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So stark steigen die Gebühren bei Banken und Sparkassen

Immer mehr Banken und Sparkassen erhöhen ihre Gebühren für Privatkunden. Der Trend dürfte sich noch verschärfen – und günstigen Onlinebanken helfen.

400 von 1300 befragten Banken haben 2019 die Preise für Girokonten erhöht. Foto: dpa
400 von 1300 befragten Banken haben 2019 die Preise für Girokonten erhöht. Foto: dpa

„Die Klage ist des Kaufmanns Gruß“, lautet ein altes Sprichwort aus der Wirtschaftswelt. Spätestens seit der jüngsten Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) erweisen sich deutsche Banker in dieser Hinsicht als hervorragende Kaufleute.

Bei ihrer Sitzung im September erhöhten die Währungshüter die Strafzinsen für Bankeneinlagen von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent. Zwar entlastet die EZB die Geldhäuser gleichzeitig durch die Einführung von Freibeträgen. Das ändert aber nichts an der Banker-Wut über die Zementierung der paradoxen Minuszinswelt. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing fürchtet sogar, dass die ultralockere Geldpolitik auf Dauer das Finanzsystem ruinieren könnte.

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Seit sich abzeichnet, dass EZB-Präsident Mario Draghi und Kollegen die Geldpolitik nicht wie erhofft normalisieren, sondern die Zinsen weiter ins Negative drücken, drohen die Banken damit, die Milliardenlasten auf breiter Front an die Privatkunden weiterzureichen.

Bei Drohungen ist es nicht geblieben: Eine Umfrage des Verbraucherportals Biallo unter 1300 Geldhäusern kommt zu dem Schluss, dass gut 400 davon ihre Preise für Girokonten in diesem Jahr erhöht haben. Das waren 128 von knapp 400 auskunftswilligen Sparkassen und 264 von gut 900 Volks- und Raiffeisenbanken. Der Rest entfiel auf Sparda-, PSD- und Direktbanken sowie auf Privatbanken mit Filialen vor Ort.

Im Schnitt steigerten die Institute die Monatspreise für Online-, Basis- und klassische Filialkonten um rund 30 Prozent. Weniger stark, um rund 20 Prozent, kletterten die Preise der Premiumkonten. Darunter versteht Biallo Privatkonten zu einem Monatspauschalpreis zwischen zehn und 30 Euro, mit dem alle Dienstleistungen rund um das Girokonto plus Bank- und Kreditkarte abgedeckt sind.

Über die Pauschalen hinaus erhöhten viele Banken die Einzelpreise für Giro- und Kreditkarten oder führten neue Gebühren ein für Dienste, die 2018 noch kostenlos waren. Dies betrifft zum Beispiel die Bargeldein- und -auszahlung. „Wir rechnen mit weiteren kräftigen Preisanpassungen in den nächsten Wochen und Monaten“, warnt Horst Biallo, Gründer des Vergleichsportals. „Damit versuchen die Geldhäuser, zurückgehende Erträge aufgrund der niedrigen Zinsen auszugleichen.“

Trend zu höheren Gebühren

Peter Barkow, Gründer des Analysehauses Barkow Consulting, kann den Trend zu höheren Gebühren bestätigen. Sein Team wertet regelmäßig die Provisionserträge der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken aus, die vor allem aus den eingenommenen Gebühren resultieren.

Wie Barkows Zahlen zeigen, haben deutsche Sparkassen und Volksbanken in den vergangenen sechs Jahren die Gebühren deutlich angehoben. Sanken die Provisionserträge in manchen früheren Jahren, so sind sie seit 2013 kontinuierlich gestiegen. 2017 ging es mit 8,7 Prozent am stärksten nach oben, aber auch 2018 stand ein Plus von 4,6 Prozent.

„Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Die Institute werden weiter an der Preisschraube drehen“, erklärt Barkow. Ein Grund: „Das langjährige Geschäftsmodell vieler deutscher Banken, die Fristentransformation, funktioniert in Zeiten von Nullzinsen und absehbar flacher Zinskurve nicht mehr.“

Unter „Fristentransformation“ versteht man das Vorgehen von Banken, kurzfristig angenommene Kundengelder in langfristig ausgereichte Kredite oder Wertpapiere umzuwandeln. Die Differenz zwischen ausgereichten Spar- und eingenommenen Kreditzinsen kann die Bank als Einnahme verbuchen.

Besonders die durch die EZB-Anleihekäufe niedrigen langfristigen Zinsen erschweren das klassische Geschäft jedoch. Zudem müssen die Geldhäuser nun auch auf ihre Einlagen bei der Notenbank Strafzinsen bezahlen. Institute mit vielen Sparern als Kunden, zuvorderst Sparkassen und Volksbanken, leiden besonders.

