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Dax-Konzerne legen Programme ohne Fantasie vor

Trafen sich Aktionäre früher auf deutschen Hauptversammlungen, brauchten sie viel Sitzfleisch. Wenige Einzelaktionäre quälten das Publikum mit stundenlangen Monologen. Langeweile, Abscheu und eine geringere Teilnahmequote waren die Folge. Bei den 30 Dax-Konzernen Anfang des Jahrtausends sank sie unter 45 Prozent. Das konnte Zufallsmehrheiten verursachen und versetzte die Vorstände in Alarmstimmung.

Mithilfe der Banken und professioneller Stimmrechtsberater wie ISS und Glass Lewis, die viele Tausend Aktien bündeln, schafften es die Unternehmen, die Aktionärspräsenz bei den 30 Dax-Unternehmen wieder zu steigern. Sie erreichte in diesem Jahr nach Handelsblatt-Berechnungen mit durchschnittlich 63,1 Prozent Rekordhöhe.

2 300 Aktionäre kamen zur Telekom ins Bonner World Conference Center, 400 mehr als vor einem Jahr in die Lanxess-Arena nach Köln. Siemens begrüßte sogar 6 848 Teilnehmer in der Münchener Olympiahalle, 697 mehr als 2017. Jeder zweite Konzern erlebte den höchsten Zuspruch seit mindestens 2005 – dem Beginn entsprechender Zählungen. Ausgerechnet die Deutsche Bank, wo Aktionäre angesichts des Konzernumbaus, der Kurstalfahrt und des geplanten Abbaus von 10 000 Stellen eine der spannendsten Hauptversammlungen erlebten, war die Quote mit 42,6 Prozent am geringsten.

Abgesehen von der Commerzbank überwiesen alle übrigen 29 Konzerne ihren Aktionären im Anschluss an die Hauptversammlung die Dividenden – insgesamt 36,7 Milliarden Euro. Das ist so viel wie noch nie. 25 Unternehmen erhöhten ihre Ausschüttung. Rekordhohe Nettogewinne von insgesamt 95 Milliarden Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr machten es möglich, dies gut und solide finanziert zu tun.

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Doch es zeichnet sich ein neuer Trend ab: Immer mehr Unternehmen nehmen immer mehr Geld in die Hand, um eigene Aktien zurückzukaufen. Acht Konzerne, darunter der Gesundheitskonzern Fresenius, die Versicherer Allianz und Munich Re, ließen sich in den vergangenen Wochen entsprechende Beschlüsse auf Vorrat genehmigen – und das meist gleich für die nächsten fünf Jahre. Widerstand regte sich so gut wie nie.

Solche Vorratsbeschlüsse bedeuten zwar noch nicht den Start milliardenschwerer Rückkäufe wie an der Wall Street. Aber auch Deutschlands Unternehmen nehmen nach langer Flaute wieder verstärkt eigene Anteilsscheine vom Markt.

Die Motive: Weniger Aktien verknappen das Angebot und treiben so den Kurs. Obendrein erhöht sich künftig der Gewinn je Aktie, weil er sich auf weniger Anteilsscheine verteilt. Das lässt die Bilanzen attraktiver erscheinen. Auch verteilt sich die Ausschüttung auf weniger Aktien, sodass Aktionäre eine höhere Dividende pro Aktie bekommen.

Doch diese rein kapitalmarktgetriebenen Motive überzeugen nicht alle. „Die Deka bevorzugt Dividendenzahlungen gegenüber dem Rückkauf von Aktien“, kritisierte Winfried Mathes von der Fondsgesellschaft Deka bei der Hauptversammlung von RWE – und stimmte gegen eine entsprechende Vorlage des Energieversorgers. Doch die Deka hält nur ein Prozent des Kapitals. Am Ende ging der Tagesordnungspunkt mit 93,8 Prozent problemlos durch. Auch die große deutsche Fondsgesellschaft Union Investment ist gegen Aktienrückkäufe. Als einzige Ausnahme lässt sie den Rückkauf für die Verwendung als Mitarbeiteraktien gelten.

Wissenschaftler sehen die Rückkäufe ebenfalls kritisch, wie etwa Markus Sendel-Müller, der seit vielen Jahren detailliert Unternehmen beleuchtet, die eigene Anteilsscheine vom Markt nehmen. Sein Ratschlag: Die Aufsichtsräte sollten sich kritisch mit diesen kostspieligen Programmen auseinandersetzen.

Doch die Mehrheit der Aktionäre befürwortet Aktienrückkäufe. Das ist abzulesen an den diesjährigen Zustimmungsraten für die Vorratsbeschlüsse von durchweg über 90 Prozent – beim Wohnungsbaukonzern Vonovia waren es 91,6 Prozent, bei Fresenius 93,2 und bei SAP 93,3 Prozent. Grund dafür dürfte der dominierende Einfluss angelsächsischer Großinvestoren in Form milliardenschwerer Pensionskassen und Fondsgesellschaften wie Blackrock sein. Über die Hälfte der Dax-Konzerne ist mehrheitlich in Hand ausländischer Aktionäre, bei Allianz und Siemens sind es über 65 Prozent, bei Adidas und der Deutschen Börse sogar mehr als 75 Prozent.

