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Warum hält Scholz an einer Aktiensteuer fest?

Die Finanztransaktionssteuer hat viele Nachteile – auch andere europäische Länder machten schon negative Erfahrungen. Doch Scholz hält daran fest. Dabei ist eine neue Strafsteuer das letzte, was Sparer jetzt brauchen.

 Foto: dpa
Foto: dpa

Die SPD will noch vor der Sommerpause ihren Entwurf der Grundrente durch den Bundestag bringen. Neben vielen Ungereimtheiten im Konzept selbst und der Frage nach dem Zeitpunkt einer Rentenerhöhung angesichts der ökonomischen Folgen der Coronakrise gerade für die Jüngeren steht auch die Lösung der Finanzierungsfrage noch aus.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat sich schon früh dafür entschieden, die für die Grundrente benötigten Mittel mit Hilfe einer Finanztransaktionssteuer zu finanzieren. Dies ist ein alter Traum vieler linker Theoretiker und Politiker, der in verschiedenen Ausprägungen existiert; die unter Ökonomen bekannteste Variante stammt von James Tobin. Meist geht es um die Eindämmung von Spekulationen.

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Die Pläne des Finanzministers sehen konkret vor, dass nur Aktienkäufe von Unternehmen mit einem Börsenwert von über einer Milliarde Euro mit mindestens 0,2 Prozent des Kaufwertes besteuert werden, Verkäufe sollen wohl steuerfrei bleiben. Hochspekulative Derivate bleiben interessanterweise von der Steuer ausgenommen – das ist etwa so, als ob eine Alkoholsteuer nicht für Schnaps, aber für Softdrinks erhoben würde. Inwieweit Käufe von Pensionsfonds, die vermutlich einen hohen Anteil an Sparguthaben von Kleinsparern ausmachen, einbezogen werden, ist noch unklar. Es ist auch noch nicht entschieden, ob die europäischen Länder Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien, die sich wohl daran beteiligen wollen, es wirklich tun beziehungsweise wie sie es tun. Von einer europäischen Lösung ist Scholz weit entfernt, obwohl es bereits eine Europäische Richtlinie (EUFIN 427/2019) dazu gibt.

Für diese Zurückhaltung gibt es gute Gründe, denn die Argumente für und gegen eine solche Steuer sind sehr ungleichgewichtig. Für eine solche Steuer sprechen zwei Aspekte: Erstens gibt es die theoretische Chance, diejenigen Spekulanten abzuschrecken, die nicht an der Finanzierung realwirtschaftlicher Aktivitäten interessiert sind. Damit dies gelingt, müssten die Steuern aber die hochspekulativen Anlagen wie Derivate treffen, die der Finanzminister gerade ausschließt. Zweitens können Steuereinnahmen generiert werden, die dann für sinnvolle Ausgaben genutzt werden können. Dafür dürfte der Umsatz auf den Finanzmärkten von der Steuer aber nicht abgeschreckt werden.

Diesen beiden – eher theoretischen – Vorteilen stehen etliche Nachteile gegenüber. Es gibt immer Ausweichreaktionen, selbst dann, wenn die Steuer tatsächlich auf kurzfristige und spekulative Anlagen zielt. Dann werden die Akteure zum Beispiel mit nominell langfristigen Anlagen spekulieren und so die Volatilität auf diesem Markt erhöhen – zum Nachteil anderer Anleger. Aber der Finanzminister macht sich noch nicht einmal die Mühe, die Spekulanten zu treffen. Seine Zielgruppe sind Aktionäre – und das in einem Land, das nach wie vor als eines mit unterausgeprägter Aktienkultur gilt. Man kann davon ausgehen, dass noch weniger Bürger Aktien erwerben werden, wenn sie auf der Abrechnung eines Aktienkaufs eine neue Steuer vorfinden.


