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Häufig wurde Hubertus Heil übergangen – jetzt verwaltet er einen 140-Milliarden-Euro-Etat

Jahrelang ging SPD-Mann Hubertus Heil bei Spitzenämtern leer aus. Als Arbeitsminister kann er sich nun profilieren, muss aber große Probleme lösen.

Hubertus Heil galt in der SPD schon als tragische Figur. „Politik ist eben nicht gerecht.“ Diese Worte waren zuletzt häufig aus der Partei zu hören, wenn es um den 45-Jährigen ging. Immer wieder stellte sich Heil in den Dienst seiner Partei. Gedankt wurde es ihm nie. Bei der Verteilung von Ministerämtern ging er jedes Mal leer aus.

Bis zu diesem Freitag. Endlich wurde der 45-Jährige doch noch belohnt. Hubertus Heil übernimmt in der neuen Bundesregierung das Arbeits- und Sozialressort. Jetzt kann Heil in vorderster Reihe zeigen, was er kann. Einen 140-Milliarden-Euro-Etat verwalten. Rentenreformen auf den Weg bringen. Die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt gestalten. Es ist die Erfüllung eines lang gehegten Traumes.

Denn die Karriere des SPD-Wirtschaftspolitikers verlief keineswegs geradlinig. Zunächst war Heil ein Senkrechtstarter. Mit gerade mal 26 Jahren wird er in den Bundestag gewählt, mit nur 32 ist er schon SPD-Generalsekretär. Doch im Wahlkampf 2009 wird Heil ausgebootet, die Linie legen andere fest.

Heil konzentriert sich in den folgenden Jahren auf seine Arbeit als Wirtschaftspolitiker und Fraktionsvize. 2013 wird er wieder kein Minister. Auch nicht, als Anfang 2017 das Wirtschaftsministerium nach dem Umzug von Sigmar Gabriel ins Außenministerium frei wird. Als ihm überraschend Brigitte Zypries vorgezogen wird, hat Heil die Schnauze voll, droht intern mit Rücktritt.

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Doch Heil bleibt. Stellt sich nur zwei Monate später sogar wieder in den Dienst der Partei, wird mitten im Wahlkampf ein zweites Mal SPD-Generalsekretär, ein Himmelfahrtskommando. Heil gelingt es, etwas Ordnung ins Chaos der Parteizentrale zu bringen, verhindern kann er die krachende Niederlage aber nicht. SPD-Chef Martin Schulz will ihn wenigstens für seine Treue belohnen und ihn nach der Wahl als Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion installieren. Doch Heil verliert wieder, diesmal den internen Machtkampf gegen den rechten Flügel der Partei.

Dabei ist Heil eigentlich selbst ein eher rechter SPD-Politiker. Er ist bekennender Gerhard-Schröder-Fan, und das nicht nur, weil beide aus Niedersachsen stammen. Heil fand Schröders Agenda-Reformen im Grundsatz immer richtig, steht für eine eher liberale Wirtschaftspolitik, hat sich für bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Mittelständler eingesetzt, für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung.

Auch findet Heil, man könne im Steuersystem mal ein bisschen aufräumen. Der SPD-Mann war allerdings immer sehr vorsichtig mit allzu offensiven Forderungen, der Typ Politiker mit Ecken-und-Kanten war er nie. Heil haftet der Ruf an, sehr angepasst zu sein und alles zu tun, was die Parteiführung ihm aufträgt.

In der Union wird Heil geachtet. Michael Fuchs, der langjährige Vizefraktionschef der CDU, sprach respektvoll über seinen Sparringspartner in der SPD. Dass Heil trotzdem gegen den rechten Flügel verlor, lag daran, dass er Mitglied der parteiinternen „Netzwerker“ ist, die irgendwo zwischen linkem und rechten Flügel stehen, aber in den letzten Jahren fast völlig an Einfluss verloren haben.

Seine ersten Projekte im Arbeitsministerium kann der neue Ressortchef rasch angehen. Zum geplanten Rückkehrrecht vom Teilzeit- auf den Vollzeitjob liegt ein Gesetzentwurf von seiner Vorgängerin Andrea Nahles in der Schublade. Größere Probleme dürfte ihm die Umsetzung der Rentenbeschlüsse aus dem Koalitionsvertrag machen. Allein die Ausweitung der Mütterrente schlägt mit 3,4 Milliarden Euro zu Buche, die Finanzierung ist noch ungeklärt.

Heil wird das in seiner eigenen Partei umstrittene CSU-Projekt durchsetzen müssen. Auch über die Finanzierung der neuen Grundrente und der Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente dürften noch harte Verhandlungen mit dem Parteifreund und künftigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz anstehen.

Heil wird aber schon allein deshalb unter Druck geraten, weil die Sozialausgaben immer weiter steigen und bis zum Ende der Legislaturperiode voraussichtlich die Schwelle von einer Billion Euro übersteigen werden. Der Sozialminister wird also allzu große Ausgabenwünsche in der parteiübergreifenden Rentenkommission zügeln müssen, die bis März 2020 einen Bericht über die Zukunft der Alterssicherung ab 2025 vorlegen soll.

Gleichzeitig übt die Union bereits kräftig Druck auf den neuen Minister aus, die Sozialbeiträge zu senken. Wirtschafts- und Arbeitnehmerflügel der CDU fordern, den Arbeitslosenbeitrag schon zum 1. Juli 2018 zu senken. Union und SPD hatten eine Senkung der Abgabe vom Bruttogehalt um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent im Koalitionsvertrag versprochen, den Zeitpunkt aber offen gelassen.

Beurteilt werden wird die Arbeit des künftigen Arbeitsministers in vier Jahren auch daran, ob es gelungen ist, die Zahl von immer noch knapp 860.000 Langzeitarbeitslosen zu senken. Schließlich setzen sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag Vollbeschäftigung als Ziel. Vier Milliarden Euro zusätzlich für die Jobcenter sollen bei der Bewältigung der Aufgabe helfen. Erwartet werden von Heil zudem die versprochene Einschränkung befristeter Jobs, eine Weiterbildungsoffensive und eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an das digitale Zeitalter.

Im Ministerium an der Berliner Wilhelmstraße wird der neue Hausherr voraussichtlich weiter auf die Expertise des beamteten Staatssekretärs Thorben Albrecht bauen können. Der Posten des zweiten beamteten Staatssekretärs ist offen, seit Yasmin Fahimi für die SPD ein Bundestagsmandat gewann. Mitbringen ins neue Ministerium wird Heil seine Sprecherin Franziska Haas.

Die Erleichterung in Heils Umfeld ist groß. Auf der ersten kursierenden Kabinettsliste hatte Heil nicht gestanden. Auch bis Donnerstagabend war nicht klar, ob er tatsächlich Minister wird. Denn auch Katarina Barley wurde als Arbeitsministerin gehandelt. Heil wäre dann raus gewesen, für das Justizministerium kam er ohne rechtswissenschaftliches Studium nicht in Frage. Am Ende übernahm die frühere Richterin Barley das Justizressort und der Wirtschaftspolitiker Heil das Arbeitsministerium. In der SPD ist man über diese Lösung glücklich. Oder wie manche aus der Partei sagen: Politik ist manchmal eben doch gerecht.