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Intelligente Ampeln, vernetztes Fahren, autonome Züge – Hamburg will den Verkehrsinfarkt verhindern

Hamburg soll Deutschlands Forschungscampus für digitale Mobilität werden – mit autonomen Bussen, App-gesteuerten Shuttles und digital gelenktem Verkehr.

Ein wenig ungeordnet steht in diesem Raum so ziemlich alles herum, was es an Technik für die Straße gibt: natürlich diese grauen Schaltkästen, die an jeder Ampelkreuzung Plakatklebern und Graffitikünstlern reichlich Gestaltungsfläche bieten.

Die dazugehörigen Ampeln, Pardon: Lichtzeichenanlagen, hängen zu dritt nebeneinander an der Wand. Auf den Regalbrettern liegen eine zerlegte Radarfalle, Kameras, Kästchen mit fingerdicken Antennen, ein Berg Glühbirnen.

Die Arbeitswelt von Michael Weiß ist die Versuchsküche der stadteigenen Hamburg Verkehrsanlagen GmbH. Der Stolz des Technikers ist ein Bildschirm, über den graue Schatten huschen. Hin und wieder halten sie für einige Augenblicke an, kommen dann wieder in Fahrt. Weiß erprobt hier zusammen mit seinen Kollegen die Zukunft des Verkehrs.

Aktuell untersucht er, wie sich mithilfe von Wärmebildkameras Verkehrsströme so analysieren lassen, dass Ampeln intelligenter geschaltet werden und Autos Informationen über optimales Fahrverhalten direkt von den Ampeln bekommen können. 2021, hofft Weiß, ist vielleicht schon die Hälfte aller Ampeln in Hamburg mit dieser Technik ausgestattet – bislang ist es gerade mal eine Handvoll.

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Weiß ist in Hamburg einer von vielen, die an der Mobilität von morgen arbeiten. Die Hansestadt hat sich der digitalen Zukunft im Verkehr verschrieben. Der Senat will mithilfe der Wirtschaft die Stadt zum Vorreiter in Deutschland und Europa machen. Keine andere deutsche Stadt schafft es derzeit, so viele Investoren zu bewegen, Geld in Tests zu stecken. Das „Tor zur Welt“, wie sich die Stadt gerne nennt, will sich jetzt auch als Tor zur digitalen Welt profilieren.

Es geht diesmal nicht um ein milliardenschweres Infrastrukturprojekt, keine neue Autobahn, keine neue U-Bahn-Linie.

Diesmal geht es um eine Vielzahl von kleinen, aber schnell umsetzbaren Vorhaben, die Konzerne wie Siemens und Forschungseinrichtungen wie das DLR locken. „Wir wollen Hamburg zu einem Laboratorium für Mobilität entwickeln“, hat Weiß’ oberster Chef, Wirtschafts- und Verkehrssenator Frank Horch, als Ziel ausgerufen.

Intelligente Ampeln

Die intelligente Ampelschaltung ist eines dieser Testfelder, die die Politik fördert. „Wir können den begrenzten Straßenraum besser ausnutzen“, sagt Techniker Weiß. Wenn nur ein Drittel der Fahrzeuge Signale einer digitalen Ampel empfingen und so in idealer Geschwindigkeit auf Kreuzungen zuführen, rechtzeitig bremsten und anführen, würde der Verkehr deutlich flüssiger laufen.

Weil der Stadtstaat Hamburg – anders als andere Städte – seine Verkehrsrechner lange nicht modernisiert hat, kann er nun gleich Technologiesprünge machen.

Weiß’ Team entwickelt noch ein weiteres Projekt mit: Hamburg will den Herstellern eine mehrere Kilometer lange Teststrecke für das automatisierte und vernetzte Fahren bieten. Seit dem 22. Mai funken die ersten Kästchen ihre offenen Signale von einer Ampel mitten in der Innenstadt an der Messe.

Jeder Automobilhersteller kann seine Fahrzeuge hier im harten Großstadtbetrieb ausprobieren, Abbiegeassistenten testen oder halbautonome Steuerungen erproben. Das unterscheidet die Strecke von anderen, die auf einzelne Hersteller ausgerichtet sind und so womöglich Probleme beim universellen Einsatz verbergen.

