Es hätte ja noch schlimmer kommen können: Fünf Themen des Tages
(Bloomberg) -- Arne Delfs über sozialdemokratisches Erwartungsmanagement. — Abonnieren Sie unseren Newsletter Fünf Themen des Tages und erhalten Sie sonntags das Hauptstadtgeflüster direkt in Ihre Mailbox.
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Es hätte ja noch schlimmer kommen können: Fünf Themen des Tages
Aromenhersteller Givaudan erwägt Einstieg in Tiernahrungsmarkt
Landesbanken-Risikovorsorge für Immobilien sinkt auf €300 Millionen
Lufthansa-Chef spricht heute mit Portugals Regierung über TAP
Optimismus im Absturz
Trotz der Wahlerfolge der AfD in Sachsen und Thüringen ist der Bundeskanzler noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Zwar wurden seine Sozialdemokraten ebenso wie die beiden anderen Ampelparteien herbe abgestraft, aber sie flogen nicht, wie manche geunkt hatten, aus den Parlamenten.
Das Wahlergebnis sei “bitter”, sagte der Kanzler in einer ersten Reaktion. Doch Scholz wäre nicht Scholz, wenn er nicht trotzdem Optimismus verbreiten würde. “Die SPD hat zusammengehalten”, sagte er gegenüber Reuters. Die Partei habe gemeinsam einen guten und klaren Wahlkampf geführt. “Das hat sich gelohnt, denn die düsteren Prognosen in Bezug auf die SPD sind nicht eingetreten.” Die letzten Vorwahl-Umfragen sahen die Partei indes in beiden Bundesländern bei 6%-7%.
Die Frage ist, wie lange die SPD noch hinter ihrem unpopulären Kanzler steht. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert klang am Wahlabend seltsam zweideutig. „Der Kanzler gehört genauso zu dem, was ich gerade gesagt habe”, sagte Kühnert mit Blick auf die Probleme seiner Partei. “Da reden wir auch ganz offen in der SPD drüber.”
Richtig Fahrt aufnehmen dürfte diese Debatte nach der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September. Auch dort drohen den Ampelparteien herbe Verluste. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hat dort bereits deutlich gemacht, dass er auf gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Scholz lieber verzichten würde.
Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Rainer Bürgin, Alexander Kell, Stephan Kahl und Verena Sepp: Anhaltende-China-Misere, sollten reden, riecht gut für Waldi, Entspannung bei Immobilien, und Kommunikationsverbot.
Anhaltende-China-Misere
Chinas noch verbliebene Wachstumsmotoren geraten ins Stottern, während der Immobilienmarkt die Wirtschaft weiter belastet. Dies unterstreicht die Dringlichkeit staatlicher Interventionen. Einer Umfrage zufolge schrumpfte die Industrie im August den vierten Monat in Folge. Auch der private Caixin-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe, der sich im August nur knapp von der Kontraktion erholte, sendet Warnsignale aus. Die Materialkosten sanken zum ersten Mal seit fünf Monaten, während die Hersteller ihre Verkaufspreise reduzierten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Es wird immer dringender, dass China die wirtschaftspolitische Unterstützung verstärkt“, sagte Wang Zhe, Ökonom bei der Caixin Insight Group. Gegenwind entsteht auch durch die gegen China gerichtete wirtschaftliche Containment-Politik. Peking hat Japan mit schweren wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen gedroht, falls Tokio den Verkauf und die Wartung von Chipmaschinen an chinesische Unternehmen weiter einschränkt. Eine konkrete Befürchtung in Japan ist, dass Peking Japan den Zugang zu kritischen Mineralien beschneidet, die für die Autoproduktion unerlässlich sind.
Sollten reden
Lufthansa-Chef Carsten Spohr wird informierten Kreisen zufolge am heutigen Montag mit portugiesischen Regierungsvertretern eine mögliche Investition in die staatliche Fluggesellschaft TAP erörtern, für die sich auch AirFrance KLM sowie die Iberia-Mutter IAG interessieren. Auf Betreiben der Lufthansa werden der Finanzminister und der Infrastrukturminister Gespräche mit Spohr führen, hieß es. Die italienische Zeitung Corriere della Sera hatte ebenfalls unter Berufung auf Insider gemeldet, die Lufthansa wolle zunächst einen Anteil von 19,9% an der TAP erwerben. Als besonders attraktiv gelten im Sektor die TAP-Verbindungen nach Brasilien, wo sie der größte europäische Anbieter ist. Auch in Afrika ist die Fluggesellschaft stark engagiert. Anfang Juli hatte die Lufthansa aus Brüssel grünes Licht für die Beteiligung am Alitalia-Nachfolger ITA Airways erhalten. Die Lufthansa-Tochter Swiss indessen macht gerade Schlagzeilen mit Plänen für schwere Nobel-Kabinen. Um Gleichgewichtsproblemen innerhalb der A330-Langstreckenmaschinen entgegenzuwirken, soll im Economy-Bereich nicht etwa mehr Handgepäck erlaubt werden, sondern anderthalb Tonnen Bleiplatten sollen her.
