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Griechenland ist gelähmt – aber diesmal gut vorbereitet

Der fehlende Tourismus in Zeiten der Coronakrise trifft die griechische Wirtschaft schwer. Aber eine Staatspleite ist diesmal nicht zu befürchten.

Es sollte ein gutes Jahr werden. „Wir durchbrechen den Teufelskreis und machen Griechenland zu einer Erfolgsstory“, sagte Premierminister Kyriakos Mitsotakis. In seiner Neujahrsansprache versprach er den Griechen „Wachstum für alle“. Mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,8 Prozent rechnete die Regierung für dieses Jahr.

Aber die Prognose ist Makulatur. Eine Rezession ist unvermeidlich. Griechenland ist gelähmt. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen, hat die Regierung des konservativen Mitsotakis das öffentliche Leben weitgehend stillgelegt.

Früher als andere Staaten schloss Griechenland Schulen, Geschäfte und Gaststätten. Die Maßnahmen scheinen zu wirken. Noch meldet das Land relativ wenige verifizierte Infektionen. 821 waren es am Donnerstag. Aber der wirtschaftliche Preis ist hoch.

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Die Pandemie trifft Griechenland in einer heiklen Phase. Die Griechen haben gerade erst eine lange und tiefe Rezession durchgemacht. Seit den Krisenjahren nach 2011 verlor das Land mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftskraft. Der griechische Notenbankchef Yannis Stournaras sieht „erhebliche negative Auswirkungen für die Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen“.

Analysten erwarten ein Minus von zwei bis 15 Prozent. „Griechenland droht eine kurze, aber tiefe Rezession, genau wie in allen Ländern Europas“, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. „Allerdings könnte sie in Griechenland wegen der hohen Abhängigkeit vom Sommertourismus etwas schwerer ausfallen.“

Der Tourismus war in den vergangenen Jahren der Wachstumsmotor der griechischen Wirtschaft. Er trägt fast 20 Prozent zum BIP bei und sichert jeden fünften Arbeitsplatz. Einige Regionen leben fast vollständig vom Fremdenverkehr. Jetzt droht ein Desaster. Auf den Flughäfen herrscht gähnende Leere. Die Hotels sind seit Mitte März geschlossen.

Eine Rezession sei angesichts der Abhängigkeit Griechenlands vom Tourismus unausweichlich, sagt Jakob Suwalski, Griechenland-Analyst bei ScopeRatings. „Wir erwarten für Griechenland ein negatives Wachstum von minus zwei Prozent, falls sich die Shutdowns in Europa im Mai graduell lockern“, so Suwalski. „Sollte die Erholung erst im Juli beginnen, kann der wirtschaftliche Einbruch aber auch leicht zweistellig werden.“

Die Arbeitslosenquote sinkt zwar seit 2014, ist aber mit 16,3 Prozent immer noch die höchste in der EU. Sie dürfte in diesem Jahr erstmals wieder ansteigen. Geschätzt 40 000 Menschen haben in diesem Monat bereits ihre Jobs verloren.

Auch die Staatsschuldenquote, die nach bisherigen Prognosen der EU-Kommission von 175,3 Prozent des BIP im vergangenen Jahr auf 169,3 Prozent zurückgehen sollte, dürfte infolge der sinkenden Wirtschaftsleistung wieder nach oben gehen. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe, die im Februar erstmals seit der Einführung des Euros in Griechenland unter ein Prozent gefallen war, liegt jetzt bei fast 2,4 Prozent.

Bis 2023 ist das Land finanziert

Premier Mitsotakis nimmt jetzt viel Geld in die Hand, um die Folgen der Pandemie für die Wirtschaft zu lindern: Rund zehn Milliarden Euro macht er für Steuerstundungen, Staatshilfen und Lohnsubventionen locker. Zwei Drittel der Gelder kommen aus dem eigenen Haushalt, ein Drittel stammt von der EU. Unter dem Strich entspricht die Summe immerhin 5,3 Prozent des letztjährigen BIP.

Während Griechenland in den Jahren der Euro-Krise mehrmals am Rand des Staatsbankrotts stand, droht diesmal kein Zahlungsausfall. Das Land hat aktuell keinen Geldbedarf. Finanzminister Christos Staikouras sitzt auf einem Liquiditätspolster von rund 32 Milliarden Euro. Für die jetzt geplanten Konjunkturprogramme soll die Rücklage ausdrücklich nicht angegriffen werden. Damit ist das Land bis weit ins Jahr 2023 durchfinanziert.
An eine Neuauflage der griechischen Schuldenkrise glaubt der Berenberg-Chefvolkswirt nicht. „Das Land ist diesmal weit besser vorbereitet“, sagt Schmieding. „Es hat nahezu beispiellose Reformen umgesetzt, auch wenn es im Detail immer noch hapert.“ Strukturell stehe Griechenland heute weit besser da, sei es im Staatshaushalt oder in der Außenbilanz.

Noch wichtiger sei es, dass die seit Mitte 2019 amtierende konservative Regierung das Vertrauen der Märkte und ihrer europäischen Partner genieße, meint Schmieding. Auch wenn Teile der Wirtschaft nach den Schocks der Krisenjahre anfällig seien, hätten „Athen, Brüssel und Frankfurt den Willen und die Mittel, die leider unvermeidlichen Schäden einzugrenzen“.

Große Herausforderungen kommen allerdings auf die griechischen Banken zu. Die Institute kämpfen mit immensen Kreditrisiken. Rund 40 Prozent aller ausgereichten Darlehen werden nicht mehr bedient oder sind akut ausfallgefährdet. Jetzt könnte eine neue Welle fauler Kredite auf die Institute zurollen, vor allem in der Tourismusbranche.

Zwar hat sich die Liquiditätslage der Banken stark verbessert. Dennoch sei die Fähigkeit der Institute, die Wirtschaft zu unterstützen, stark eingeschränkt, meint Scope-Analyst Suwalski. „Daher gehört das griechische Bankwesen zu den von der Corona-Epidemie am meisten betroffenen Bankensystemen in Europa.“

Noch vor wenigen Wochen wäre an Ausgaben in dieser Größenordnung nicht zu denken gewesen. Finanzminister Staikouras musste jeden Euro zweimal umdrehen, wegen der strikten Sparvorgaben der Euro-Partner. Einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent des BIP sollte Athen in diesem und im kommenden Jahr erwirtschaften. Diese Auflagen sind nun vom Tisch.

Und auch ein anderer Wunsch des griechischen Finanzministers erfüllt sich: Die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt Griechenland in ihr neues Anleihekaufprogramm auf, obwohl das Land wegen seines schlechten Kreditratings eigentlich dafür nicht qualifiziert ist.

Die EZB könnte im Rahmen des Programms griechische Anleihen im Volumen von bis zu zwölf Milliarden Euro aufkaufen. Das drückt die Rendite der Papiere und verbilligt die Kreditaufnahme. Außerdem dürfte das Kaufprogramm die Liquidität der griechischen Geschäftsbanken verbessern.

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