5,9 Millionen Euro Fördermittel vom Bund hat Weiß allein für dieses eine Projekt zur Verfügung. Schließlich sollen die digital ausgerüsteten Autos auch anderswo fahren und die Signale verstehen können. Und weil die Hamburger damit Neuland betreten, sind sie auch nicht ganz unbescheiden. „Wir können den europaweiten Standard mitdefinieren“, sagt Weiß.

Alle Projekte in Hamburg haben einen Zielpunkt: Oktober 2021. Dann wird die Stadt den weltweit bedeutendsten Mobilitätskongress ITS ausrichten. ITS – das steht für Intelligente Transport Systeme. Unternehmen, die sich jetzt ein Testfeld in Hamburg sichern, können ihre Entwicklungen in drei Jahren potenziellen Kunden aus aller Welt präsentieren. Sie können zudem ihre Investments mit Fördermitteln aufstocken lassen.

Mobilitätskonzerne wie Volkswagen, Daimler, BMW, die Bahn und DHL haben bereits Vereinbarungen mit der Stadt geschlossen, Ausrüster wie Siemens und die Telekom investieren in Sensoren für Teststrecken und Parkplätze sowie in 5G-Funkanlagen.

Mitte September findet der Kongress zum letzten Mal vor 2021 in Europa statt: In Kopenhagen präsentiert sich auch Deutschland und stellt die Hamburger Vorhaben vor.

Verantwortlich für das Gelingen ist der parteilose Senator Horch. Der 70-jährige Ex-Manager hat den Kongress nach Hamburg geholt und treibt damit eine pragmatische Variante der Verkehrswende voran. „Wir können eine veränderte Einstellung zur Mobilität nicht verordnen. Es geht nur über attraktive Angebote“, sagt er. „Dazu müssen wir die Dinge technologisch angehen. Die Zukunft liegt im Ingenieurdenken – nicht in Fahrverboten.“

Politische Irrfahrten

Diese Erkenntnis ist in Hamburg in langen politischen Kämpfen gereift. In den vergangenen Jahrzehnten pendelte die Stadt von einem Extrem zum anderen: Nachkriegspläne für breite Stadtautobahnen durch Wohngebiete und großzügige Schnellbahntrassen starben spätestens in der Ölkrise, Autobahnring und U-Bahn-Linien blieben unvollständig.

Bis in die 1990er-Jahre hinein entstand kaum noch etwas außer Fahrradwegen und Tempo-30-Zonen, bis der Rechtspopulist Ronald Schill 2001 Nikolausmützen über Radaranlagen stülpte und freie Fahrt versprach – aber die Straßen weiter bröckeln ließ.

Anschließend planten CDU und Grüne zusammen eine neue Straßenbahn. Aber protestierende Hamburger Bürger brachten das bereits genehmigte Projekt zu Fall.

Das sollte sich unter Olaf Scholz (SPD) ändern: Der heutige Bundesfinanzminister machte bei seinem Antritt als Erster Bürgermeister 2011 Verkehr zu einem Kernpunkt seines „guten Regierens“.

Mit Horch holte er sich einen erfahrenen Manager in den Senat. Der arbeitete sich in das Thema ein, ließ sich intelligente Verkehrssteuerung in San Francisco zeigen, kam in Kontakt mit den Organisatoren des ITS-Kongresses. „Hamburg ist doch das beste Testfeld überhaupt: als Metropole einer Region mit fünf Millionen Einwohnern und zugleich als einer der wichtigsten Welthäfen“, sagt er.

Hamburg pumpt auch unter dem neuen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) dank sprudelnder Steuerquellen so viel Geld in Straßensanierung wie seit Langem nicht mehr, treibt milliardenschwere Pläne für neue U- und S-Bahn-Linien voran und fördert den Radverkehr. Aber das alles braucht Zeit, zu viel Zeit. Deshalb soll jetzt neue, digitale Technik schneller Entlastung im täglichen Chaos bringen. „Wir müssen auch Leute zum Umsteigen bewegen, die 40 Jahre lang nur Auto gefahren sind“, fordert Horch. Ein ambitioniertes Ziel.

