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Das große Börsen-Beben – Investoren fliehen aus dem Risiko

Seit Jahresanfang war die Welt an den Finanzmärkten zweigeteilt: Investoren zogen Geld aus europäischen Börsen und Schwellenländern ab – und investierten lieber an der Wall Street. Doch nun ist an den internationalen Börsen ein Damm gebrochen. Anleger stoßen Aktien ab, parken ihr Geld und warten auf ruhigere Zeiten. Die Folge: In den vergangenen sechs Tagen sackten die Indizes an den großen Aktienmärkten deutlich ab.

„Es gibt keinen Platz mehr, um sich zu verstecken“, bringt Patrick Moonen, Stratege beim niederländischen Asset-Manager NN Partners, die Lage auf den Punkt. „Wir sehen jetzt panikartige Zustände, nicht nur in den USA, sondern auch in Asien und Europa – es gibt einen breiten Ausverkauf“, meint auch Daniel Lösche, Investmentstratege beim britischen Asset-Manager Schroders.

Fünf Tage in Folge haben die US-Aktienmärkte verloren. Eine so lange Verlustserie gab es seit mehr als zwei Jahren nicht. Der S & P 500 und der Dow Jones gaben in dieser Zeit vier Prozent ab, beim Index der Technologiebörse Nasdaq waren es sechs Prozent.

Und auch am Donnerstag setzten die großen Indizes an der Wall Street ihre Verlustserie fort: Der Dow Jones fiel zeitweise um mehr als 650 Punkte weit unter die Marke von 25.000 Punkten. Allein in den vergangenen beiden Tagen summierte sich das Minus im wichtigsten US-Leitindex damit auf 1400 Zähler. Beim Stand von 25.052 Punkten beendete das Barometer den Handelstag am Donnerstag 2,13 Prozent tiefer.

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Der breiter gefasste S & P-500 sank rund zwei Prozent auf 2728 Zähler. Der Nasdaq-Composite, der am Mittwoch rund vier Prozent nachgegeben hatte, verringerte sich um 1,2 Prozent auf 7329 Punkte.

Auch der Dax hat in sechs Handelstagen fast fünf Prozent eingebüßt und fiel zwischenzeitlich bis auf 11.518 Punkte – den niedrigsten Stand seit Anfang 2017. Auch in Asien gaben die Märkte heftig nach, und die ohnehin schon gebeutelten Aktien der Schwellenländer rutschten weiter ab.

Die Reaktion der Märkte zeigt, wie nervös die Investoren sind. Schon lange misstrauen sie dem Wirtschaftsaufschwung, der von den weltweit niedrigen Zinsen angefacht wurde. US-Aktien hielten Investoren aber bislang die Treue. Gerade US-Anleger zogen ihr Geld aus den europäischen Märkten und den Schwellenländern ab und investierten es in der Heimat. Doch jetzt wendet sich das Blatt. Droht ein von den USA ausgelöster weltweiter Abschwung an den Börsen?

Die Gefahr ist zumindest gegeben und hätte gravierende Folgen: „Mit fallenden Aktienkursen kann die Stimmung in der Wirtschaft schlechter werden“, warnt Bernd Meyer, Chefanlagestratege bei der Privatbank Berenberg. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in dieser Woche vor allem wegen des von Trump angezettelten Handelsstreits seine Prognosen für die Weltwirtschaft gesenkt und betont, dass Investoren die Risiken an den Aktienmärkten unterschätzen – vor allem in den USA.

Das sieht auch Paul Donovan, Chefvolkswirt bei UBS Global Wealth Management, so: „Endlich berücksichtigen die US-Aktienmärkte die Kosten der Handelszölle.“ Etwa die Hälfte der Gewinne würden die Unternehmen im S & P 500 außerhalb der USA erwirtschaften. Die US-Wirtschaft insgesamt sei weniger vom Außenhandel abhängig, aber: „Die Aktienmärkte sind in Gefahr.“

Das Ende des billigen Geldes ist da

Das gilt umso mehr, weil sich die Politik des billigen Geldes in den Vereinigten Staaten dem Ende zuneigt. Die US-Notenbank (Fed) hat unter ihrem neuen Chef Jerome Powell einen strammen Kurs von Zinserhöhungen im Takt von einem viertel Prozentpunkt pro Quartal auf eine Spanne zwischen 2,00 und 2,25 Prozent eingeschlagen.

Zuletzt hatte Powell sogar angedeutet, dass die Fed den Leitzins über das neutrale Niveau, das die Wirtschaft weder stützt noch bremst, anheben könnte. Dass US-Präsident Donald Trump die Fed am Mittwoch bei einer Wahlveranstaltung als „verrückt“ bezeichnete, erschwert es ihr sogar, von ihrem Kurs abzuweichen, weil Powell auf keinen Fall seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen darf.

