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„Grundgesetzänderung öffnet Büchse der Pandora“: Ökonomen gegen Aufweichung der Schuldenbremse

Ein solcher Schritt könne als Abkehr von solider Finanzpolitik verstanden werden, mahnen sie. Die Experten fordern vielmehr einen intelligenten Umgang mit den geltenden Regeln.

Der Chef der Wirtschaftsweisen fürchtet, dass eine Änderung am Grundgesetz als eine Abkehr von einer soliden Finanzpolitik wahrgenommen wird. Foto: dpa
Der Chef der Wirtschaftsweisen fürchtet, dass eine Änderung am Grundgesetz als eine Abkehr von einer soliden Finanzpolitik wahrgenommen wird. Foto: dpa

Führende Ökonomen sind gegen eine Grundgesetzänderung bei der Schuldenbremse, wie sie Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) vorgeschlagen hat. Sie plädieren allerdings für einen intelligenten Umgang mit den geltenden Regeln, um ein zu frühes Sparen während der Krise zu vermeiden.

„Der Befund ist richtig, dass der Staatshaushalt noch über das Ende der Pandemie hinaus auf Jahre stark belastet sein wird“, sagte Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Wenn der Staat bereits ab nächstem Jahr mit Steuererhöhungen und Sparprogrammen loslegen würde, um die Schuldenbremse schnell wieder einzuhalten, würde er den Aufschwung ausbremsen, so Felbermayr.

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Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, betont allerdings, dass der konkrete Vorschlag Brauns, das Grundgesetz zu ändern, in die falsche Richtung gehe: „Ich kann keine besonderen Vorteile in dieser Stabilisierungsidee erkennen, die nicht auch ohne Angriff auf die Schuldenbremse möglich wäre“, sagte er dem Handelsblatt.

Feld weist darauf hin, dass aus der einstigen Flüchtlingsreserve im Bundeshaushalt inzwischen eine Art Krisenbewältigungsfonds entstanden sei. Diese hohen Rücklagen erlaubten es, ohne Steuererhöhungen und ohne massive Ausgabenkürzungen auf die Regelgrenze der Schuldenbremse zurückzukommen. Allerdings erst dann, wenn „sich der Aufschwung nach der Coronakrise stabilisiert hat“, sagte Feld.

Braun: Klares Datum statt Aufweichung

Braun hatte in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt für eine Grundgesetzänderung plädiert und damit auch Widerspruch in seiner eigenen Partei hervorgerufen. Seine Argumentation: Für eine schnelle Erholung sei es sinnvoll, Sozialabgaben und Steuern zu stabilisieren. Die Schuldenbremse sei darum in den kommenden Jahren nicht einzuhalten.

Die Abweichungen von der Schuldenbremse sollten aber nicht durch jährliche Einzelfallentscheidungen legitimiert werden müssen. Eine Grundgesetzänderung könne ein „klares Datum für die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenregel“ vorschreiben, während viele Einzelentscheidungen „das Tor zur dauerhaften Aufweichung der Schuldenregel“ öffneten.

Ifo-Präsident Clemens Fuest widerspricht. Er ist dagegen, die Schuldenbremse für mehrere Jahre auszusetzen und einen Abbauplan für das Defizit zu vereinbaren. „Wir kennen die Wirtschaftsentwicklung der kommenden Jahre nicht“, betonte er und plädierte dafür, sich die vorhandene Flexibilität der Ausnahmeregel zu erhalten: „Die Schuldenbremse erlaubt es, jährlich darüber zu entscheiden, ob sie angesichts der besonderen Lage ausgesetzt wird.“

Das führe zu kritischer öffentlicher Debatte, lasse der Politik in schwieriger Lage aber genug Handlungsspielraum. „Es kann durchaus sein, dass 2022 noch einmal eine Ausnahme notwendig ist, aber das wissen wir heute noch nicht“, sagte Fuest.

Anders als Fuest hält jedoch Felbermayr eine Reform der Schuldenbremse für notwendig. Die Schuldenbremse habe mit Blick auf notwendige Krisenreaktionen des Staates ihre Schwächen. „Sie sollte um einen eindeutig definierten Krisenmodus ergänzt werden“, sagte er. Es habe sich gezeigt, dass in jeder Krise politisch die Aussetzung verhandelt werden müsse, sie werde damit zum Spielball. Mit vorab definierten Neuverschuldungsregeln für Krisen gebe es sowohl Berechenbarkeit als auch Spielräume, während die langfristige Stabilität der Staatsfinanzen nicht aus dem Blick gerate.

„Büchse der Pandora“

Internationale Organisationen wie IWF und OECD betonen immer wieder, dass es in der gegenwärtigen Situation gerechtfertigt sei, Schulden zu machen. "Es ist wichtig, dass der Staat fiskalische Unterstützung für die Wirtschaft jetzt nicht zu rasch zurückfährt, um den Aufschwung nach der Covid-19-Krise nicht zu gefährden", sagte die Leitern des OECD Berlin Centre, Nicola Brandt, nun.

Auch Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sprach sich dafür aus, zumindest zu diskutieren, wie der Staat Kredite sinnvoll einsetzen kann; vor allem für Investitionen. Er kritisierte die fehlenden Handlungsspielräume bei Ländern und Kommunen, die erheblich zum Investitionsstau in Deutschland beigetragen hätten.

Ohne Änderung der Schuldenbremse sei ein Deutschland-Fonds notwendig, wie ihn das IW und das gewerkschaftsnahe IMK-Institut vorgeschlagen hatten: Befüllt mit 450 Milliarden Euro sollte dieser über zehn Jahre in Infrastruktur, Bildung und grüne Technologien investieren können – neben dem Bundeshaushalt. Die existierenden Sondertöpfe, wie die Flüchtlingsrücklage, könnten darin einfließen.

Feld allerdings ist demgegenüber überzeugt, dass es ausreiche, die bestehenden Regeln intelligent anzuwenden. Neben dem klugen Einsatz von Rücklagen seien auch Änderungen bei der vorgesehenen Tilgung der Corona-Schulden möglich.

„Eine Grundgesetzänderung öffnet hingegen die Büchse der Pandora“, so Feld. Die dafür erforderlichen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat würden politisch weitere Durchlöcherungen der Schuldenbremse erzwingen, etwa eine Ausnahme für staatliche Investitionen, mit allen damit verbundenen Abgrenzungsproblemen.

Feld warnt vor dem „eindeutigen Signal nach außen“, Deutschland wende „sich von einer Rückkehr zur soliden Finanzpolitik ab“.