Um eingefleischte Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen, braucht es Typen wie „Kasimir“ oder „Henry“. Beide sehen nicht nur ziemlich britisch aus, sie sind es auch. Seit Juli sind diese Shuttle-Autos in Hamburg unterwegs, fahren in den Vororten Osdorf und Lurup zur S-Bahn oder Bushaltestelle.

Einzige Bedingung: Der Bürger hat eine spezielle App geladen und ruft seinen Shuttle digital. „Kasimir“ und „Henry“ sind unübersehbar Londoner Taxen, sie surren mit Elektroantrieben kaum hörbar durch die Straßen. Wenn alles nach Plan läuft, werden bald weitere 23 Exemplare in der Hansestadt unterwegs sein.

Vor wenigen Wochen war es Senator Horch, der dieses Projekt namens Ioki zusammen mit Vertretern von Bahn und Bus offiziell eröffnet hat. Im klassisch geschnittenen Anzug, wie immer korrekt mit Krawatte, stand er auf der Bühne eines Hamburger Vorstadtkinos.

Die Frage „Wie komme ich denn heute Nacht um ein Uhr nach Hause?“ stelle sich in den Stadtteilen Osdorf und Lurup künftig nicht mehr, frohlockte er. Kasimir und Co. werden in ständiger App-Bereitschaft stehen, solange auch Busse und S-Bahnen fahren, nutzbar per Nahverkehrsticket.

Damit schließen sie übergangsweise die Lücke, für die seit den 1970er-Jahren eine neue fünfte U-Bahn-Linie geplant ist – und die frühestens in den 2040er-Jahren wirklich im Hamburger Westen ankommen wird.

Käufer der Londoner Großraumtaxen und Ioki-Hauptinvestor ist die Deutsche Bahn, die zwischen 15 und 20 Millionen Euro dafür kalkuliert. Für sie ist das Projekt die Chance auf ein neues Geschäftsmodell: Die nächsten interessierten Städte werden dafür zahlen müssen. Und die, versichert der Staatskonzern, hätten schon aus dem In- und Ausland angefragt.

Doch Ioki bekommt schon bald Konkurrenz: In den stylishen Büros eines Co-Working-Spaces mit Glaswänden und Eichendielen arbeitet Christoph Ziegenmeyer in der Neustadt an einem ungleich größeren Shuttleprojekt, das die gesamte Stadt zunächst mit 500, später dann mit 1000 Großraum-Shuttles abdecken soll. Ziegenmeyer bereitet Volkswagens Zukunftsprojekt Moia für Hamburg mit vor. Bislang fahren nur einige wenige der Shuttles durch Hannover, Hamburg soll die erste Stadt sein, in der das Konzept in voller Größe und mit elektrischen Craftern ausgerollt wird.

Taxifahrer demonstrieren, Verkehrsbetriebe fürchten um Kunden

Das klappt nur, weil Politiker wie Senator Horch sich dafür im Rahmen der Partnerschaft mit VW einsetzen. „Hamburg hat uns mit sehr offenen Armen empfangen“, sagt Ziegenmayer – anders als manch andere Stadt. Denn die Bedenken sind groß: Auch in Hamburg haben Hunderte Taxifahrer gegen das Projekt demonstriert. Sie fürchten Billigkonkurrenz. Anderswo fürchten auch die Verkehrsbetriebe um ihre Kunden.

Ziegenmayer hält dagegen: Fahrgäste, die keine Lust auf Mitfahrer haben und schnellstens an Ziel wollen, die werden auch weiterhin das Taxi rufen. Und überhaupt sei der Shuttle teurer als Bus und Bahn. Die Argumente für sein Projekt kennt er gut: Als Unternehmenssprecher ist es seine Aufgabe, die Öffentlichkeit von den guten Absichten der Volkswagen-Tochter zu überzeugen.

Auch deshalb suchen Shuttledienste wie Moia und der schon tätige Konkurrent Clevershuttle mit seinen Wasserstoff-Autos sowie die Carsharing-Anbieter wie Car2Go und DriveNow den Anschluss an den städtischen U-Bahn-Betreiber, die Hochbahn. Sie baut derzeit das Netz an Carsharing-Stationen unter der Marke „Switchh“ aus. Eine neue App dazu soll bald alle Angebote mit Bus, Bahn und Hafenfähre verknüpfen – damit Shuttles und Leihautos den ÖPNV nicht ersetzen und selbst im Stau stehen.

