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Handelsstreit zwischen EU und USA könnte vor einer Wende stehen

Die Börse ist der Ort, an dem Hoffnungen zu Geld werden. Die Aussicht auf eine Lösung im seit Wochen schwelenden Handelsstreit zwischen der EU und den USA ist ein Beleg dafür, dass die alte Börsenweisheit stimmt.

Die Anleger machten die Aktien von BMW, Daimler und VW am Donnerstag zu den Stars des Deutschen Aktienindexes (Dax). In der Spitze legten die Aktien der drei Unternehmen jeweils um knapp fünf Prozent zu. Sie waren damit die Motoren einer insgesamt positiven Dax-Entwicklung.

Bedanken können sich die Automanager für den Kursgewinn bei Richard Grenell, US-Botschafter in Deutschland. Grenell hatte die Bosse der drei Autokonzerne zu einem Treffen in die US-Botschaft eingeladen. Grenell skizzierte bei dem Treffen nach Informationen des Handelsblatts aus Teilnehmerkreisen eine überaus interessante Lösung des seit Wochen schwelenden Streits um Autozölle: Anstatt neue Zölle zu erheben, sei Washington bereit, auch die vorhandenen Autozölle zu streichen, wenn die Europäer das Gleiche täten.

Das Handelsblatt berichtete am Mittwoch als erstes Medium über den spektakulären Vorstoß. In Verhandlungskreisen hieß es am Donnerstag, Grenell suche in der Angelegenheit den Kontakt zur EU-Kommission und stehe in ständigem Austausch mit Washington.

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Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel stößt Grenell auf offene Ohren. Es brauche eine gemeinsame europäische Position zur Verhandlung von Zöllen etwa im Automobilbereich, sagte Merkel am Donnerstag. „Und dann bedeuten die Zollverhandlungen zur Senkung von Zöllen, wozu ich bereit wäre, dass wir das nicht nur mit den Vereinigten Staaten von Amerika machen können.“ Um nicht gegen Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu verstoßen, müsse das mit allen Ländern geschehen, mit denen Europa Automobilhandel habe.

Dass Grenell laut darüber nachdenkt, die Autozölle abzuräumen, steht in krassem Widerspruch zur bisherigen Linie der US-Administration. Am Donnerstagabend stellte ein Sprecher der US-Botschaft klar, dass die „doppelte Null“ nicht als formelles Angebot von US-Präsident Donald Trump an Deutschland zu verstehen sei. Die USA wären nur im Rahmen eines breiteren Zollabkommens zur gegenseitigen Abschaffung der Auto-Zölle zwischen der Europäischen Union und den USA bereit, sagte Botschaftssprecher Williams Martin.

Gerade Donald Trump steht für eine unnachgiebige Haltung. Er beklagt seit Monaten immer wieder, dass für US-Autos in der EU höhere Zölle fällig sind als umgekehrt für Autos aus europäischer Produktion in den USA.

Die Aussage stimmt: Die USA erheben 2,5 Prozent auf importierte Pkws und 25 Prozent auf Pick-ups. Die EU verlangt zehn Prozent für alle Autos aus den USA. In Trumps Auftritten spielt das Thema eine zentrale Rolle. In den Mehrzweckhallen der Nation bricht seine Kernwählerschaft in Jubel aus, wenn ihr Idol „Autos sind das große Ding!“ oder „Es ist schrecklich, was die EU uns angetan hat“ ruft.

Trumps Rückhalt ist weiter stark, selbst wenn große Teile der Industrie gegen seinen Handelskurs protestieren. Dass er die Idee breit angelegter Autozölle kurzfristig beerdigt, wird in Washington im Moment zwar als eher unrealistisch betrachtet. Wahrscheinlicher erscheint vielmehr, dass Trump bis zu den wichtigen Kongresswahlen im November an seiner Forderung festhält, um seine Anhänger zu euphorisieren. Oder aber es gibt tatsächlich eine schnelle Lösung mit Europa – die er dann im Wahlkampf als Erfolg preisen könnte.

Um dieses Ziel zu erreichen, müsste Trump zuerst die Deutschen überzeugen. Als größte Volkswirtschaft der EU mit besonders starker Automobilbranche hat Deutschland größtes Interesse, Strafzölle auf Autos zu vermeiden. Für die US-Regierung ist jedes Zugeständnis aus Deutschland der Beweis, dass Trumps Taktik, einseitig Druck auszuüben, funktioniert.

Als deutsche Autokonzerne Ende Juni erstmals durchblicken ließen, eine Null-Lösung bei den Zöllen sei aus ihrer Sicht eine denkbare Variante, griff Trumps Handelsminister Wilbur Ross die Signale sofort auf großer Bühne auf: „Deutsche Autofirmen fangen langsam an, den Sinn der EU-Importzölle anzuzweifeln. Vor sechs Monaten wäre das noch nicht möglich gewesen“, sagte er auf einer Konferenz vor Hunderten Investoren.

Es wird zunehmend deutlich, dass die USA Deutschland in die Rolle des Vermittlers im Zoll-Streit mit der EU drängen wollen. Die US-Regierung weiß genau, dass der Exportnation besonders viel an einer Deeskalation gelegen ist – und nutzt das aus. „Wir hoffen, dass Deutschland hilft, Druck auf die EU auszuüben, damit sie aktiver mit den USA verhandelt“, sagte Ross.