Etwas Erleichterung verschafften der Fed am Donnerstag immerhin die Inflationsdaten. Die US-Teuerung stieg im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,3 Prozent und damit weniger als erwartet. Grund, am geldpolitischen Kurs der Fed zu zweifeln, liefern die Daten jedoch nicht, die US-Notenbank erwartete ohnehin keinen massiven Inflationsanstieg. Ohne die Daten wäre der Kursverfall an der Wall Street aber wohl auch am Donnerstag noch größer gewesen.

Die Erwartung noch höherer Zinsen spiegelt sich schon jetzt an den Anleihemärkten wider. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen ist auf über 3,2 Prozent und damit den höchsten Stand seit mehr als sieben Jahren gestiegen. Allein in diesem Monat stieg die Rendite um fast 0,2 Prozentpunkte – das ist viel für Anleihen. Für Moonen von der ING ist der Renditeanstieg der US-Bonds der Haupttreiber für den Absturz der Aktienmärkte.

Das ergibt auch für Felix Herrmann vom Vermögensverwalter Blackrock Sinn. Für den Kapitalmarktstrategen ist der Renditeanstieg einer der Gründe für den besonders heftigen Absturz der Technologieaktien an der Wall Street. Aktien von Netflix und Adobe zum Beispiel brachen in den vergangenen Tagen um rund zehn Prozent ein.

Das doppelte Leid der Tech-Aktien

„Technologieaktien leiden doppelt – unter Gewinnmitnahmen und der Erwartung steigender US-Zinsen“, sagt Herrmann. Technologieaktien sind typische Wachstumswerte, deren Kurse vor allem durch die erwarteten künftigen Erträge getrieben werden. Bei höheren Kapitalmarktzinsen fallen diese Gewinne der Zukunft niedriger aus.

Dazu kommt, dass sich in den vergangenen Jahren nichts so gut entwickelt hat wie Technologieaktien. „Die meisten Investoren waren in Technologieaktien übergewichtet, jetzt könnte sich der Trend umkehren und eine Kettenreaktion in die andere Richtung auslösen“, meint Lösche von Schroders. Das gilt nicht nur für Technologieaktien, sondern generell für den so deutlich gestiegenen US-Markt, der mit Blick auf die erwarteten Gewinne hoch bewertet ist. Das bedeutet: „Es gibt keinen Puffer von der Bewertungsseite.“

Das ist schlecht, denn höhere Zinsen zehren an den Margen der Unternehmen. Das trifft besonders hochverschuldete Unternehmen. Wie sehr die Nervosität hier gestiegen ist, zeigt ein Blick auf den Markt für Anleihen von US-Firmen mit schwachen Bilanzen und niedriger Kreditwürdigkeit. Dort verlangen Investoren eine Verzinsung von bereits mehr als sechs Prozent, wenn sie den Unternehmen Geld leihen.

In Europa sind höhere Zinsen für Unternehmen angesichts der immer noch sehr offensiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank noch nicht das Problem. Dafür belasten der Handelsstreit die stärker auf den Export ausgerichteten Unternehmen noch mehr, und es gibt hausgemachte politische Probleme wie den anstehenden Brexit und das Gezerre um den ausufernden italienischen Staatshaushalt.

Die Aktien von italienischen Banken sind unter die Räder gekommen, weil die Geldhäuser vollgesogen sind mit italienischen Staatsanleihen. Dazu stürzten die Aktien griechischer Banken ab, in deren Bilanzen sich die notleidenden Kredite ballen.

Unternehmen verfehlen reihenweise Erwartungen

Noch mehr Sorgen machen Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck, aber ganz generell die Gewinnerwartungen der Analysten, speziell auch für deutsche Unternehmen. „Zahlreiche konjunkturelle Frühindikatoren haben sich zuletzt etwas abgeschwächt“, meint Greil. Dabei haben in den vergangenen Wochen schon viele Unternehmen die Erwartungen der Investoren verfehlt oder Gewinnwarnungen abgegeben – und wurden dafür heftig abgestraft.

Beispiele dafür sind aus dem Dax Daimler, Ceconomy oder Continental. Spektakulär sind ebenfalls die Ausschläge des Dax-Neulings Wirecard. „Das ist ein Zeichen dafür, dass die Investoren hierzulande zunehmend nervös werden“, sagt Greil.

Mit der gerade angelaufenen Berichterstattung über das dritte Quartal könnte „ein stürmischer Herbst“ bevorstehen, meint Meyer von Berenberg. Er hält noch an einer Übergewichtung von Aktien fest, hat aber die Cash-Quoten deutlich erhöht. Damit ist er wohl nicht allein. „Viele Investoren parken das Geld an der Seitenlinie und warten auf einen günstigen Wiedereinstiegszeitpunkt“, beobachtet Herrmann von Blackrock.

Doch bis es so weit ist, könnte es noch dauern. „Der Markt ist verwundbar, die Schwankungen dürften hoch bleiben“, sagt Lösche von Schroders. „Jetzt ist der Zeitpunkt, um sich defensiver aufzustellen.“

Schroders baut daher in seinen gemischten Portfolios die Aktienquote ab – bis die Panik vorbei ist.