Über einen Mangel an Fahrgästen wird sich die Hochbahn wohl zumindest auf einer Linie nicht beklagen können – bei ihrem neuesten Projekt in der Hafencity. Eine Fahrt mit dem fahrerlosen Roboterbus mit einem Dutzend Plätzen durch die historische Speicherstadt zur modernen Elbphilharmonie dürfte ab 2019 zur neuen Touristenattraktion avancieren. Vollautomatisch, nahezu geräuschlos, emissionsfrei. Der Name: Hamburg Electric Autonomous Transportation, kurz Heat. Die Strecke: 3,6 Kilometer, eine Ringlinie mit neun Stationen.

Sein besonderes Potenzial zeigt das neue System zum Beispiel an einer Kreuzung neben einer Grundschule unweit der Unilever-Deutschlandzentrale. Der Bus wird hier zweimal kurz hintereinander abbiegen müssen. Parkende Autos und eine Litfaßsäule versperren den Blick. Baustellenfahrzeuge dieseln von der Grube eines großen Einkaufscenter-Projekts und bilden zusätzliche Hindernisse.

Kurzum: Es ist unübersichtlich. Die autonomen Busse, die anderswo in Betrieb sind, müssten sich an dieser Stelle schrittweise herantasten. Bei Heat soll das anders sein: Kameras an den Masten der Straßenlaternen sollen die Verkehrssituation schon analysieren, bevor der Bus da ist. Technologiepartner für diese Sende- und Empfangstechnik ist Siemens.

Dadurch könnte Heat dann so flott heranrollen wie ein Wagen mit Fahrer – mindestens. Ähnliche Projekte in Deutschland, wie das autonome Fahrzeug, das die Deutsche Bahn seit dem Herbst 2017 in Bad Birnbach erprobt, oder die knallgelben Kleinbusse der Verkehrsbetriebe, die über das Gelände der Berliner Charité gondeln, haben diesen Vorteil nicht.

Das Hamburger Projekt wird auch zeigen, ob autonomes Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne technisch hochgerüstete Infrastruktur möglich ist. Eine wichtige Frage, denn fahrerlose Busse werden sich nur durchsetzen können, wenn die Kosten für den Umbau der Straßennetze nicht explodieren. Schon das Hamburger Projekt geht ordentlich ins Geld. 9,6 Millionen Euro stellen die Projektpartner bereit, zu denen auch der Fahrzeughersteller IAV zählt. Mit 5,2 Millionen Euro stemmen die Hamburger Partner den Großteil.

Denn der Handlungsbedarf in der Hansestadt ist enorm: Senator Horch musste zähneknirschend Fahrverboten für Dieselfahrzeuge auf zwei Hamburger Straßen zustimmen, weil die Grenzwerte für Stickoxide überschritten sind. Auf beiden Straßen sind auch stinkende Dieselbusse unterwegs. Zwar soll die Hochbahn ab 2020 nur noch Elektrobusse bestellen – doch weil die Industrie kaum liefern kann, deckt sich das städtische Unternehmen zuvor noch eifrig mit Dieselbussen ein.

Zudem sind die Elektrobusse deutlich teurer als die Standardmodelle. Für die ersten 104 Busse der Hamburger Betreiber Hochbahn und VHH schießt der Bund daher 25 Millionen Euro zu. Die ersten Modelle werden Solaris und Daimler liefern.

Auch hier profitiert also ein deutsches Unternehmen. Die viel zitierten chinesischen Elektrobus-Hersteller hätten sich erst gar nicht um den Auftrag beworben, heißt es bei der Hochbahn. Der Verdacht: Die Busse wären den hohen Anforderungen in der Ausschreibung, die etwa jahrelange Garantien für die Batterien verlangt, nicht gewachsen.

