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Wir haben uns ein Haus per Zwangsversteigerung gekauft, ohne es zu besichtigen — das hätten wir gerne vorher gewusst

Mode-Bloggerin Jessica Weiß mit ihrem Ehemann, dem Musiker Johan Fink
Mode-Bloggerin Jessica Weiß mit ihrem Ehemann, dem Musiker Johan Fink

Würdet ihr ein Haus kaufen, das ihr noch nie von innen gesehen habt? Vor diesem Problem stand Jessica Weiß.

Weiß gründete 2012 „Journelles“, einer der bekanntesten und größten Mode-Blogs in Deutschland. Doch trotz dieses Erfolgs und ihrer 215.000 Follower auf Instagram hat auch Weiß mit den üblichen Tücken des Immobilienmarktes zu kämpfen.

Sie und ihr Ehemann, der Musiker Johan Fink, waren auf der Suche nach einem Haus mit Garten in Berlin – verständlich mit drei Kindern. Jedoch wurde auch Weiß klar: „Die Berliner Immobilien-Situation ist sehr schwierig.“ Zwei Jahre habe sie nach einer Immobilie gesucht, aber nichts gefunden, erzählt die 36-Jährige im Gespräch mit Business Insider.

Aus „leichter Verzweiflung“ mit dem Thema Zwangsversteigerung begonnen

Am Ende blieb noch eine Möglichkeit: ein Haus per Zwangsversteigerung kaufen. Alle Informationen über Zwangsversteigerungen in Deutschland bekommt man auf dem Online-Justizportal ZVG. Hier gibt es eine Liste aller Versteigerungs-Termine in Deutschland. „Aus leichter Verzweiflung habe ich begonnen, mich da umzuschauen“, erinnert sich Weiß.

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Auf der Seite bekommt ihr verschiedene Informationen zu den Immobilien. Unter anderem erfahrt ihr die Adresse, eine kurze Beschreibung des Objekts, den Verkehrswert, ein Gutachten, das Datum und den Ort der Zwangsversteigerung.

„Man kannte den Zustand nicht von innen und das war natürlich das Restrisiko“

Weiß gefiel ein Haus aus dem Jahr 1927, mit einer Wohnfläche von 115 Quadratmetern, Keller, Dachstuhl und einem 1000 Quadratmeter großen Grundstück. Doch beim Gutachten fehlte eine Information, die für Immobilien-Käufer entscheidend ist: der Zustand.

Das Haus konnte nur von außen vom Gutachter geschätzt werden, weil die Hausbesitzerin ihn nicht hereingelassen habe. „Man kannte den Zustand nicht von innen und das war natürlich das Restrisiko“, sagt Weiß. Sie war darauf vorbereitet, die komplette Immobilie kernsanieren zu müssen. Doch der Wunsch nach einem Eigenheim war so groß, dass Weiß sich entschied, zu pokern und zum Versteigerungstermin hinzufahren.

Dieses Haus in einem Berliner Außenbezirk hat sich Weiß bei der Zwangsversteigerung gekauft.
Dieses Haus in einem Berliner Außenbezirk hat sich Weiß bei der Zwangsversteigerung gekauft.

Als sie den Scheck in der Hand hielt, hatte sie Panik

Der Termin fand im Amtsgericht statt und ist ein öffentliches Verfahren, jeder und jede kann hin. Um an der Verteilung teilzunehmen und auch mitbieten zu dürfen, musste Weiß zehn Prozent des ermittelten Verkehrswerts mitbringen. Entweder in Form eines Schecks oder mit vorheriger Überweisung. Der Betrag wird zurücküberwiesen, sollte man das Haus nicht ersteigern.

Was Weiß nicht wusste, als sie sich den Scheck von der Bank abholte: Das Geld wurde in dem Moment vom Bankkonto abgebucht. Und zehn Prozent der gesamten Summe sind nicht wenig. „Da hält man sein Vermögen in der Hand – und ich hatte Panik“, sagt Weiß. Das war für sie die Situation, in der sie am „meisten Mut beweisen musste“, erzählt die Mode-Bloggerin.

„Wir hatten Schweiß auf der Stirn und haben gezittert“

Bei der Versteigerung muss mindestens 30 Minuten lang geboten werden, das ist die Regel. „Erst nach einer Viertelstunde ist jemand nach vorne gegangen und hat sein Gebot abgegeben. Ich habe mich anfangs nicht getraut“, sagt Weiß.

Nach ein paar Angeboten anderer begann schließlich auch Weiß mitzubieten. Zuvor habe sie sich mit ihrem Ehemann auf eine feste Obergrenze geeinigt. Wie hoch diese war, will uns Weiß nicht sagen. „Dann war es irgendwann so, dass ich unser absolutes letztes Gebot genannt habe. Für mich war klar: Das ist unsere letzte Chance.“ Und plötzlich wurde runtergezählt, dann sei der Hammer auf den Tisch geschlagen: "Verkauft!"

„Mein erster Gedanke war: Uns gehört das Haus? Das kann doch nicht wahr sein. Wir hatten Schweiß auf der Stirn und haben gezittert“, erinnert sich Weiß. Sie sei mit „null Erwartungen“ in die Auktion gegangen, und auf einmal sei sie Hausbesitzerin gewesen – ohne die Immobilie vorher gesehen zu haben.