Neben Gebührenerhöhungen verfügen Bankchefs noch über ein weiteres Mittel, um sich die Milliarden, die sie an Strafzinsen an die EZB bezahlen müssen, von den Kunden zurückzuholen: das Drehen an der Zinsschraube. Nullzinsen sind laut einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox bereits weitverbreitet: Im September wiesen demnach mindestens 441 Banken für eine Anlagesumme von 10.000 Euro einen Zins von 0,00 Prozent aus – ein historischer Höchststand.

Nun macht ein neues Schreckgespenst die Runde: Minuszinsen für Sparer. Um ihre Einführung auf breiter Front ist eine hitzige Diskussion entbrannt. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte sogar ein gesetzliches Verbot. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will zumindest prüfen lassen, ob ein solcher Schritt juristisch möglich ist. Er rät den Banken, freiwillig auf flächendeckende Minuszinsen zu verzichten. Doch hält sich längst nicht jede Bank an diese ministeriale Empfehlung.

Andere Institute könnten Berliner Volksbank folgen

So fordert die Berliner Volksbank seit diesem Monat einen Strafzins auf Privatkundeneinlagen. Er liegt bei minus 0,5 Prozent und gilt nicht nur für sehr Vermögende, sondern bereits ab 100.000 Euro. Andere Institute könnten folgen.

James von Moltke, Finanzchef der Deutschen Bank, hat bereits klargemacht, dass sein Institut robuster auftreten muss, wenn es darum geht, die Folgen der Negativzinsen mit den Kunden zu teilen.

Auch die Commerzbank will die Diskussion mit vermögenden Privatkunden suchen. Dabei gehe es um Einlagen ab einem Wert von mehreren 100.000 Euro, erläuterte Privatkundenchef Michael Mandel im Interview mit dem Handelsblatt.

Die Stadtsparkasse München lässt Kunden, die ein Giro- oder Tagesgeldkonto eröffnen, seit Kurzem eine Regelung unterschreiben, die künftige Negativzinsen erlaubt. Diese sollen ab Einlagen von 100.000 Euro pro Person greifen – auch dann, wenn der Betrag gestückelt und auf mehrere Konten verteilt wird. Für Ehepaare gilt eine Freigrenze von 200.000 Euro.

Biallo hat 1200 Banken aus seiner Datenbank befragt, wie sie es mit Minuszinsen für Privatkunden halten. Lediglich 200 Institute antworteten. Davon kassieren 33 ein Verwahrentgelt, wobei die meisten Freibeträge einräumen, ähnlich der 100.000-Euro-Grenze bei der Stadtsparkasse München.

Biallo geht davon aus, dass die Banken am Ende eher zu höheren Girokontogebühren greifen als zu Minuszinsen für alle Privatkunden, um die Erträge aufzustocken. „Die Geldhäuser kalkulieren damit, dass viele Kunden noch immer davor zurückschrecken, ihr Girokonto zu einer anderen Bank zu verlagern“, sagt er. Deutlich weniger Probleme sähen Kunden darin, ihre Spargelder zu transferieren.

Auch Barkow rechnet damit, dass die Minuszinsen für Privatkunden nur in ausgewählten Fällen ausgeweitet werden. „An der Zinsschraube wird künftig wohl weiter gedreht, die Vermögensfreigrenzen werden sinken“, sagt er. Aber da diese Strafzinsen besonders unpopulär seien, dürften die Institute vor allem auf neue Gebührenerhöhungen setzen. Diese Strategie bleibe freilich nicht ohne Folgen.


Die Suche nach dem dritten Weg

„Kurzfristig ist der Schritt verständlich. Langfristig befürchte ich aber, dass sich die klassischen Banken damit ihr eigenes Grab schaufeln“, warnt Barkow. Noch hätten Sparkassen und Volksbanken eine ältere Kundenklientel, die auch in schlechten Zeiten treu bleibe. Für viele jüngere Kunden gelte das nicht mehr.

„Digitalaffine Kunden sind preissensibler und eher bereit zu wechseln. Mit Gebührenerhöhungen treiben die Institute ihre jungen Kunden in die Arme von Online- und Digitalbanken“, darunter bekannte Namen wie Comdirect und ING, aber auch neue Wettbewerber wie N26.

Angesichts der Nebenwirkungen von Minuszinsen und Gebührenerhöhungen fahnden viele Beobachter nach einem dritten Weg für Deutschlands Geldhäuser, um wieder auf einen grünen Ertragszweig zu kommen.