Züge ohne Zugführer

Richtig ins Geld geht auch ein Projekt der Deutschen Bahn. Für 60 Millionen Euro wird eine einzige S-Bahn-Strecke im Osten der Stadt digital hochgerüstet – finanziert zu gleichen Anteilen mit den Partnern Siemens und der Hansestadt. Vier Züge sollen ab Oktober 2021 auf der Linie 21 zwischen den Stationen Berliner Tor und Bergedorf pendeln.

Die Millioneninvestitionen werden nur dem aufmerksamen Fahrgast auffallen. An den Endstationen werden nicht nur die Reisenden, sondern es wird auch der Lokführer den Führerstand verlassen. Die S-Bahn rollt anschließend allein aufs Abstellgleis – und nach angemessener Betriebspause zurück an den Bahnsteig.

Auf der 23 Kilometer langen Strecke dagegen wird immer ein Lokführer dabei sein. Das aber ist bloß der Tatsache geschuldet, dass die Gesetze einen Triebfahrzeugführer verlangen. Die S-Bahn könnte eigentlich allein fahren.

Die S 21 ist Teil eines drei Milliarden Euro teuren Digitalisierungsprogramms der Bahn. Auf drei verschiedenen Strecken in Deutschland will sie beweisen, dass auf mit modernster Zugleittechnik ausgestatteten Trassen mehr Züge in dichterem Abstand fahren können – und das auch noch sicherer und zuverlässiger. Zum Einsatz kommt dafür das European Train Control System, das auch die Schnellfahrstrecke VDE 8 zwischen Berlin und München nutzt.

Das große Problem: Vielen der Hamburger Visionen vom modernen digitalen Verkehr fehlt die klare Rechtssicherheit. Führerlose Busse, ampelgesteuerte Autos und Sammeltaxen wie Moia dürfte es deutschen Gesetzen zufolge eigentlich gar nicht geben. „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird“, heißt es beispielsweise in der Straßenverkehrsordnung.

Ein Computer ist aber kein Fahrzeugführer. Befristete Ausnehmeregeln und Experimentierklauseln machen in Hamburg zeitweise möglich, was vor Kurzem noch unmöglich schien. Dennoch fordert auch Senator Horch, das Personenbeförderungsgesetz so zu verändern, dass neue Mobilitätsangebote möglich werden – etwa Nahverkehr unabhängig von Haltestellen.

Experten warnen jedoch, eine Stadt wie Hamburg dürfe das Thema nicht nur als technisches Versuchsfeld angehen. „Es geht nicht nur darum, ob etwas technisch funktioniert, sondern auch, wer darüber entscheidet, wie ein System als Ganzes aussehen soll“, sagt Christian Holz-Rau, Professor für Raumplanung an der TU Dortmund.

Hamburg müsse auch regulatorische Erfahrungen sammeln – ob etwa ein Angebot wie Moia Busse und Bahnen leert. Sonst drohe, dass private Unternehmen die lukrativen Teile des öffentlichen Nahverkehrs abgreifen und öffentliche Anbieter wie die Hochbahn anschließend noch stärker bezuschusst werden müssten. „Wenn eine Stadt die Regulierung aus der Hand gibt, kann es ihr zum Nachteil werden“, warnt Holz-Rau. Und: Sie dürfe über all den digitalen Testfeldern den konventionellen Rad- und Bahnverkehr nicht vergessen.

Der Druck vom Wähler ist groß. Fast jeder zweite Deutsche würde laut Umfragen gerne schon bald in ein Flugtaxi steigen oder mit einem autonomen Auto fahren. Nun, Flugtaxen hat in Hamburg zwar noch niemand angemeldet. Dafür ist Senator Horch vor einigen Monaten auf den 279 Meter hohen Hamburger Fernsehturm gefahren, um eine Antenne des künftigen schnelleren und stabileren Mobilfunkstandards 5G einzuweihen.

Sie macht den Hafen auch zum Testfeld für neue mobile Vernetzung in der Logistik. In dem größten deutschen Seehafen sollen digitale Verkehrssteuerung für Lkws und selbstfahrende Hafenbahnen Staus auflösen und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten wie Rotterdam steigern.

Es bleibt viel zu tun. „2021 ist nicht eine völlig neue Stadt da“, prophezeit Senator Horch. „Mobilität wird uns dauerhaft beschäftigen.“