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Das große Zittern vor der Quote

„Wir haben eine Lösung gefunden.“ Der Satz des chinesischen Premierministers Li Keqiang im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Krönung monatelanger Arbeit. Die deutschen Autobauer hatten zusammen mit der Bundesregierung in mühevollen Verhandlungen versucht, strenge Zwangsquoten für den Absatz von Elektroautos in China abzuwenden. Beim Besuch in Berlin bestätigte der chinesische Staatsgast Anfang Juni erstmals öffentlich das Entgegenkommen der Chinesen. Li und Merkel lächelten. Die Autobauer applaudierten.

Doch die Euphorie ist auf deutscher Seite nach nur zwei Wochen verflogen. Das Büro für Gesetzgebung von Li Keqiangs Staatsrat hatte eine überarbeitete Fassung des Verordnungsentwurfes zur den Quotenregeln veröffentlicht. Doch keiner der mit Berlin abgesprochenen Kompromisse findet sich darin wieder. Das 16 Seiten lange Dokument sieht vor, dass die Autobauer schon ab dem 1. Januar 2018 einen Mindestabsatz von Elektroautos ausweisen müssen. Sonst drohen Strafen.

Dabei hatte die Bundesregierung genau das verhindern wollen. Kurz nachdem China im vergangenen September den ersten Entwurf des Vorhabens veröffentlicht hatte, schaltete sich die deutsche Seite ein. „Der jetzige Entwurf kann die gute Zusammenarbeit zwischen Berlin und Peking der vergangenen Monate untergraben“, warnte Jost Wübbeke, der beim Berliner Chinaforschungsinstitut Merics das Programm Wirtschaft und Technologie leitet. „Es ist ein schlechtes Zeichen, dass der zweite Entwurf weitgehend den strengen Regeln der ersten Version entspricht.“

Dabei hatte sich noch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) bei seinem Besuch in China vor vier Wochen auf höchster Parteiebene bestätigen lassen, dass der Deal zwischen Berlin und Peking steht. Dazu sollte die Einführung der Quote erst 2019 statt schon im kommenden Jahr gehören. Zudem sollten die Autobauer die Möglichkeit bekommen, zu niedrige Absatzzahlen später zu kompensieren und Regeln gefunden werden, um einen Technologietransfer in China zu begrenzen.

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Doch nichts davon schlägt sich im überarbeiteten Verordnungsentwurf nieder. Ganz im Gegenteil sieht der alte wie der neue Plan vor, dass Elektroautos nach acht Prozent im kommenden Jahr, in den beiden Folgejahren zehn und zwölf Prozent vom Absatz mit Pkw mit Verbrennungsmotor ausmachen sollen.

Allerdings gewährt Peking nach einem komplexen Verfahren mehr Punkte je Auto, wenn es eine höhere Reichweite und eine bessere Energieeffizienz hat. Ein Elektroauto mit einer Reichweite von mehr als 350 Kilometern kann demnach mit fünf Punkten in die Berechnung einfließen.

Trotzdem liegen die Ziele derzeit noch weit außerhalb der Reichweite der Autobauer. „Wir können uns dazu derzeit nicht äußern“, sagte ein Volkswagensprecher auf Anfrage. „Wir können einen Entwurf nicht kommentieren“, heißt es auch von einer Daimler-Sprecherin.

Mit ihrer Opposition gegen die Zwangsquoten standen die deutschen Hersteller nicht alleine da. Auch chinesische Branchenverbände versuchten, die Vorgaben zu entschärfen. Doch nun gebe es wenig Raum für Veränderungen, meinte Cui Dongshu, der Generalsekretär der Vereinigung chinesischer Personenwagenhersteller. „Wenn Peking das Vorhaben abschwächen wollte, hätten die Behörden das mit dem jüngsten Entwurf getan.“


Bis 2018 rund 700.000 E-Autos oder Hybride auf Chinas Straßen

Nach seinen Berechnungen müssten 2018 rund 700.000 E-Autos und Hybride in China verkauft werden, um das Ziel zu erfüllen. „Das ist machbar. Einige Hersteller werden profitieren, andere werden leiden. Aber die Branche als Ganzes wird die Marke erreichen“, prognostizierte Cui. Das Fachmagazin „Bitauto“ schrieb hingegen unter Berufung auf Insider, Peking könne die neuen Regeln zwar formell 2018 einführen, würde jedoch keine Strafen gegen Firmen anwenden, die hinter den Vorgaben zurückblieben.

Klar ist: Egal ob die Quote in der ursprünglichen Fassung oder in einer entschärften Variante kommt, einige Autobauer werden profitieren, andere in Schwierigkeiten geraten. „Nur wenige Firmen werden die Ziele erfüllen können“, sagte Zhong Shi, Chefredakteur des Fachmagazins „Autor“. „Die deutschen Hersteller hängen weit zurück. Sie werden chinesischen Anbietern wie BYD Punkte abkaufen müssen. Das hilft Chinas Autobauern und erhöht die Kosten für die Deutschen“, hob Zhong hervor.

Die deutschen Autohersteller treffen die Regeln an einer empfindlichen Stelle. Denn bei Elektromobilität fahren sie ihren chinesischen Konkurrenten weit hinterher. Sie hatten das Thema über Jahre unterschätzt. Doch auch die Regierung in Peking mischt sich ein. „Internationale Autofirmen bekommen meist keine oder nicht die vollen Zuschüsse“, sagte Wübbeke. Deutschlands Autobauer seien benachteiligt.

Noch ist nicht gesagt, dass der jüngste Entwurf der Verordnung tatsächlich verabschiedet wird. Der deutsche Botschafter in China, Michael Clauss, sagte der Agentur Reuters, es gebe möglicherweise ein Missverständnis zwischen der politischen Führung und den Beamten, die den Entwurf ausarbeiten. Offiziell räumt Peking bis zum 27. Juni die Möglichkeit ein, noch Änderungswünsche einzureichen. Das lässt Berlin nicht viel Zeit.