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„Hammerbrooklyn“ soll der Innovationsmotor für Hamburg werden

Für 200 Millionen Euro entsteht in Hamburg ein privat finanzierter Digitalcampus in bester Lage der Hansestadt. Die Hoffnungen sind riesig, die Pläne luftig.

„Dieser Ort wird ein Leuchtturm nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und bis in die USA hinein“, begeisterte sich Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann am Montag. In fünf bis zehn Jahren würden Delegationen aus dem Silicon Valley in den Neubau am Hafen kommen, um von Hamburg als künftiger „Innovationsmetropole Europas“ zu lernen, hoffte der parteilose Ex-Siemens-Manager, als er den Grundstein für den „Digitalcampus Hammerbrooklyn“ legte.

Viel Überschwang ein Experiment, dessen Erfolg längst nicht garantiert ist: Kann man einer Stadt Innovation institutionell verordnen, den digitalen Kulturwandel durch eine behördlich unterstützte Stiftung forcieren, dem vielbeschworenen Start-up-Spirit am Reißbrett ein Zuhause planen? Ungewöhnliche Koalitionen haben sich für das ambitionierte Vorhaben formiert, zerstritten und wieder zusammengefunden.

Nüchtern betrachtet liegt nun das Fundament für den ersten Abschnitt eines 200-Millionen-Euro-Bauprojekts: Der Immobilienentwickler Art Invest stellt in den kommenden Monaten den US-Pavillon von der Expo 2015 in Mailand an einem alten Hafenbecken wieder auf. Das Grundstück gehört durch den Bau der nahegelegenen Hafencity zu einer der attraktivsten Freiflächen in Hamburg. 7600 Quadratmeter entstehen so.

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Art Invest-Chef Markus Wiedenmann verspricht, den Pavillon zum Selbstkostenpreis an eine neu gegründete Stiftung zu vermieten, die den Bau bespielen soll. Geld verdienen will er erst mit einem zweiten, deutlich größeren Bauabschnitt, der erst in einigen Jahren fertig wird. An diesem ist die Stiftung mit zehn Prozent beteiligt und kann so mitverdienen.

Visionär gesehen ist Hammerbrooklyn jedoch vor allem eine Idee. Sie lebt bislang etwa im Kopf des Chefs des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Henning Vöpel. Eine „positive Provokation“ solle Hammerbrooklyn werden, kündigt der Ökonom an – und „Brücken bauen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, großen Unternehmen und Start-ups, Politik und Gesellschaft, Hamburg und der Welt sowie zwischen Gegenwart und Zukunft“.

Konkret plant Vöpel als Mitglied im Kuratorium: Die Stiftung soll mit rund 30 Mitarbeitern Veranstaltungen, Workshops und ähnliches erarbeiten, die beispielsweise Vertreter der örtlichen Hochschulen, Unternehmen und Gründer zusammenbringen – auch aus ganz unterschiedlichen Branchen. Auf „neutralem Boden“ sollen sie gemeinsam Konzepte für die Zukunft finden – in Projekten, Workshops, Kreativseminaren. Unternehmen können zudem ihre eigenen Transformations- und Zukunftsprogramme vor Ort entwickeln.

Zusätzlich bekommt die Hamburger Start-up-Szene einen zentralen Treffpunkt. Finanziert wird das durch die Beiträge von „Citizens“, Menschen aus allen Bereichen, deren Unternehmen oder Organisationen Mitgliedschaften erwerben. Sie bekommen Zugang zu den Kommunikationsflächen, Arbeitsplätzen, einer Food-Labor und einer Art Werkstatt. Allerdings sollen sie versprechen, sich in die offenen Programme einzubringen.

„Wir wollen aber den Co-Working-Spaces keine Konkurrenz machen“, sagt Vöpel. Hammerbrooklyn solle etwas ganz anderes sein, kaum feste Arbeitsplätze bieten, dafür viel Programm. „Ohne große Ambitionen kann man das nicht machen“, sagt er.

Dabei wäre das Projekt an den großen Vorstellungen fast gescheitert. Die Initiatoren – neben Vöpel der Roland-Berger-Digitalchef Björn Bloching und der Werber Mathias Müller-Using – zerstritten sich zeitweise und konnten erst durch Senator Westhagemann auf das gemeinsame Stiftungskonzept eingeschworen werden.

„Wir haben alle Konflikte beigelegt“, versprach der Politiker am Montag – auch indem sich die Stadt an der Stiftung beteiligt. Kritiker aus dem benachbarten Bürogebäude bedachten den Politiker dafür mit dem Schriftzug „Hamburger Filz!“

Es gibt Handlungsbedarf

Dabei ist die bekundete Absicht lokalpatriotisch: Hamburg soll als Digitalstadt bestehen – auch gegen starke Konkurrenz aus Berlin und München, vor allem aber auf europäischer Bühne. Doch die Stadt muss rudern: „Hamburg ist von der Digitalisierung mehr betroffen als die meisten deutschen Städte“, sagte Hammerbrooklyn-Mitinitiator Bloching. „Einige Branchen haben wir schon verloren“, mahnte er. Als nächstes werde sich der Hafen der Digitalisierung stellen müssen.

Es gibt also Handlungsbedarf: „Nach einer ersten Gründungswelle sind in Hamburg weniger Start-ups nachgekommen als anderswo – aber diejenigen, die nachkommen, haben Substanz“, sagt Julian Riedlbauer, Partner bei der Technologie-Beratung GP Bullhound. Die Stadt leide gegenüber München unter schlechter ausgebauten Hochschulen und gegenüber Berlin unter weniger Risikokapital und Gründer-Netzwerken. Daher sei ein Digital-Campus in Hamburg als „flankierende Maßnahme“ sinnvoll.

Schließlich habe Hamburg eigentlich gute Voraussetzungen: etablierte Digital-Unternehmen wie Xing und Sinner-Schrader, die Deutschland-Zentralen von Google und Facebook, erfolgreiche Start-ups etwa bei Spielen und in der Logistik. Das haben auch andere entdeckt: Die Innovationsplattform Plug and Play aus dem Silicon Valley eröffnet an diesem Dienstag ihr Hamburger Büro für Logistik-Innovationen.

Hammerbrooklyn soll dagegen breiter arbeiten – doch Details gibt es bislang kaum. Die einzigen konkret genannten externen Partner sind die Deutsche Bahn und der U-Bahn-Betreiber Hochbahn. Beide wollen das Gebäude für ihre Projekte zum globalen Mobilitätskongress ITS nutzen, der 2021 in Hamburg stattfindet. Ansonsten gibt es erst unveröffentlichte Absichtserklärungen zu Partnerschaften.

Senator Westhagemann forderte am Montag erneut die örtlichen Hochschulen zum Mitmachen auf. Sie könnten zum Beispiel Platz in einem Innovationsrat finden, der die Stiftung bei den „Clusterthemen“ Smart City, Smart Mobility, Start-ups, Shipping & Logistics, E-Health und Ethik unterstützen soll.

Inhaltliche Fortschritte soll zudem eine Geschäftsführung bringen, die das Programm ausarbeitet. Zwei Köpfe dafür will die Stiftung in den kommenden Wochen finden. Sie müssen die großen Versprechen aus der Party, die bis in den Montagabend lief, zumindest teilweise umsetzen.

Mehr: Nach Dresden und Köln legt sich auch die Hansestadt Hamburg mit Weltkulturerbe-Schützern an. Es geht um vier graue Hochhäuser – und die Nachkriegsgeschichte.