wie in Rom derzeit Politik gemacht wird: Drei Tage stritten Lega und Fünf Sterne über einen Passus des Haushaltsentwurfs, in dem es um eine Amnestie für Steuersünder ging. Die Einigung kam erst am späten Samstagabend, nachdem der Wahlkampf in Südtirol und im Trentino, wo am Sonntag gewählt wurde, beendet war. Erst dann arbeiteten die beiden Parteien wieder zusammen und verkauften einen Kompromiss als eigenen Erfolg.

Nach einer schnellen Lösung für den Konflikt mit Brüssel sieht es in Italien derzeit nicht aus. Auch weil im Land die Unterstützung für die Koalition der Populisten weiter wächst. Nach der jüngsten Meinungsumfrage des Instituts Ipsos für den „Corriere della Sera“ vom Sonntag liegt die Zustimmung der Italiener für den Haushaltsentwurf bei 59 Prozent.

Für 58 Prozent der Befragten ist die Rücknahme der Rentenreform, mit der das Renteneintrittsalters wieder sinken würde, der wichtigste Faktor des Haushalts für 2019. Was kümmern da Gegenfinanzierung und Schuldenabbau? Oder der Wertverfall italienischer Bonds und ein drohender Kreditengpass? Die Märkte werden zu Wochenbeginn erneut ihr Votum abgeben, wenn der Brief aus Rom in Brüssel eintrifft.

Sollte die dauerstreitende Koalition zerbrechen und Italien Neuwahlen ausschreiben, was manche Beobachter noch vor dem Frühling für möglich halten, dann steht die Lega mit dem populäreren und extremeren Salvini vor einem Erdrutschsieg. Das wäre ein noch größeres Problem für Italien und Europa.