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Wie die Hassia-Gruppe die Marke Bionade neu belebt

Hassia stieg vom kleinen Mineralbrunnen zum nationalen Limobrauer auf. Der Bionade-Zukauf trägt Früchte, aber Kranwasser wird zur ernsten Konkurrenz.

Vor der Hassia-Zentrale im beschaulichen Bad Vilbel sprudeln die Springbrunnen. Schon die Römer wussten das Wasser zu schätzen und nahmen im Taunus Heilbäder. „Bis zu 25 Millionen Flaschen Mineralwasser in der Woche haben wir zur Hitzewelle im August verkauft – an einigen Tagen doppelt so viel wie normal“, erzählt Dirk Hinkel, geschäftsführender Gesellschafter der Hassia-Gruppe. Eigentlich könnte sich der Unternehmer in fünfter Generation über heiße Sommer und steigenden Durst der Deutschen freuen. Doch als Profiteur des Klimawandels sieht er sich ganz und gar nicht.

„Der Klimawandel ist für uns Mineralbrunnen ein zweischneidiges Schwert“, betont der 53-Jährige. Kurzfristig steige der Konsum. „Aber wenn es dauerhaft so trocken bleibt, fehlt irgendwann in der Zukunft der Mineralwassernachschub“, sagt Hinkel, der deshalb auf verschiedene Quellen setzt. Die Hassia-Gruppe ist hinter Gerolsteiner beim Umsatz die Nummer zwei der deutschen Markenmineralwasser.

Der Klimawandel hat zwei weitere gravierende Folgen für die Wasserbranche: Viele Deutsche steigen auf Glasflaschen und Leitungswasser um. 2019 ist der Umsatz von Getränken in Mehrweg-Glasflaschen laut Marktforscher Nielsen um 12,3 Prozent gestiegen, damit wurden erstmals PET-Mehrwegflaschen überholt.

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Flaschen aus Kunststoff sind als klimaschädlich in Verruf geraten und immer weniger gefragt. Die Branche spricht mit Verweis auf die prominente Klima-Aktivistin vom „Greta-Effekt“. „PET-Flaschen haben bei immer mehr Konsumenten ein schlechtes Image“, konstatiert Hinkel. Bei Konzernen wie Danone (Volvic) oder Nestlé (Vittel), die auf Wasser in PET-Einwegflaschen setzen, herrsche deshalb große Verunsicherung. Die Hassia-Gruppe hat einen Mehrweganteil von mehr als 80 Prozent – das PET-Bashing kann Hinkel nicht nachvollziehen.

„PET-Mehrwegflaschen sind durchaus umweltfreundlich, weil sie ein leichtes Transportgewicht haben und bis zu 25 Mal befüllt werden können“, so Hinkel. Hassia hat trotzdem auf die veränderten Kundenwünsche reagiert und stellt verstärkt auf Glasmehrwegflaschen um. In Bad Vilbel ging etwa eine neue Abfüllanlage in Betrieb. 200 Millionen Euro investiert die Gruppe in den nächsten Jahren in moderne Technik und Abfüllanlagen. „Das fordert uns gewaltig, aber sonst machen andere das Geschäft“, so Hinkel.

Deutsche steigen auf Kranwasser um

Existenzbedrohender für die rund 200 Mineralbrunnen hierzulande ist die Renaissance von Leitungswasser. „Das ist die größte Herausforderung.“ Aus Klimaschutzgründen steigen immer mehr Deutsche auf Kranwasser um – nicht zuletzt, seit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) 2018 öffentlich dazu aufrief. Das hat die Mineralwasserbranche sehr verärgert.

Hinkel spricht von „Diskriminierung“. Mineralwasser sei ein Naturprodukt. Kranwasser werde mit bis zu 80 Chemikalien behandelt und vom Wasserwerk nur bis zum Wasseranschluss im Haus kontrolliert. „Ab da ist es Sache des Hauseigentümers“, gibt Hinkel zu bedenken.

Um Klimaschützern den Wind aus den Segeln zu nehmen, ließ sich Hassia zur ersten klimaneutralen Mineralwassermarke zertifizieren. Der Standort in Bad Vilbel arbeitet seit diesem Jahr CO2-neutral. 1582 wurde die Quelle „Sauerbrunnen“ erstmals urkundlich erwähnt. 1864 füllte Hinkels Ururgroßvater Johann Philipp Wilhelm, der die Gastwirtschaft „Zum Wilden Mann“ betrieb, Brunnenwasser in Flaschen ab. In der Zentrale von Hassia prangt ein Ölgemälde von Hinkels Urahn – eine gewisse Ähnlichkeit ist zu erkennen.

