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GroKo will Verfassungsschutz Zugriff auf WhatsApp-Kommunikation erlauben

Der Verfassungsschutz darf keinen Nachrichtenverkehr über Messengerdienste wie WhatsApp abfangen. Die Große Koalition will das ändern.

Union und SPD wollen dem Inlandsnachrichtendienst per Gesetz erlauben, im Kampf gegen Extremisten und Terroristen auch auf verschlüsselte Kommunikation zuzugreifen. „Um die Verfassung vor den Feinden unserer demokratischen Grundordnung zu verteidigen, muss der Verfassungsschutz selbstverständlich auch Zugriff auf moderne Kommunikationsmöglichkeiten haben“, sagte der SPD-Vize Ralf Stegner dem Handelsblatt. „Außer Frage bleibt, dass die Überwachung unter parlamentarischer Kontrolle erfolgt und im Rahmen unserer Gesetze.“

Ähnlich äußerte sich der Sicherheitsexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Patrick Sensburg (CDU). Selbstverständlich müsse der Verfassungsschutz auch WhatsApp und andere Messenger-Dienste abhören können, wenn entsprechend hohe rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. „Es darf ja schließlich nicht sein, dass Extremisten moderne Kommunikationsmittel nutzen und der Verfassungsschutz nichts mitbekommt, da er nur Telefonate abhören darf“, sagte Sensburg dem Handelsblatt. „Hier brauchen wir eine schnelle gesetzliche Regelung, damit klar ist, wann und unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsschutz mithören darf.“

Hintergrund ist die Forderung des Verfassungsschutzes, künftig auch auf verschlüsselte Chats zuzugreifen. Der Präsident der Behörde, Thomas Haldenwang, begründete dies in der „Welt am Sonntag“ damit, dass der Inlandsgeheimdienst „zunehmend Probleme“ habe, die Kommunikation von Extremisten und Terroristen zu verfolgen.

Deren Kommunikationsmöglichkeiten hätten durch das Internet „enorm zugenommen“, sagte Haldenwang. Sie kommunizierten heute über Messenger-Dienste wie WhatsApp, über Facebook oder aber auch über Chats von Online-Videospielen. „Deswegen muss das G10-Recht, das uns ja unter strengen Voraussetzungen die Überwachung von Telefongesprächen erlaubt, an die moderne Kommunikationswelt angepasst werden.“

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Haldenwang erklärt den Handlungsbedarf auch mit der aktuellen Bedrohungslage. In der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sieht er trotz ihrer militärischen Niederlage weiterhin eine Gefahr. „Beim IS kann ich keine Entwarnung geben“, sagte Haldenwang in dem Zeitungsinterview. „Wir müssen weiter jederzeit auch mit einem Anschlag in Deutschland rechnen.“ Der IS bestehe noch immer, mit Blick auf Europa „vor allem im Sinne eines virtuellen Cyber-Kalifats, das zu Anschlägen anstachelt und auch immer noch Anhänger für Anschläge steuern kann“.

Die Opposition im Bundestag lehnt erweiterte Befugnisse für den Geheimdienst jedoch ab. „Bisher kann die Große Koalition nicht erklären, wie sie einerseits die IT-Sicherheit erhöhen und andererseits durch Sicherheitslücken auf verschlüsselte Kommunikation zugreifen will“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, dem Handelsblatt. „Solange dieser Interessenkonflikt besteht, verbietet sich eine weitere Ausdehnung der Befugnisse des Verfassungsschutzes.“

Außerdem müsse sichergestellt sein, dass die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung unbescholtener Bürgerinnen und Bürger geschützt bleiben. „Pauschale Ankündigungen aus Union und SPD helfen da nicht weiter“, kritisierte der FDP-Politiker. Kritisch sieht Kuhle in diesem Zusammenhang die Zurückhaltung der Bundesjustizministerin. Es sei schade, dass Katarina Barley (SPD) zu den Plänen schweige. „Wenigstens von ihr wären Hinweise auf die Grundrechte zu erwarten gewesen.“