In Brüssel hebt man zwar hervor, das große Kapital der Europäer sei ihre Geschlossenheit. Allerdings gibt es durchaus Interessensunterschiede unter den EU-Staaten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker steht somit vor einer großen Herausforderung, wenn er wie bislang geplant Ende Juli zu einem Treffen mit Trump nach Washington reist. In Brüssel laufen die Vorbereitungen für das Gespräch. „Wir gehen allen Ideen nach, um Schaden abzuwenden“, hieß es am Donnerstag in Kommissionskreisen. Zu den Möglichkeiten, die man prüfe, zählten ein Abkommen für den Auto-Sektor ebenso wie ein bilaterales Industrieabkommen.

Verweis auf WTO-Regeln

Derzeit deklinieren die Brüsseler Beamten verschiedene Fallvarianten durch. Bereits bei ihrem Treffen in Sofia Ende Februar hatten die EU-Handelsminister ein bilaterales Industrieabkommen vorgeschlagen. Die Idee, ein plurilaterales Abkommen für den Auto-Sektor zu beschließen, kursiere in Brüssel „seit mehreren Wochen“, hieß es in Kommissionskreisen. Die Initiative Grenells trifft die Brüsseler Beamten nicht unvorbereitet.

Für ein plurilaterales Abkommen, das sich auf den Auto-Sektor beschränkte, sollten nach den Vorstellungen der Kommission wichtige Auto-Nationen wie Japan, Südkorea, China, Mexiko und Kanada mit ins Boot geholt werden. Das ebenfalls diskutierte Industrieabkommen hätte rein bilateralen Charakter. Es würde sich also auf die USA und die EU beschränken.

Im Moment seien die Dinge im Fluss, man werde die Zeit bis zum Besuch von Juncker in Washington nutzen, um Konzepte zu erarbeiten, hieß es in Kommissionskreisen. In beiden Varianten sei das „Kleingedruckte“ entscheidend, hieß es.

Wenn man sich auf ein plurilaterales Abkommen zu Autozöllen verständige, müsse man in Kauf nehmen, dass nach den Regeln der WTO auch andere Staaten profitieren würden, etwa Indien oder Brasilien. „Das zieht Trittbrettfahrer an“, heißt es in Kommissionskreisen.

Länder wie Brasilien oder Indien könnten sich auf die Meistbegünstigungsklausel der WTO berufen und ihre Autos ebenfalls ohne Zollbeschränkungen oder mit sehr geringen Zollbelastungen in die Staaten der EU einführen. „Das mag man im Moment noch nicht als problematisch betrachten, weil es hierzulande keine indischen oder brasilianischen Autos auf den Straßen gibt. Aber wir müssen an die Zukunft denken. In zehn Jahren kann das schon ganz anders aussehen“, heißt es in Kommissionskreisen.

Im Moment sei auch noch völlig unklar, welchen Umfang ein Auto-Abkommen haben könnte. „Wir müssen beispielsweise klären, ob wir nur über Autos oder auch über Autoteile reden wollen.“ Wenn man die Zulieferindustrie mit einschließe, habe das Auswirkungen auf Länder wie die Slowakei oder Ungaren, wo es eine starke Zulieferindustrie gibt.

Die Meistbegünstigungsklausel würde bei einem bilateralen Industrieabkommen zwar entfallen. Voraussetzung wäre aber, dass das Abkommen den ganz überwiegenden Teil des Handels umfasse. Das wiederum würde langwierige Verhandlungen erfordern und sei nicht leicht zu erreichen, geben Kommissionsbeamte zu bedenken.

Signal für offene Märkte

In Deutschland fiel die Reaktion auf die Entwicklung nicht nur an der Börse positiv aus. „Signale, die in Richtung des gegenseitigen Abbaus von Zöllen und anderen Handelsbarrieren gehen, sehen wir positiv“, hieß es beim Verband der Automobilindustrie (VDA). Der VDA rief die Europäische Union auf, geschlossen zu handeln. Es sollten Lösungen gefunden werden, die den Regeln des internationalen Handels entsprechen.

Auch der Wirtschaftsrat der CDU begrüßte die Entwicklung. „Der vollständige Verzicht auf Zölle beim Im- und Export von Autos zwischen den USA und Europa würde ein wichtiges Signal für offene Märkte und freien Handel setzen“, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger.

Während sich im Handelsstreit zwischen den USA und der EU eine erste Entspannung abzeichnet, stehen die Zeichen zwischen den USA und China auf Eskalation. Zuletzt hatte die Trump-Regierung mehrere Kompromissangebote abgelehnt. Ab diesem Freitag greifen gegenseitige Strafzölle in Höhe von jeweils 34 Milliarden US-Dollar. „Die USA eröffnen das Feuer gegen die ganze Welt und letztlich auch gegen sich selbst“, teilte das chinesische Handelsministerium am Donnerstag mit.

Die Strafzölle gegen China zielen auf mehr als 800 Produkte, darunter Industriemaschinen, medizinische Geräte und Autoteile. Peking belegt im Gegenzug 545 amerikanische Produkte wie SUVs, Fleisch und Meeresfrüchte. Nach Einschätzung des IWF ist die Auswirkung der aktuellen Strafzollrunde gering. Doch Trump hat bereits klargemacht, dass er es nicht dabei belassen werde – und neue Zölle gegen China in Höhe von 400 Milliarden US-Dollar angekündigt.