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Kurze Atempause für Tsipras

Euro-Krise - Kurze Atempause für Tsipras

Das hochverschuldete Griechenland bekommt Anfang nächster Woche 7,5 Milliarden Euro frische Hilfsgelder und ist damit über den Sommer hinweg finanziert. Das Aufsichtsgremium des Euro-Rettungsschirms ESM habe den Weg für die Auszahlung freigemacht, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici am Donnerstag in Luxemburg. „Das wird Sauerstoff in die griechische Wirtschaft bringen.“ Vorangegangen war ein monatelanges Tauziehen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern. Athen braucht die Milliarden dringend.

Der ESM soll am heutigen Freitag formal über die Bewilligung der 7,5 Milliarden Euro entscheiden. Das Geld könnte schon am Montag bereitstehen.

Freilich gewinnt die Regierung von Ministerpräsident damit nur eine kurze Atempause. Griechenland muss in den nächsten Monaten weitere Vorgaben der Geldgeber umsetzen – darunter eine Arbeitsmarktreform. Frankreich lässt grüßen: Der Regierung von Premierminister Alexis Tsipras könnte ein heißer Herbst bevorstehen.

Im Eilverfahren hat das griechische Parlament in den vergangenen Wochen zwei Spar- und Reformpakete gebilligt. Vergangene Woche brachte die Regierung dann auch noch die Privatisierung des früheren Athener Flughafens Ellinikon in trockene Tücher. Das war eine der letzten noch offenen Bedingungen für den erfolgreichen Abschluss der seit vergangenem Herbst laufenden Prüfung und die Auszahlung der nächsten Kredite.

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Die Gelder, über deren Freigabe der ESM am Freitag entscheiden soll, sind der erste Teil einer bereits im Mai grundsätzlich vereinbarten Rate von 10,3 Milliarden Euro. 5,1 Milliarden bekommt Griechenland jetzt ausgezahlt, um fällige Anleihen und Kredite zurückzuzahlen. Diese Gelder fließen größtenteils an die Europäische Zentralbank und nationale Notenbanken. Sie erwarten im Juli 2,3 Milliarden Euro für die Tilgung fälliger griechischer Staatsanleihen. Dazu kommen Zinsen von rund 900 Millionen. Außerdem muss Athen im Juli 458 Millionen Euro für die Tilgung älterer Darlehen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) überweisen.

Hilfskredite von weiteren 2,4 Milliarden sollen bis August in drei monatlichen Raten überwiesen werden, damit der Staat offene Rechnungen bei Dienstleistern und Lieferanten begleichen kann, vor allem im Gesundheitswesen. Lediglich diese Gelder werden also in die griechische Wirtschaft fließen.

Dafür müssen allerdings die Griechen, die im Laufe der siebenjährigen Krise bereits im Durchschnitt ein Drittel ihrer Einkommen eingebüßt haben, erst einmal bezahlen, nämlich mit Steuererhöhungen, Rentenkürzungen und höheren Sozialversicherungsbeiträgen, die Bedingung für die Bewilligung der Hilfskredite waren.

Und auf das Land kommen weitere Vorgaben zu. Die Wirtschaftszeitung „Imerisia“ bringt es so auf den Punkt: „Griechenland bleibt im Schraubstock“. Im Rahmen des Rettungsprogramms vom Sommer 2015, das den Griechen Hilfskredite von bis zu 86 Milliarden Euro verspricht, muss die Regierung einen Katalog von nicht weniger als 277 Spar- und Reformschritten umsetzen. Davon sind bisher erst 80 abgehakt, 197 hingegen noch unerledigt. Bereits in den nächsten drei Monaten gilt es 15 Punkte abzuarbeiten.

Dazu gehören weitere Schritte zur Privatisierung von Staatsunternehmen und zum Aufbau des neuen Privatisierungsfonds, die Öffnung des Strom- und Gasmarktes, ein neuer gesetzlicher Rahmen für die Zivilluftfahrtbehörde und die Bildung einer politisch unabhängigen Behörde für öffentliche Einnahmen – davon versprechen sich die Geldgeber Erfolge im Kampf gegen die Steuerhinterziehung, ein griechisches Dauerthema. Athen steht bei diesen Vorgaben unter Zeitdruck: Werden sie nicht rechtzeitig umgesetzt, droht der nächste Teilbetrag von 2,8 Milliarden Euro Ende Oktober zu verfallen.