Riecht gut für Waldi
Ob Hund, Katze oder doch lieber der Hamster — die Zahl der Haustiere nimmt weltweit zu, gleichzeitig greifen Tierhalter vermehrt zu Premiumfutter. Laut Bloomberg Intelligence dürfte der globale Markt für Tiernahrung bis 2030 voraussichtlich von 320 Milliarden auf fast 500 Milliarden Dollar ansteigen. Von dem wachsenden Topf haben schon Nestlé und Symrise profitiert, nun will es ihnen der Schweizer Duft- und Aromenhersteller Givaudan gleichtun und erwägt den Einstieg in den Tiernahrungsmarkt. “Die Menschen geben heutzutage mehr Geld für Haustiere als für Kinder aus“, sagte Konzernchef Gilles Andrier Bloomberg in einem Interview. Die Übernahme eines Herstellers von Tiernahrungszutaten könnte Givaudan “einen Fuß in die Tür, einen Ausgangspunkt“ verschaffen, so Andrier. Allerdings könne es schwierig sein, in einem hart umkämpften Markt die richtigen Übernahmeziele zu finden. So oder so, läuft es bei dem in Zürich börsennotierten 40 Milliarden Franken schweren Konzern tierisch gut. Er konnte die Gewinne des Swiss Market Index im vergangenen Jahr mit einem 50%-Zuwachs deutlich übertrumpfen und auch an Optimismus hinsichtlich des Umsatzwachstums mangelt es nicht.
Entspannung bei Immobilien
An den Immobilienmärkten verdichten sich die Anzeichen für eine Stabilisierung oder gar Erholung. So haben die vier großen Landesbanken in Deutschland im ersten Halbjahr mit 300 Millionen Euro rund ein Viertel weniger Risikovorsorge für Gewerbeimmobilien gebildet als noch im Vorjahreszeitraum, wie eine Bloomberg-Analyse zeigt. Bereits vor einigen Wochen berichtete der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP), in dem die wichtigsten Immobilienfinanzierer vertreten sind, dass die Preise für deutsche Büroimmobilien im zweiten Quartal um 0,3% geklettert sind, im Vergleich zu den ersten drei Monaten. Es war der erste Anstieg auf Quartalssicht seit dem Höhepunkt des Marktes vor rund zwei Jahren. Werden auch Wohnimmobilien in die Betrachtungen einbezogen, dann haben die VDP-Banken im zweiten Quartal auch deutlich mehr Immobilienkredite vergeben und mit ihren Darlehenszusagen fast ein Zweijahreshoch erreicht. Die verschiedenen Anzeichen für eine mögliche Trendwende folgen auf zwei Jahre, in denen die Immobilienmärkte aufgrund stark gestiegener Zinsen unter Druck standen.
Kommunikationsverbot
Elon Musks Kurznachrichten-Plattform X ist in Brasilien auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs abgeschaltet worden, nachdem sich das Unternehmen geweigert hatte, einen Rechtsvertreter für das Land zu benennen. Wer sich mit Hilfe eines VPN-Netzwerks Zugang verschafft, sollte zunächst sogar mit 9000 Dollar Geldbuße pro Nutzungstag bestraft werden können. Später verzichtete Richter Alexandre de Moraes darauf jedoch. Musk hatte Anfang des Monats das X-Büro in Brasilien geschlossen - aus Protest gegen die Anordnung, bestimmte Konten wegen angeblicher Fehlinformationen zu löschen. Er geißelte den Blackout am Samstag mit den Worten, de Moraes verfüge über die “oberste exekutive, judikative und legislative Macht”, sei also ein “Diktator”. Hedgefonds-Milliardär Bill Ackman erklärte, das Urteil gegen X werde Investoren aus Brasilien vertreiben und dem Land schaden. In Südkorea indessen hat die Polizei Ermittlungen gegen Telegram aufgenommen. Hintergrund sei Ignoranz gegenüber Sexualdelikten in Verbidnung mit Deepfakes, berichtet Yonhap News.
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