35 Abfüller gab es einst in Bad Vilbel, heute ist Hassia der einzige. „Unsere Familie hat das Mineralwasser früh über die Marke verkauft, andere über den Preis“, erklärt Hinkel das Erfolgsgeheimnis. Er selbst wollte schon als Kind „Chef von der Hassia“ werden. Nach dem Studium in Frankfurt, den USA und London arbeitete er als Vorstandsassistent bei AEG, bevor er 1995 beim Vater einstieg.

Der Sohn fing bei den Lichtenauer Mineralquellen an, die Hassia gleich nach der Wende in Sachsen gegründet hatte. Nach und nach wurden Vilbeler Brunnen und der lokale Rivale Rosbacher übernommen. 1996 kam die Saftkelterei Rapp’s hinzu, später Marken in Ostdeutschland wie die Thüringer Waldquelle oder Vita-Cola. Die Limo ist nach Coca-Cola die Nummer zwei in den neuen Bundesländern.

Hassia wurde so vom regionalen Mineralbrunnen zum nationalen Produzenten von Erfrischungsgetränken. Am gewagtesten war der Zukauf von Bionade 2017. Die Kultlimo aus der Rhön war nach Managementfehlern in der Gunst der Kunden gesunken. Auch die Übernahme durch die Oetker-Tochter Radeberger konnte der Marke nicht zur alten Blüte verhelfen – zumal etliche Wettbewerber von Bierbrauern über Discounter bis zu Start-ups mit Fassbrause und Bio-Limo nachzogen.

„Bionade ist unser erstes deutschlandweit vertriebenes Produkt. Das ist Neuland für uns und erfordert ganz andere Strukturen“, sagt Hinkel, der über den Kaufpreis schweigt, ihn aber aus dem Cashflow stemmte. Für den damaligen Radeberger-Chef Niels Lorenz war der Verkauf eine Win-win-Situation: „Die Hassia-Gruppe kann Bionade nun die Aufmerksamkeit schenken, die die wunderschöne Marke verdient.“

Bionade-Umsatz legte zuletzt deutlich zu

Mit TV-Spots für die neuen Sorten Zitrone und Orange naturtrüb gelang es Hassia, Bionade neu zu beleben. Der Umsatz der Bio-Limo legte 2019 zweistellig zu. Im August kamen zwei Mate-Sorten auf den Markt. „Bionade trifft den Zeitgeist: bio, wenig Zucker und Glasflaschen“, ist der Unternehmer überzeugt.

Dirk Hinkel ist aus der Sicht des Branchenkollegen Lorenz ein wacher Geist, der sein Unternehmen mit Weitsicht, Mut und viel Leidenschaft führe. Auch Fußball und Tennis sind Hinkels Passion. Rosbacher sponsert Eintracht Frankfurt und den BVB. Hinkel führt zudem stolz den lokalen Tennisclub: „Unsere Damen und die Herren 50 sind Deutscher Meister.“

Mineralwasser macht heute knapp die Hälfte von Hassias Umsatz aus: 40 Prozent kommen aus dem Verkauf von Erfrischungsgetränken, zwölf Prozent von Saft und Apfelwein wie Blauer Bock. Nach dem Rekordsommer 2018 sank der Pro-Kopf-Verbrauch von Mineral- und Heilwasser samt Erfrischungsgetränken um acht auf 190 Liter, so der Verband Deutscher Mineralbrunnen. Auch Hassia verkaufte weniger Flaschen, der Umsatz stieg trotzdem leicht auf 282 Millionen Euro. An den acht Standorten werde mit den 1350 Mitarbeitern profitabel gearbeitet.

Auch Hassia hat unter dem Corona-Lockdown gelitten – besonders das Geschäft mit Gastronomie, Büros und Festen. Die Nachfrage im Handel stieg, vor allem nach Limonaden. „Die Deutschen wollen sich die fade Coronazeit versüßen“, glaubt Hinkel, der selbst zuckerfrei bevorzugt.

Hassia soll auch in sechster Generation ein Familienunternehmen bleiben. Hinkel weiß aber, dass Tradition und Marke allein kein Erfolgsgarant sind. Aufstrebende Lieferdienste wie Durstexpress oder Flaschenpost werden immer stärker. „Sie schaffen einen neuen Vertriebsweg, den wir uns hart erarbeiten müssen.“ Für Hassia als Mineralbrunnen mit hohem Mehrweganteil sieht er aber auch neue Chancen.