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Warum der Hafen von Piräus für China das Tor nach Europa werden soll

„Präsident Trump…“ Überraschenderweise sind es diese beiden Worte, mit denen Captain Fu Chengqiu seine Ausführungen beginnt. Wir sitzen im Konferenzsaal der Piraeus Port Authority (PPA). In einer Ecke des Saals stehen die Fahnen Griechenlands, der Europäischen Union und der Volksrepublik China. Der chinesische Staatskonzern Cosco Shipping ist Mehrheitsaktionär der früher vom griechischen Staat kontrollierten Hafengesellschaft PPA.

Captain Fu, wie er in der Branche genannt wird, ist CEO des Unternehmens. Aus dem Konferenzraum blickt man auf das Hafenpanorama. Am Kai liegen die Kreuzfahrtriesen „Mein Schiff 2“ und „Mein Schiff 4“. Die Fähre „Ionis“ legt gerade ab, um die Inseln Kithyra und Kreta anzusteuern.

Mit 16 Millionen Passagieren jährlich ist Piräus der größte Passagierhafen Europas. Weiter hinten ragen die blauen und gelben Kräne des Containerterminals auf. 2008 wurden hier gerade mal 434.000 Containereinheiten (TEU) umgeschlagen. Im vergangenen Jahr waren es 4,15 Millionen – fast zehn Mal so viel. Piräus ist der am schnellsten wachsende Containerhafen weltweit.

Aber Captain Fu ruht nicht. Er hat noch viel vor mit Piräus. Der Hafen soll für China zum Tor nach Europa werden. Das Projekt ist Teil der „One Belt, One Road“-Initiative, die Staatschef Xi Jinping 2013 verkündete, Chinas neuer Seidenstraße. Piräus sei „der Kopf des Drachen“ in Europa – so beschreiben chinesische Analysten die Bedeutung des Hafenprojekts.

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„Präsident Trump erklärt, Journalisten seien die ‚Feinde des Volkes‘, aber wir sind anderer Meinung“, sagt der weißhaarige Chinese. „Wir reden mit Journalisten.“ Dass Captain Fu seinen Vortrag mit Donald Trump beginnt, ist kein Zufall. Cosco fasste zwar schon 2009 Fuß in Piräus, lange bevor irgendjemand an Trump als Präsidenten dachte.

Aber der Handelskrieg, den der Mann im Weißen Haus jetzt gegen China führt, gibt dem Projekt in Griechenland besondere Bedeutung. Die Chinesen wissen: Umso wichtiger ist es nun, ihr Engagement in Piräus in ein möglichst gutes Licht zu rücken. Captain Fu spricht deshalb viel von „Transparenz“, „Kooperation“ und „Fairness“, er redet vom „Schutz der Umwelt“ und von „sozialen Verpflichtungen“, die sein Unternehmen erfülle wolle.

2008 schloss die staatliche China Ocean Shipping Company (Cosco) mit der damaligen konservativen griechischen Regierung einen Pachtvertrag über den Betrieb eines Containerterminals in Piräus. Das war nur der Anfang. 2016 übernahm Cosco 51 Prozent der Hafengesellschaft PPA. Der Vertrag sieht vor, dass die Chinesen 2021 weitere 16 Prozent der Anteile übernehmen.

Großer Hafen, große Pläne

Die Beteiligung hat sich Cosco insgesamt 368,5 Millionen Euro kosten lassen. Weitere 300 Millionen Euro muss das Unternehmen laut Vertrag bis 2026 in die Modernisierung und den Ausbau des Hafens investieren. Bereits im nächsten Jahr wird Piräus fünf Containerschiffe der Giga-Klasse gleichzeitig abfertigen und jährlich 6,2 Millionen TEU umschlagen können.

Kein anderer Mittelmeerhafen hat diese Kapazitäten. In Piräus werden die Container von den großen „Mutterschiffen“ teils auf kleinere Frachter zum Weitertransport in andere Mittelmeerhäfen umgeladen. Ein anderer Teil geht per Eisenbahn über den Balkan nach Mitteleuropa.

Das Geschäft läuft bereits gut. Im ersten Halbjahr steigerte die Hafengesellschaft ihren Umsatz um 22 Prozent auf 52 Millionen Euro. Der Nettogewinn verdreifachte sich sogar gegenüber dem Vorjahr von 4,4 auf 13,3 Millionen. „Diese sehr guten Ergebnisse zeigen, dass unsere strategische Planung stimmt“, stellte Captain Fu bei der Bekanntgabe der Zahlen zufrieden fest.

