Hannover Rück zieht an Munich Re vorbei
Niedersachsen gelten als eher wortkarg und zurückhaltend. Roland Vogel macht da keine Ausnahme. Es sei ein „ganz ordentliches Ergebnis“, kommentierte der 58-jährige Finanzchef des drittgrößten weltweiten Rückversicherers Hannover Rück am Mittwoch die eigene Arbeit. Das verhaltene Lob hat seinen Grund. Zwar erwartet der Konzern trotz der schweren Hurrikansaison in den USA und der Karibik sowie dem Erdbeben in Mexiko in diesem Jahr immer noch einen deutlichen Nettogewinn von 800 Millionen Euro. Ursprünglich aber hatte man rund eine Milliarde Euro angepeilt.
Doch auch 800 Millionen Euro sind eine Überraschung – und ein kleiner Prestigeerfolg. Denn der Konzern aus Hannover setzt sich damit deutlich vom größeren Konkurrenten Munich Re ab. Der zweitgrößte Rückversicherer der Welt hatte erst jüngst endgültig die Hoffnung fahren lassen, seine Ergebnisziele noch halten zu können. Nach vorläufigen Schätzungen rechnet der Konzern für die Monate von Juli bis September mit einem Verlust von 1,4 Milliarden Euro – was den Konzern nach neun Monaten in die Verlustzone drückt. Im Gesamtjahr werde es daher nur zu einem kleinen Gewinn reichen – vorausgesetzt, im vierten Quartal passiert nichts Unvorhergesehenes mehr. Nähere Erläuterungen wird die Munich Re erst am Donnerstag geben, wenn der Konzern seine Ziffern für das dritte Quartal vorlegt.
Die Hannover Rück kann sich dagegen, anders als der große Konkurrent, trotz der Großschäden von Januar bis September in den schwarzen Zahlen halten. Nach neun Monaten steht ein Nettogewinn von 549 Millionen Euro zu Buche, nach 791 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Selbst die hohen Belastungen aus den Wirbelstürmen, die den Konzern rund 650 Millionen Euro kosteten sowie das Erdbeben in Mexiko, das mit weiteren 70 Millionen Euro einschlug, warfen die Niedersachsen nicht in die Verlustzone. Nicht einmal im dritten Quartal, in dem der Großteil der Schäden verbucht wurde, schrieb der Konzern rote Zahlen – anders als von Analysten erwartet.
Die Investoren reagierten jedoch unbeeindruckt. Am Mittag notierte die Aktie annähernd auf dem Niveau des Vortags.
Dafür könnte ein ungewöhnliches Detail verantwortlich sein. Denn Hannover Rück griff in die Schatulle, um die Zahlen aufzupolieren. So verkauften die Niedersachsen im dritten Quartal ihr fast eine Milliarde Euro schweres Portfolios börsennotierter Aktien, womit außerordentliche Erträge in Höhe von 223,3 Millionen Euro realisiert wurden.
Vogel betonte, dass dies kein Zeichen sei, dass die Hannoveraner einen nahenden Crash am Aktienmarkt erwarten würden. „Ich bin zwar ökonomisch vorgebildet“, sagte er in einer Telefonkonferenz, „aber ich habe keine Glaskugel.“ Die Papiere seien aber gut gelaufen, und der Aktienverkauf sei deshalb das „Mittel der Wahl“ gewesen, um Bewertungsreserven zu heben. Die eigene Dividende für 2017 will die Hannover Rück trotz der Schadensbelastungen mit 5,00 Euro stabil halten – und auch für das kommende Jahr zeigt sich das Unternehmen optimistisch.
Für 2018 peilt die Hannover Rück wieder einen Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro an – und damit die Ziffer, die ursprünglich bereits dieses Jahr erreicht werden sollte, wie Vogel betonte. Das Kalkül dahinter ist ebenso simpel wie naheliegend: Der Rückversicherer setzt darauf, dass die Prämien angesichts der schweren Hurrikanschäden erstmals seit Jahren zumindest bei Deckungen für Naturkatastrophen wieder nach oben gehen werden. „Die Branche ist sich einig, dass die Belastungen der Industrie eine Reaktion erfordern“, macht sich der Finanzchef Mut.
Doch erst Ende des Jahres, bei der anstehenden großen Erneuerungsrunde der Verträge, werden die Rückversicherer wissen, ob Makler und Kunden dies ebenso sehen.