Tsipras' rote Linie

Parallel zu diesen 15 Punkten muss die Regierung eine zweite Reformagenda in Angriff nehmen. Nach der Prüfung ist vor der Prüfung: im Herbst werden die Vertreter der Geldgeber zur nächsten Inspektion in Athen erwartet. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici warnte bereits, diese zweite Prüfung sei „ebenso anspruchsvoll wie die erste“, deren Abschluss sich sechs Monate länger als geplant dahinzog.

Mit der zweiten Inspektion kommt auch ein Thema auf die Tagesordnung, das für den Linkspremier politisch besonders brisant ist: Die Reform des Arbeits- und Streikrechts. Die Kreditgeber verlangen Lockerungen beim bisher in sehr strikten Kündigungsschutz und eine Einschränkung der Rechte der Gewerkschaften. Bisher können deren Vorstände nach Gutdünken Streiks ausrufen. Urabstimmungen sind in Griechenland ebenso unbekannt wie die Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes.

Die Kreditgeber argumentieren, mit der Arbeitsmarktreform werde Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit steigern. Aber bei den Arbeitnehmerorganisationen formiert sich bereits Widerstand. Insbesondere den Kündigungsschutz werde er als „rote Linie“ verteidigen, kündigt Tsipras an.

KONTEXT

Das wird teurer in Griechenland

Mehrwertsteuer

Sie wird vom 1. Juni an von 23 Prozent auf 24 Prozent erhöht. Betroffen sind fast alle Lebensmittel, etwa Mehl, Speiseöle, Schokolade, Wurst, Honig, Zwieback, Eis, Pfeffer, sogar Kaugummi. Auch die Fahrkarten der öffentlichen Verkehrsmittel sowie Schuhe und Kleidung werden teurer. Zudem wird der um 30 Prozent reduzierte Mehrwertsteuersatz für mehrere kleinere Inseln abgeschafft.

Pay-TV

Wer einen PAY-TV-Anschluss hat, muss vom 1. Juni an eine zehnprozentige Sondersteuer darauf zahlen.

Treibstoffe

Ab 1. Januar 2017 wird bleifreies Benzin um 3,7 Cent pro Liter teurer. Zehn Cent teurer wird Diesel. Um 12,4 Prozent steigt der Preis von Gas. Auch auf Heizöl wird eine neue Steuer in Höhe von 6,2 Cent pro Liter erhoben.

Telefonie und Internet

Die Rechnungen für Festnetz- und Internetanschlüsse werden mit einer Sondersteuer in Höhe von fünf Prozent belastet.

Tabak

Eine Packung Zigaretten (20 Stück) kostet ab dem 1. Januar 2017 im Durchschnitt 50 Cent mehr. Ein entsprechender Aufschlag wird auch für das Nikotingemisch von elektronischen Zigaretten erhoben.

Hotelübernachtungen

Wer in Hotels oder Pensionen übernachtet, muss von 2017 an pro Nacht je nach Kategorie zwischen 25 Cent und vier Euro zusätzliche Übernachtungspauschale zahlen.

Immobiliensteuern

Eine Sondersteuer für Immobilien wird erhöht. Wer eine Immobile besitzt, deren Wert 200.000 Euro übertrifft, soll statt bislang nichts ab 2017 50 Euro jährlich zahlen. Für einen Immobilienbesitz, dessen Wert zwischen 500.000 Euro und 600.000 Euro liegt, müssen statt bislang 1.500 ab 1. Januar 2017 dann 3.000 Euro jährlich gezahlt werden.

Privatisierung

Ein neuer Privatisierungsfonds unter Kontrolle der Gläubiger soll entstehen. Der Fonds soll zum Beispiel mehr als 70.000 staatseigene Wohnungen, Häuser, Hotels, Ski-Gebiete, Anlagen und Hallen der Olympischen Spiele von 2004, dazu Jachthäfen und Golfanlagen verkaufen. Sogar das Olympiastadion von Athen soll unter den Hammer kommen. Privatisiert werden sollen etwa auch zahlreiche Häfen und Regional-Flughäfen. Auf der Liste stehen auch die griechischen Eisenbahnen, die Busse, U-Bahnen und Stadtbahnen von Athen sowie die Wasserwerke von Athen und Thessaloniki.

Schuldenbremse

Weicht Athen von seinen Sparzielen ab, tritt überdies eine automatische Schuldenbremse ein. Möglich sind dann weitere Lohn- und Rentenkürzungen sowie Einschnitte bei den Ausgaben des Staates.