„Größter Steuerskandal der BRD“: Staat um 31,8 Milliarden Euro betrogen
Ein kriminelles Netzwerk soll den deutschen Staat seit 2001 um Steuern in Milliardenhöhe betrogen haben.
31,8 Milliarden Euro – das ist die Summe, um die ein Netzwerk aus Bankern, Investoren, Anwälten und Beratern den deutschen Fiskus seit 2001 betrogen haben soll. Dies berichten unter anderem „Die Zeit“ und die ARD-Sendung „Panorama“. Aufgedeckt wurde der Skandal von einer Sachbearbeiterin des Bonner Bundeszentralamts für Steuern. Ein Antrag eines Ein-Mann-Pensionsfonds ließ sie aufmerken: Innerhalb nur weniger Monate wurde mit Milliarden-Beträgen spekuliert und wurden mehrere Millionen Euro Steuern aus Deutschland zurückgefordert. Der Hartnäckigkeit dieser Dame ist es zu verdanken, dass mehr und mehr Fälle ans Licht kamen.
Jahrelang sollen Banken, Börsenmakler und Anwälte dafür gesorgt haben, dass Aktionären zu Unrecht Steuergeld zurückerstattet wurde – in manchen Fällen mehrfach. Hier wurden Tricks angewendet, die im Branchenjargon „Cum-Cum“ (Steuertricksereien) und „Cum-Ex“ (organisierte Kriminalität) heißen.
So wurde getrickst
„Cum-Cum“-Geschäfte kosteten den Staat, so die Schätzungen rund um den Skandal, 24,6 Milliarden Euro. Der Trick dabei: Eine Bank verleiht unmittelbar vor der Dividendenausschüttung ausländische Anlegeranteile, Bank und Investor teilen sich die Gewinne. Dabei machten die Akteure von Gesetzeslücken Gebrauch: Deutsche Anleger haben – im Gegensatz zu ausländischen – nämlich ein Anrecht auf eine Gutschrift von Steuern auf Dividenden. Sprich: Steuerbescheinigungen für Kapitalertragsteuern wurden mehrfach ausgestellt, obwohl diese gar nicht gezahlt wurden – lediglich die Aktien wurden zwischen den Beteiligten hin und hergeschoben.
„Cum-Ex“-Tricks sollen die deutsche Staatskasse um 7,2 Milliarden Euro erleichtert haben. Einzelne Banken und Fonds handelten Aktien im Kreis, so die Ergebnisse aus Recherchen der „Zeit“, und ließen sich immer wieder neue Steuergutschriften ausschreiben.
Cum-Ex Steuerskandal: Schaden 3x so hoch wie Etat des Familienministeriums https://t.co/u6bys6wgmI
— Michael Kellner (@MiKellner) June 7, 2017
Rund 40 deutsche Banken sollen sich an den Geschäften beteiligt haben, international waren es mehr als 100 Banken und Fonds. Darunter: Commerzbank, Deutsche Bank, HypoVereinsbank, DZ Bank, HSH Nordbank und die Landesbank Baden-Württemberg.
Die Tricks waren bereits bekannt
Laut dem „Zeit“-Bericht waren diese Tricks aber längst bekannt: Schon 1992 warnte Staatskommissar August Schäfer das erste Mal vor solchen Geschäften. Ein geheimer Bericht des hessischen Wirtschaftsministeriums wurde nie veröffentlicht.
2009 bekam das Finanzministerium einen Hinweis aus dem Cum-Ex-Umfeld, so die „Zeit“: „Ausländische Banken und Hedgefonds nehmen den deutschen Fiskus mit dessen Einverständnis systematisch aus!”, hieß es in dem Schreiben.
Bis heute beschäftigt der Betrug Politik und Justiz. Die Aufarbeitung des Skandals ist indes schwierig, da eine derartig hohe Zahl von Banken involviert war. Das Bundeszentralamt für Steuern arbeitet daran, zumindest einen Teil des Geldes zurückzubekommen.
Der Mannheimer Steuer-Experte Christoph Spengel ist überzeugt: „Es ist der größte Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik“, zitiert ihn die „Zeit“. Der Grünen-Politiker Michael Kellner wies zudem darauf hin, in welcher Relation die 31,8 Milliarden Euro stehen: Diese Summe ist dreimal so hoch wie der jährliche Etat des Familienministeriums.