Barkow erwartet, dass der Konsolidierungs- und Spardruck weiter zunimmt. So könnten die Institute Mitarbeiter abbauen, Filialen schließen und weitere Fusionen anpeilen. Im Sparkassenlager kam es 2019 nur noch zu sechs Zusammenschlüssen. Bald könnte die Zahl der eigenständigen Institute wieder schneller sinken.

Kostenkürzungen allein seien aber noch keine tragfähige Zukunftsstrategie, mahnt Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität: „Die Banken müssen ihre Geschäftsmodelle grundsätzlich auf den Prüfstand stellen und neue Ertragsquellen erschließen.“

„Cross-Selling“ wird wichtiger

Immer wichtiger werde der Verkauf weiterer Produkte und Dienstleistungen neben der klassischen Kombination aus Giro- und Sparkonto, mit der Banken nichts mehr verdienten. Brühl nennt das den „Multi-Product-Ansatz“, Banker sprechen gerne von „Cross-Selling“.

Dahinter verbirgt sich der Plan, das Provisionsgeschäft noch sehr viel stärker auszubauen – etwa durch den Verkauf von Baufinanzierungen, Auto- und Konsumentenkrediten, den Vertrieb komplexer Spar- und Brokerage-Produkte und auch von Versicherungen. So bietet die Commerzbank in vielen Filialen Allianz-Versicherungen an, die ING arbeitet neuerdings mit der französischen Axa-Versicherung zusammen. „Neu ist die Idee nicht. Aber wenn die Banken jetzt nicht ihr Geschäftsmodell erweitern, dann wandert eine Ertragsquelle nach der anderen zu neuen digitalen Plattformen“, warnt Brühl.

Manche Banken haben bereits einen Fuß in der Tür. Beispiel Immobilien: Hier werden heute viele Verträge über Plattformen wie Check24 oder Interhyp abgeschlossen – Letztere gehört zur ING-Bank.

Beispiel Kreditgeschäft mit kleinen Unternehmenskunden: Hier könnte der Marktanteil digitaler Plattformen laut einer Studie von Barkow Consulting und der Berliner Solarisbank von 1,9 Prozent im Jahr 2018 auf 7,1 Prozent 2023 steigen.

Eigentümer der bekanntesten deutschen Plattform, Lendico, ist seit 2018 ebenfalls die ING. Und die Direktbank DKB, Tochter der BayernLB aus dem Sparkassenlager, will immerhin verstärkt ins Geschäft mit Aktienfondssparplänen einsteigen.

Klar ist: Angesichts des scharfen Wettbewerbs am Finanzplatz Deutschland müssen Bankkunden wohl auch in Zukunft nicht auf kostenlose Girokonten verzichten. Die ING zum Beispiel will an einem gebührenfreien Einstiegskonto festhalten und kann sich höchstens vorstellen, die Zahl der Umsonstabhebungen pro Monat zu reduzieren.

Gebührenerhöhungen nur ein kurzfristiger Trend?

Biallo zählt trotz der Welle von Gebührenerhöhungen weiterhin bundesweit 40 bedingungsfreie kostenlose Girokonten. Bei ihnen sind Girocard und Überweisungen umsonst, und es wird keine monatliche Grundgebühr in Rechnung gestellt wird. Zudem verzichten 79 Institute auf die Kontoführungsgebühr, wenn ein monatlicher Geldeingang von 800 Euro und mehr gesichert ist.

Für Barkow ist ohnehin klar, dass es sich bei den aktuellen, für betroffene Kunden schmerzlichen Gebührenerhöhungen nur um einen kurzfristigen Trend handelt, angeheizt durch die EZB-Geldpolitik. „Die Erfahrung zeigt, dass die Gebühren auf lange Sicht in allen Bereichen des Bankgeschäfts fallen“, meint der Analyst. Dafür würden allein schon die harte Konkurrenz auf dem deutschen Markt sowie der technische Fortschritt sorgen.

Dass Deutschlands Sparkassenchefs und Topbanker mit ihren Zukunftssorgen nicht allein dastehen, zeigt ein Blick in die USA. Diese gelten zwar als hochprofitabler Finanzstandort, der langfristige Druck auf die Gebühren schlägt jedoch auch in Amerika durch.

So hat gerade der weltgrößte Broker Charles Schwab einen radikalen Umbau seines Gebührenmodells verkündet: Das Finanzunternehmen will die Provisionen für den Handel mit allen US-Aktien und börsengehandelten Fonds abschaffen.

Die Meldung glich einer Hiobsbotschaft für die Branche. Die Aktienkurse der großen US-Broker brachen um bis zu ein Viertel ein.