2240 Personen könnten jederzeit Anschlag verüben

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz ist zwar wie Haldenwang auch der Ansicht, dass die Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden angesichts der Bedrohungen durch den IS - auch durch sogenannte Rückkehrer – „enorm“ seien. Es gebe aber heute „sehr effektive Überwachungsinstrumente und Wege der Erkenntnisgewinnung, so dass bei den letzten Anschlägen in Europa nicht ein Defizit an Informationen, sondern ihre korrekte Weitergabe und Einordnung das Problem war“, sagte von Notz der „Rheinischen Post“. Dafür stehe der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz exemplarisch.

Die Zahl der Menschen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als potenziell gefährliche Radikal-Islamisten einstuft, ist laut Haldenwang im vergangenen Jahr um mehr als 300 gestiegen. „Wir rechnen in Deutschland rund 2240 Personen dem sogenannten islamistisch-terroristischen Personenpotenzial zu. Ihnen trauen wir jederzeit einen Anschlag oder die Unterstützung eines solchen zu“, sagte er. Dazu kämen noch eventuelle Rückkehrer, die nach der militärischen Niederlage des IS wieder nach Deutschland kämen.

Seit dem vergangenen Sommer stieg die Zahl aber nur noch leicht an - im August 2018 hatten die Sicherheitsbehörden bereits rund 2220 Radikal-Islamisten ausgemacht. „All diese Personen rund um die Uhr im Blick zu behalten, ist nicht möglich“, betonte Haldenwang. „Pro Person bräuchte man bis zu 40 Beamte. Wir konzentrieren uns deshalb auf die, die wir als besonders gefährlich betrachten.“

Zum „islamistisch-terroristischen Personenpotenzial“ werden die von den Polizeibehörden identifizierten sogenannten Gefährder sowie „relevante Personen“ gezählt, aber auch andere Menschen, die der Verfassungsschutz auf dem Schirm hat. Gefährdern trauen die Behörden jederzeit einen Terroranschlag zu. Als relevant wird beispielsweise eingestuft, wer im extremistischen Spektrum eine Führungsrolle hat, als Unterstützer gilt oder enge Kontakte zu Gefährdern unterhält.

Nach dem Fall der letzten syrischen IS-Bastion Baghus Ende März ist das selbst ernannte Kalifat der Extremisten zwar zerstört, trotzdem gilt die Terrormiliz noch nicht als besiegt. Hunderte, wenn nicht gar Tausende IS-Kämpfer sind in den unübersichtlichen Wüstengebieten Syriens und des Iraks untergetaucht. Vor allem über das Internet verbreiten IS-Anhänger weiterhin Propaganda. Schon seit geraumer Zeit setzen die Extremisten auf Einzeltäter, die sich im Internet selbst radikalisieren und dann zur Tat schreiten.

Sorgen bereiten dem Verfassungsschutz auch nach Deutschland zurückkehrende Kinder von IS-Anhängern, die sich mit ihren Familien im ehemaligen Herrschaftsgebiet der Terrormiliz im Irak oder in Syrien aufgehalten haben. „Wir fragen uns: Entsteht hier die neue Terroristengeneration?“, sagte Haldenwang. Dschihadisten-Kinder hätten beim IS Gewalt miterlebt und verehrten ihre gefallenen Väter als Helden. Anschlagsversuche aus vergangenen Jahren zeigten, dass Heranwachsende früh zu Attentätern werden könnten. Er plädierte für eine Gesetzesänderung, um Kinder im Einzelfall überwachen zu können.

Die Überwachung von Kindern ist indes für den Grünen-Politiker von Notz keine rechtsstaatliche Option. „Den Einsatz von verdeckten staatlichen Maßnahmen gegen Kinder kennt man eigentlich nur aus Unrechtsstaaten.“ Ziel staatlicher Maßnahmen sollten diejenigen sein, die Kinder instruierten und instrumentalisierten. „Hier müssen die Behörden entschlossen handeln.“