Cosco möchte gern mehr investieren. 2019 soll Piräus die Konkurrenten Valencia und Algeciras überholen und zum größten Containerhafen im Mittelmeer aufsteigen.

Aber jetzt hakt es. Seit Monaten wartet Captain Fu vergeblich auf die Genehmigung seines Masterplans durch das zuständige Schifffahrtsministerium. Der Plan sieht unter anderem ein neues Kreuzfahrtterminal sowie den Bau von vier Hotels und einer Shopping-Mall auf dem Hafengelände vor. „Die Pläne sind fertig, wir haben das Geld, aber die Genehmigung steht immer noch aus“, klagt Captain Fu.

Die Verzögerung hat politische Hintergründe. Die Privatisierung des Hafens war von Anfang an umstritten. Als er noch dem Staat gehörte, schusterten die jeweiligen Regierungen ihren Parteigängern dort lukrative Jobs zu – die griechische Klientelwirtschaft. Die Löhne bei dem Staatsbetrieb lagen weit über dem Niveau des Privatsektors. Premier Alexis Tsipras bekämpfte als Oppositionsführer das Privatisierungsprojekt fanatisch, sprach davon, Cosco werde Piräus zu einem „Hafen der Agonie“ machen.

Inzwischen erklärt Tsipras zwar, er unterstütze die Investition. Aber große Teile des Tsipras-Linksbündnisses Syriza bekämpfen das Vorhaben weiter, allen voran der Syriza-Abgeordnete Thodoris Dritsas, dessen Wahlkreis Piräus ist. Er versuchte schon 2015 als Schifffahrtsminister die Hafenprivatisierung zu durchkreuzen. Tsipras löste ihn deswegen ab. Aber Dritsas agitiert weiter gegen das Projekt. Tsipras lässt ihn gewähren. 2019 gibt es Kommunal- und Parlamentswahlen in Griechenland, und der Dritsas-Wahlkreis Piräus gehört nun einmal zu den Syriza-Hochburgen.

Die größten Hürden liegen in der Politik

Aber Captain Fu wird ungeduldig. Bis zum Jahresende will er auf die ausstehende Genehmigung warten. Danach werde man rechtliche Schritte prüfen. Für Cosco steht viel auf dem Spiel, besonders vor dem Hintergrund des Handelskrieges, den Trump entfacht hat. Es geht nicht nur um die Erschließung neuer Exportrouten für chinesische Waren nach Europa. Das zeigen Chinas Investitionen in Griechenland. Sie belaufen sich seit 2009 auf über fünf Milliarden Euro.

Kein anderes Land hat während der Krisenjahre auch nur annähernd so viel in Griechenland investiert. Der chinesische Mischkonzern Fosun engagiert sich mit Hotelprojekten stark im griechischen Tourismus. Ende 2016 stieg die chinesische State Grid Corporation, der weltgrößte Stromversorger, mit 24 Prozent beim griechischen Netzbetreiber ADMIE ein. Im vergangenen November übernahm die staatliche Shenhua Group 75 Prozent an drei Windparks der griechischen Copelouzos Group. Die beiden Firmen wollen im Energiesektor gemeinsam rund drei Milliarden Euro investieren.

Dabei geht es China nicht nur um lukrative Infrastrukturbeteiligungen. Die Investitionen sollen auch eine politische Rendite abwerfen. Diese Hoffnung erfüllt sich bereits: Im vergangenen Jahr blockierte die Regierung Tsipras eine geplante gemeinsame Erklärung der 28 EU-Staaten, mit der die Menschenrechtssituation in China verurteilt werden sollte.

Die Begründung des Athener Außenministeriums: Die geplante Resolution stelle eine „nicht konstruktive Kritik an China“ dar. Peking lobte Griechenlands „korrekte Haltung“.

Damit haben es die Chinesen offenbar auch geschafft, die Herzen vieler Griechen zu erobern. Das zeigt eine Umfrage vom September. Danach bewerten 54 Prozent der Befragten Chinas Haltung gegenüber Griechenland als „positiv“. Nur Frankreich hat mit 63 Prozent ein noch besseres Image. Deutschland kommt übrigens in dieser Sympathie-Wertung mit 24 Prozent nur auf den sechsten Platz.