Werbung
Deutsche Märkte schließen in 1 Stunde 34 Minute
  • DAX

    17.733,03
    -104,37 (-0,59%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.919,30
    -17,27 (-0,35%)
     
  • Dow Jones 30

    37.959,68
    +184,30 (+0,49%)
     
  • Gold

    2.399,90
    +1,90 (+0,08%)
     
  • EUR/USD

    1,0671
    +0,0025 (+0,23%)
     
  • Bitcoin EUR

    60.783,89
    +2.275,85 (+3,89%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.331,23
    +18,61 (+1,44%)
     
  • Öl (Brent)

    82,72
    -0,01 (-0,01%)
     
  • MDAX

    25.962,52
    -226,92 (-0,87%)
     
  • TecDAX

    3.189,20
    -21,64 (-0,67%)
     
  • SDAX

    13.917,40
    -114,97 (-0,82%)
     
  • Nikkei 225

    37.068,35
    -1.011,35 (-2,66%)
     
  • FTSE 100

    7.848,57
    -28,48 (-0,36%)
     
  • CAC 40

    8.017,74
    -5,52 (-0,07%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.547,17
    -54,33 (-0,35%)
     

„Wir haben schnell auf Missstände reagiert“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble trat am Donnerstag als letzter Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu umstrittenen Finanzgeschäften auf. Versäumnisse seines Hauses sieht er nicht. Im Gegenteil.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte sich am Donnerstag den Fragen der Parlamentarier im Cum-ex-Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss soll aufklären, warum Finanzmarktakteure viele Jahre die Möglichkeit hatten, auf illegale Weise Steuern zu sparen. Schätzungen gehen davon aus, dass dem Staat durch diese Tricksereien Steuereinnahmen von bis zu 18 Milliarden Euro verloren gingen.

„Die Steuerausfälle sind nicht seriös einzuschätzen“, meinte jedoch Schäuble. Allerdings habe sein Ministerium die Cum-ex-Geschäfte „schon immer als rechtswidrig eingestuft“, sagte der 74-Jährige. Die Cum-ex-Geschäfte führten dazu, dass eine einmalig gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach bestätigt und erstattet wurde – eine wundersame Geldvermehrung, die für manche Banken zum Geschäftsmodell wurde.

Der Abteilungsleiter für Steuern im Bundesfinanzministerium (BMF), Michael Sell, sprach in einer früheren Befragung von „organisierter Kriminalität“ – mit Blick auf das Zusammenspiel von Banken, Rechtsanwälten und Steuerberatern bei den entsprechenden Konstruktionen. „Ich mache mir diese Kommentierung nicht zu eigen“, sagte Schäuble.

Gehört habe er wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im Jahr 2009 von Cum-ex-Geschäften. Intensiver befasst habe er sich im Sommer 2010 damit. Es sei offensichtlich gewesen, dass die mit dem Jahressteuergesetz 2007 eingeleiteten Maßnahmen nicht ausgereicht hätten, den Missbrauch zu stoppen. Ausländische Institute hätten immer noch freie Bahn gehabt. „Ich habe dann die Entscheidung getroffen, einen Systemwechsel bei der Dividendenbesteuerung einzuleiten“, sagte Schäuble. Die Abführung der Steuer und der entsprechende Beleg darüber liegen seitdem in einer Hand. Dass dann noch zwei Jahre ins Land gingen, bis das entsprechende Gesetz stand, ist für den CDU-Politiker nicht verwunderlich: „Dies war eine komplexe Aufgabe, die mit großem Aufwand verbunden war. Zudem waren die Bundesländer an dem Systemwechsel beteiligt.“

WERBUNG

Während die Cum-ex-Geschäfte seit 2012 nicht mehr möglich sind – „die Regelung funktioniert“, kommentierte Schäuble dies – liefen die ähnlich gestrickten Cum-Cum-Geschäfte zunächst munter weiter. Bei diesen Geschäften verliehen ausländische Investoren kurz vor dem Dividendenstichtag ihre Aktien oder Aktienfondsanteil an inländische Banken. Das machte insofern Sinn, da sich diese die fällige Kapitalertragssteuer erstatten lassen konnten, ausländische Geldinstitute jedoch nicht. Die Leihgebühr konnte dabei sogar steuermindernd geltend gemacht werden. Den Gewinn aus der wiedererstatteten Kapitalertragssteuer teilten sich die Akteure. Diese Art von Geschäften ist erst seit 2016 nicht mehr möglich. Der mögliche Steuerausfall wird hier auf fünf bis sechs Milliarden Euro beziffert.