Doch auch hierzulande wächst die Zustimmung zum Erwerb eigener Aktien – und die Gründe sind beachtenswert. „Vor allem für Unternehmen, die nur noch schwach wachsen, sollte es eine gute Entscheidung sein, überschüssiges Geld zum Rückkauf eigener Aktien zu nutzen“, urteilt Andreas Hürkamp von der Commerzbank. Das sei oft die bessere Strategie, als das Geld in waghalsige, überteuerte Übernahmetransaktionen zu stecken – gerade in Zeiten wie diesen mit hohen Preisen.

Gute Argumente also auf beiden Seiten – Fakt ist: Schon jetzt kaufen sieben Dax-Konzerne eigene Aktien zurück: Adidas, Allianz, Covestro, Deutsche Börse, Munich Re, SAP und Siemens. Das voraussichtliche Gesamtvolumen in diesem Jahr nach Berechnungen der Commerzbank und des Handelsblatts: mindestens sechs Milliarden Euro. Das ist so viel wie zuletzt vor der Finanzkrise 2007.

So kündigte Munich Re für die Zeit bis zur Hauptversammlung im nächsten Jahr Rückkäufe von einer Milliarde Euro an. Auf die Frage, ob sich nicht geeignetere Investitionsmöglichkeiten finden, antwortete ein Konzernsprecher, dass Aktienrückkäufe ein „flexibles Instrument“ seien: „Wir haben festgestellt, dass wir unser überschüssiges Kapital so momentan am besten einsetzen.“ Bereits in der Vergangenheit kaufte Munich Re jährlich für eine Milliarde Euro eigene Aktien.

Adidas will bis Mai 2021 Aktien im Wert von bis zu drei Milliarden Euro zurückkaufen. So ein großes Programm gab es beim Sportartikelhersteller noch nie. Zwischen 2014 und 2017 gab Adidas 900 Millionen Euro dafür aus. Keineswegs sieht Adidas sein Anlegerpogramm als Akt der Ideenlosigkeit. Im Gegenteil: „Das heute bekannt gegebene, umfangreiche mehrjährige Rückkaufprogramm unterstreicht das Vertrauen in unsere Strategie ‚Creating the New‘“, hob Finanzvorstand Harm Ohlmeyer hervor. Der überwiegende Anteil soll aus Barmitteln bestritten werden, doch Adidas ist auch bereit, Schulden aufzunehmen und die „attraktiven Fremdfinanzierungskonditionen zur Finanzierung des Aktienrückkaufprogramms zu nutzen“.

Im ägyptischen Milliardär Nassef Sawiris und dem belgischen Investor Albert Frere hat Adidas zwei anspruchsvolle Großaktionäre. Zwar haben diese sich mit entsprechenden Forderungen nicht öffentlich gemeldet, aber es ist bekannt, dass sie in der Vergangenheit Kasper Rorsteds Chef-Vorgänger Herbert Hainer wegen der damaligen Ertrags- und Kursschwäche unter Druck gesetzt hatten.

Die Allianz hat seit Februar schon für knapp zwei Milliarden Euro eigene Aktien zurückgekauft. Anders als bei Adidas räumte hier Konzernchef Oliver Bäte in erstaunlicher Offenheit ein, dass Aktienrückkäufe recht fantasielos seien. Doch auf der Suche nach geeigneten Übernahmen kommt der Versicherer nicht voran. Zu hoch seien die Preise und die in der Branche gezahlten Prämien.

Die neue Rückkaufwelle verwundert, denn die Konzerne haben sich damit schon einmal verspekuliert. Im Boom vor der Finanzkrise bis 2007 hatten Daimler und Co. eigene Aktien teuer erworben. Sie bereuten es kurze Zeit später, als Aufträge, Gewinne und Aktienkurse einbrachen und die Banken ihr Geld zusammenhielten. Daraus hatten die Konzerne gelernt. Nicht noch einmal wollten sie den Fehler begehen, in der Not auf Kredite angewiesen zu sein. Deshalb stärkten sie nachhaltig ihre Kapitalbasis. Diese Zeiten enden nun zu einem Zeitpunkt mit Kursen, die höher als 2007 liegen.

Einer der größten aktuellen Rückkäufer ist Siemens. Der Münchener Mischkonzern kauft so gut wie an jedem Handelstag eigene Aktien zurück – seit Februar 2016 für 2,1 Milliarden Euro. Bis spätestens 15. November sollen so bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen. Doch schon jetzt weckt der Börsengang der Medizinsparte Healthineers neue Begehrlichkeiten. Marcus Poppe von der Deutschen-Bank-Tochter Deutsche Asset Management schlug eine Aufstockung des laufenden Programms vor. Dies würde helfen, den Gewinn auf fast zehn Euro je Aktie zu hieven – weil er sich auf weniger Aktien verteilt. Unerwähnt blieb, dass der tatsächliche Gewinn dadurch nicht steigt.

Allerdings ziehen die Unternehmen nicht alle zurückgekauften Aktien ein, um so ihr Grundkapital zu verringern. Zumindest ein kleiner Teil fließt bei SAP, Covestro, der Deutschen Börse und Adidas zur Entlohnung oder zum Kapitalaufbau an Manager und Belegschaft. Also Aktien dienen so als Standbein neben der herkömmlichen Rente. Mit Abstand am entschiedensten geht Siemens diesen Weg: „Wir wollen alle unsere Mitarbeiter direkt am Erfolg und an der nachhaltigen Entwicklung von Siemens teilhaben lassen“, sagte Konzernchef Joe Kaeser. Die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen – und ist in Deutschland beispiellos: 300 000 der insgesamt 377 000 Beschäftigten wurden auf diese Weise bereits Mit-Eigentümer des Unternehmens.