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Hartz-IV-Sanktionen müssen abgemildert werden

Der Erste Senats des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil über die Rechtmäßigkeit von Hartz-IV-Sanktionen.
Der Erste Senats des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil über die Rechtmäßigkeit von Hartz-IV-Sanktionen.

Mit drastischen Leistungskürzungen bringen die Jobcenter Hartz-IV-Bezieher auf Linie. Wer nicht mitzieht, bekommt weniger Geld. Nun ist klar: Das verstößt zum Teil gegen das Grundgesetz.

Karlsruhe (dpa) - Die monatelangen Leistungskürzungen für Hartz-IV-Bezieher, die ihren Pflichten nicht nachkommen, sind teilweise verfassungswidrig und müssen ab sofort abgemildert werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Vorübergehende Leistungsminderungen seien zwar möglich, sagte Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth am Dienstag bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Die derzeitige Ausgestaltung werde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit aber nicht gerecht. (Az. 1 BvL 7/16)

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Nach dem Prinzip «Fördern und Fordern» disziplinieren die Jobcenter unkooperative Hartz-IV-Empfänger, indem sie ihnen den Geldhahn zudrehen. Wer ein Jobangebot ausschlägt oder eine Fördermaßnahme ablehnt, läuft Gefahr, dass ihm 30 Prozent des sogenannten Regelsatzes gestrichen werden. Wer innerhalb eines Jahres mehrfach negativ auffällt, verliert 60 Prozent oder sogar das gesamte Arbeitslosengeld II, auch die Kosten für Unterkunft und Heizung. Ist eine Sanktion einmal verhängt, gilt sie immer drei Monate.

«Der Gesetzgeber schafft hier für die betroffenen Menschen, denen dann ein Teil des Existenzminimums fehlt, eine außerordentliche Belastung», sagte Harbarth. Eine Minderung um 60 oder gar 100 Prozent sei nicht zumutbar. 30 Prozent dürfen nach seinen Worten weiterhin gestrichen werden. Die Jobcenter können aber ab sofort je nach Einzelfall darauf verzichten. Außerdem darf die Kürzung nicht volle drei Monate aufrechterhalten werden, wenn der Betroffene sich einsichtig zeigt. Der Gesetzgeber muss die Vorschriften überarbeiten.

Laut Harbarth spielte für den Senat eine entscheidende Rolle, dass die Wirkung der Sanktionen mehr als 14 Jahre nach Einführung von Hartz IV immer noch nicht umfassend untersucht ist. Es gebe viele offene Fragen. Die Entscheidung der Richter kam einstimmig zustande.

Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte nach dem Urteil ein neues System der Arbeitslosenversicherung, «das Sicherheit gibt und die Angst vor sozialem Absturz nimmt». «Hartz IV stürzt Menschen und ihre Familien ins Bodenlose», schrieb er auf Twitter.

In dem Verfahren ging es nicht um kleinere Verfehlungen wie einen verpassten Termin beim Amt, die mit einer zehnprozentigen Kürzung geahndet werden. Überprüft wurden auch nicht die besonders scharfen Sanktionen für junge Hartz-IV-Empfänger unter 25 Jahren.

Das Urteil geht zurück auf eine Vorlage des Sozialgerichts im thüringischen Gotha. Die Richter dort hatten eines ihrer Verfahren ausgesetzt, um die Vorschriften vom Bundesverfassungsgericht unter die Lupe nehmen zu lassen. In dem Fall musste ein Arbeitsloser mit 234,60 Euro weniger im Monat auskommen, weil er beim Jobcenter Erfurt ein Stellenangebot abgelehnt und Probearbeit verweigert hatte.

Der Hartz-IV-Satz für einen alleinstehenden Erwachsenen liegt derzeit bei 424 Euro. Zum 1. Januar steigt er auf 432 Euro.

Jobcenter können die Leistungen für Hartz-IV-Bezieher kürzen, wenn diese ihren Pflichten nicht nachkommen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat der Praxis dazu jetzt neue Grenzen gesetzt (Az.: 1 BvL 7/16). Hartz-IV-Bezieher, denen eine Kürzung oder Streichung angekündigt wird, können aber auch unabhängig davon einen Widerspruch gegen ihren Bescheid prüfen, erklärt Volker Gerloff, Fachanwalt für Sozialrecht.

Teilweise können sich Betroffene dabei auf das aktuelle Urteil berufen. Denn Jobcenter müssen nun den Einzelfall intensiv in die Entscheidung einbeziehen. Dazu gehört, dass das Jobcenter über ein nachvollziehbares Eingliederungskonzept verfügt und die konkrete Mitwirkungsaufforderung des Jobcenters dazu geeignet ist, die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen, sagt Gerloff.

«Und wenn dann nicht mitgewirkt wird, muss wiederum die Sanktion geeignet sein, diese erforderliche Mitwirkung zu erreichen», erklärt der Anwalt. Dies sei zum Beispiel fraglich, wenn mehrere Sanktionen nicht zum Erfolg geführt haben.

Jobcenter müssen schriftlich auf Folgen hinweisen

Vor der Ankündigung einer Kürzung müssen Jobcenter außerdem formelle Vorgaben beachten. So müssen sie den Hartz-IV-Bezieher schriftlich zur Mitwirkung auffordern und ihn auf Rechtsfolgen hinweisen. Die Rechtsfolgenbelehrung muss vollständig, richtig und verständlich sein. «Es muss klar werden, welche Rechtsfolge bei welchem Verhalten droht», so Gerloff.

Bei Fehlern können Hartz-IV-Empfänger schriftlich widersprechen. Für das Schreiben an das Jobcenter haben sie grundsätzlich einen Monat Zeit ab dem Zugang des Bescheids. Eine Begründung ist nicht nötig.

Das Jobcenter muss seine Ankündigung dann überprüfen. Entweder hebt es den Bescheid auf oder es lehnt den Widerspruch ab, erklärt Gerloff. Gegen diesen schriftlichen Widerspruchsbescheid können Hartz-IV-Empfänger dann beim Sozialgericht Klage erheben.

Bedürftige haben Anspruch auf Beratungshilfe

Wer einen Rechtsbeistand nicht bezahlen kann, hat nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einen Anspruch auf
Beratungshilfe, um sich rechtlich vertreten lassen zu können. Als Eigenleistung können 15 Euro fällig werden. Amtsgerichte entscheiden darüber, ob der Anspruch gegeben ist.

Für eine Übergangsphase sieht das BVerfG-Urteil vor, dass noch nicht bestandskräftige Sanktionsbescheide, denen zufolge mehr als 30 Prozent der Leistung gestrichen werden sollten, aufgehoben werden.