In ihrem Podcast "Maison Journelles - Wir kaufen uns ein Haus" berichtet Weiß jede Woche über ihre Abenteuer mit dem Haus
In ihrem Podcast "Maison Journelles - Wir kaufen uns ein Haus" berichtet Weiß jede Woche über ihre Abenteuer mit dem Haus

Erst einen Monat nach dem Kauf konnte sie das Haus von innen sehen

Beim Amtsgericht wurde im Anschluss nach der Versteigerung direkt ein Verteilungstermin festgelegt. „Bis dahin mussten wir die Finanzierung auf die Beine stellen.“ Knapp drei Monate Zeit hatte die Familie dafür bekommen.

„Zunächst hat es einen Monat gedauert, bis wir das Haus überhaupt besichtigen durften“, erzählt Weiß. „Die Bewohnerin wollte uns gar nicht hereinlassen. Sondern erst, wenn wir im Grundbuch stehen.“

Der erste Besichtigungstermin sei „unheimlich wichtig“ gewesen, um die Finanzierung zu bekommen, da die Bank nochmal ein neues Gutachten gebraucht habe. „Eine Gutachterin von der Bank war dabei und unsere Architekten haben ein Aufmaß sowie die Kostenschätzung für die Sanierung gemacht.“

Der erste Gedanke der Mode-Unternehmerin, als sie das Haus von innen gesehen hat? „Glück gehabt! Ein toller geräumiger Flur mit hübscher alter Treppe und ein gepflegter Zustand“, sagt Weiß. „Am Ende war unser Kauf wie ein Überraschungsei und wir hatten Glück mit dem Inhalt.“

Man sei „nonstop“ mit Beamten und „bürokratischen Dingen“ beschäftigt

Um die Finanzierung bei einer Zwangsversteigerung zu bekommen, brauchte die Bank noch „viel, viel mehr Informationen“, sagt die 36-Jährige. Sie hatte „gefühlt tausend Telefonate“ mit Grundbuch- und Bauämtern. „Unvorstellbar, wie viel man machen muss.“ Das Problem sei, dass man selbst keine Unterlagen zum Haus hat.

„Wir mussten auch erfahren, wie das Haus versichert ist. Es war ein sehr schwieriges und stressiges Unterfangen, die Dokumente zusammenzubekommen und zudem hat man die Zeit im Nacken für die Finanzierung“, sagt Weiß. Baulastenverzeichnisauskünfte, Grundbucheintragungen, Versicherungen, Strom- und Gasverträge sind nur einige der Dokumente, die sie beschaffen musste.

Das Problem bei Zwangsversteigerungen sei, dass der Grund dafür meistens Streitigkeiten seien, warum eben dieses Haus verkauft werde. „Die Leute helfen dann nicht gerne freiwillig mit den Dokumenten“, meint Weiß. „Insgesamt muss man einen unglaublich hohen Bürokratie-Aufwand stemmen.“ Man sei „nonstop“ mit Beamten und „bürokratischen Dingen“ beschäftigt und das sei vor allem das, was anstrengend ist.

Letztlich wurde es so knapp mit der Finanzierung, dass Weiß auf die Idee kam, ihr Konto zu überziehen. Insgesamt war sie rund 700.000 Euro im Minus, erzählt sie in einem Youtube-Video über den Hauskauf. Das entspricht nicht dem gesamten Kaufwert, aber einem Teil davon. Die Summe wurde freigegeben, die Überziehungszinsen, rund 12 Prozent, draufgeschlagen. Einen Abend vor der Deadline wurde der Auftrag genehmigt und Weiß schaffte es ganz knapp, das Geld zu überweisen.

Die Auktion war stressig, aber rückblickend „der Knaller“

Ihre Tipps an diejenigen, die auch ein Haus per Zwangsversteigerung kaufen wollen: Man sollte das Gutachten „sehr genau“ durchlesen. Zum Teil könne man auch die Anwälte anrufen, die einem noch mehr persönlich dazu erzählen. Es bringe auch was, zur Immobilie zu fahren und sich das Objekt vor Ort anzuschauen. „Ich weiß von ein paar Leuten, die auch daran interessiert waren, dass sie sogar mit Nachbarn gesprochen haben“, so Weiß. Je mehr Hintergrundinformationen man habe, desto besser sei man auf einen möglichen Kauf vorbereitet.

Zudem sollte man zu 100 Prozent sicher sein, dass man die Finanzierung auf die Beine gestellt bekommt. Und den Verteilungstermin am besten so weit nach hinten rausschieben wie möglich. „Also lieber auf Nummer sicher gehen, dass man die Finanzierung bekommt, als dass man so wie wir dann am Ende super viel Stress hat, den Kredit zu bekommen.“ Abschließend würde sie empfehlen, mal zu einer Zwangsversteigerung zu gehen, ohne aktiv mitzubieten. „Da bekommt man ein gutes Gefühl, wie sowas abläuft.“

Ob sie es bereue, dass sie ihr Haus per Zwangsversteigerung bekommen habe, wegen des ganzen Stresses? „Also ich sage mal, dieser Adrenalinthriller, den wir bei der Auktion hatten, war rückblickend der Knaller“, resümiert Weiß. „Aber die Aufregung insgesamt war bestimmt nicht gut für den Bluthochdruck.“