Warum die Traglast auf Kunden abgewälzt wird

Natürlich argumentiert der Finanzminister anders; und erst einmal könnte man ja glauben, die Steuer werde von der jeweiligen Börse oder den betroffenen Unternehmen getragen. Dies ist aber nicht der Fall, denn selbst wenn sie die Steuer abführen, werden sie alles versuchen, die Traglast auf die Kunden, das heißt die Aktionäre abzuwälzen. Außerdem sind die Unternehmen ja das Eigentum ihrer Aktionäre, die somit auf jeden Fall getroffen werden.

Zweitens werden Großanleger ins Ausland ausweichen und ihre Geschäfte in London, Singapur oder New York tätigen. Ihr Kapital wird wahrscheinlich deutschen Boden kaum betreten. Es ist nicht zu erwarten, dass die Börsen im Ausland sich diesen Umsatz entgehen lassen werden. Die USA, Singapur oder Großbritannien werden wenig Neigung haben, hier ein Abkommen mit dem deutschen Finanzminister zu treffen.

Damit trifft die Aktiensteuer vor allem diejenigen, die nur selten Aktien kaufen, also eigentlich davon überzeugt werden sollten, sich am Produktivkapital in Deutschland zu beteiligen. Das könnte ihre Kapitaleinkommen erhöhen und damit ihre Altersvorsorge sicherer machen. Angesichts einer dauerhaft zu erwartenden negativen Realverzinsung bei risikolosen Anlagen (Festgeld, Staatsanleihen etc.) wäre das sehr zu begrüßen.

Gerade für diese Gruppe der Kleinanleger werden Aktien als Anlageform noch unattraktiver. Hinzu kommt, dass aus dem scheinbar geringen Steuersatz schnell erhebliche Belastungen werden können, wenn das Aktienportfolio regelmäßig umgeschichtet wird. Nebenbei bemerkt: Falls die SPD sich fragt, wo ihre Wähler bleiben, sollte sie unter Umständen in dieser Gruppe einmal nachforschen. Allerdings vermittelt die Sturheit des Finanzministers den Eindruck, als ob die SPD sich diese Frage nicht stellt.

Als Konsequenz aus dem bisher Gesagten muss auch die fiskalische Ergiebigkeit der Steuer hinterfragt werden. Ausweichreaktionen und ausbleibende Käufe sorgen für weniger Umsatz und geringere Steuereinnahmen. Entsprechend sind die prognostizierten Einnahmen auch erheblich gesunken, je länger die Steuer diskutiert wurde.

Bislang hat es dann auch noch keine Umsetzung gegeben, die die wesentlichen Ziele – Eindämmung von schädlicher Spekulation und Generierung von hohen Steuereinnahmen – erreicht hätte. Ganz im Gegenteil: Die praktische Umsetzung scheitert regelmäßig, so zum Beispiel in Schweden, wo Mitte der Achtzigerjahre zunächst eine Steuer auf den Erwerb von Aktien und später auch eine Steuer auf den Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren eingeführt wurde. Daraufhin fiel der Umsatz an den schwedischen Bösen – wegen Verlagerung des Handels nach London.

Die Steuereinnahmen blieben weit hinter den Hoffnungen zurück. Nach wenigen Jahren wurde die Steuer im Jahre 1992 wieder abgeschafft.

In Frankreich hat man 2012 eine Steuer auf Aktienhandel eingeführt, die ebenfalls die fiskalischen Erwartungen nicht erfüllt hat und deswegen schon einmal erhöht wurde (von 0,2 Prozent auf 0,3 Prozent des Umsatzes. Auch hier sinken die Börsenumsätze und steigt die Unzufriedenheit.

Anstatt aus diesen Fehlschlägen die richtigen Lehren zu ziehen, reitet die Sozialdemokratie weiterhin ihr ideologisches Steckenpferd, womöglich mit der Konsequenz, dass nicht das Pferd totgeritten wird, sondern der Reiter leblos zusammensackt. Es gibt viel bessere Wege, politische Maßnahmen zu finanzieren – man denke nur an das enorme Sparpotential bei Subventionen oder nicht zielgenauer Sozialpolitik. Eine neue Strafsteuer ist das letzte, was Deutschlands Sparer jetzt brauchen.

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