Schäuble wies darauf hin, dass es im Gegensatz zu den Cum-ex-Geschäften bei den Cum-cum-Geschäften eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten gab, die nicht ohne weiteres als rechtswidrig eingestuft werden konnten. Es ging dabei immer um Einzelfälle, in denen versucht wurde, eine missbräuchliche Gestaltung nachzuweisen. „Wir wurden da durch die Rechtsprechung auch nicht unterstützt“, merkte Schäuble an. „Für mich sind Cum-ex-Geschäfte und Cum-cum-Geschäfte zwei völlig unterschiedliche Bereiche“, sagte Schäuble.

Dennoch wunderten sich Ausschussmitglieder wie der Grünen-Politiker Gerhard Schick, warum es nach den Erfahrungen mit den Cum-ex-Geschäften es so lange dauerte, bis Schäuble die Schlupflöcher bei Cum-cum-Transaktionen schloss. Im Juni 2011 schrieb der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) einen Brief an Schäuble. Ihm würden Erkenntnisse vorliegen, dass deutsche Banken „ausländische Anleger bei der Umgehung der Kapitalertragssteuer“ unterstützten. „Ich habe das Schreiben nicht gesehen“, sagte Schäuble. Aber er wisse davon. Seine Mitarbeiter hätten das zum Anlass genommen, bei den Ländern nachzufragen. Das sei ergebnislos verlaufen.


Politisch Verantwortliche sind schwer auszumachen

Das stellte Schick nicht zufrieden. „Der Staat hatte frühzeitig Hinweise auf Fehlentwicklungen. Wenn er darauf nicht reagiert, sind das massive Versäumnisse“, kritisierte Schick. Damit leiste man einen Beitrag zur Politikverdrossenheit. „Der Staat muss auf Augenhöhe mit den Finanzmarktakteuren sein, um das Geld der Steuerzahler zu schützen.“
Schon in den vergangenen Sitzungen war es schwer, die politisch Verantwortlichen für die Fehlentwicklungen bei Cum-ex und Cum-cum ausfindig zu machen. Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte, er sei erst 2009 auf diese Geschäfte aufmerksam geworden und habe die Dimension nicht abschätzen können. Hätte er es getan, hätte er sein Haus anders aufgestellt. Steinbrücks damaliger Staatssekretär Axel Nawrath sagte im Januar, dass das Problem der mehrfach ausgestellten Steuerbescheinigungen zulasten des Staats früher bekannt gewesen sei und mit dem Jahressteuergesetz 2007 aufgegriffen wurde, leider nicht ausreichend.

Zwar hatte auch die Finanzaufsicht Bafin frühzeitig Erkenntnisse über missbräuchliche Dividendengeschäfte, gab die Informationen aber nicht weiter. Auf entsprechende Informationen aus dem Jahr 2007 stießen die Ausschussmitglieder bei ihren Recherchen. Bei den Befragungen von BMF-Beamten fiel immer wieder auf, dass es keinen Austausch gab zwischen den Steuer- und Finanzmarktexperten. „Für mich waren Cum-Ex-Geschäfte ein Steuerthema und die Bafin hatte keine Steuerkompetenz“, sagte der ehemalige Staatssekretär Jörg Asmussen.

Doch spätestens mit dem Zusammenbruch der Maple Bank Anfang 2016, die auf diese Art der Geschäfte spezialisiert war, zeigte sich, wie relevant diese Steuergeschäfte auch für die Finanzmarktstabilität waren. Steuerrückstellungen für illegale Cum-ex-Geschäfte in Höhe von 450 Millionen Euro führten zu einer Überschuldung. Die Bank wurde geschlossen. Erst Ende 2015 beschäftigte sich die Bafin mit einer Abfrage bei Banken, inwiefern sie bei Cum-ex-Geschäften involviert waren. Dass sie erst recht spät aktiv wurde, hält Bundesfinanzminister Schäuble nicht für problematisch: „Die Bafin hat nicht die Aufgabe, Steuergesetze zu vollziehen.“