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Greift Olaf Scholz die deutschen Spareinlagen an?

Überraschend hat Finanzminister Olaf Scholz ein Konzept für eine erweiterte Bankenunion vorgelegt. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Olaf Scholz. Foto: dpa
Olaf Scholz. Foto: dpa

Paukenschlag zur Wochenmitte: In einem Gastbeitrag für die Financial Times zeigte sich Finanzminister Olaf Scholz offen für eine Form der europäischen Einlagensicherung. Das überrascht, denn bislang war die Bundesregierung dagegen. Und auch sonst stößt der Vorschlag nicht nur auf Gegenliebe. Abgestimmt war der Vorstoß offenbar ebenfalls nicht. Trotzdem legte Scholz am Donnerstag nach: „Wir wissen, dass wir mehr Wachstum hätten, mehr Arbeitsplätze, wenn Europa so wie die Vereinigten Staaten von Amerika einen einheitlichen Bankenmarkt hätte“, sagte er vor dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel – schob jedoch nach: „Das ist aber sehr voraussetzungsreich.“

Was steckt wirklich hinter der Diskussion um die Bankenunion? Die wichtigsten Fragen im Überblick.

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Warum präsentiert Bundesfinanzminister Olaf Scholz ausgerechnet jetzt seinen Vorstoß zu einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung?
Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Einen Tag vor dem ersten Treffen der Finanzminister der Eurozone, an dem die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde teilnimmt, ging Scholz mit seinem Vorschlag an die Öffentlichkeit. Scholz sendet ein klares Signal an Lagarde, dass er kein Blockierer sein möchte. Lagardes Vorgänger, Mario Draghi, hatte die Deutschen ermahnt, nicht immer nur Nein zu sagen zur Vollendung der Bankenunion. In der EU-Kommission hatten die Verantwortlichen schon länger gehofft, dass sich Deutschland bei diesem Thema bewegen würde. Die künftige EU-Kommissarin Ursula von der Leyen hatte eine gemeinsame Einlagensicherung vor ihrer Wahl im Europäischen Parlament versprochen. Am meisten scheint Scholz mit seiner Initiative allerdings das heimische Publikum im Blick zu haben. Er hofft, seine Chancen auf den SPD-Parteivorsitz zu stärken, indem er sich als guter Europäer gibt. Dass er meint, sich über das sensible Thema Bankenregulierung profilieren zu können, ist allerdings eine erstaunliche Einschätzung.

Wie stark unterscheidet sich die Position von Scholz von der seines Vorgängers Wolfgang Schäuble?
Scholz ändert das Timing. Schäuble hatte sich strikt gegen Verhandlungen gewandt, solange nicht alle EU-Staaten die Risiken im Bankensektor abgebaut hatten. Das hat zu einer jahrelangen Blockade geführt. Scholz ist nun bereit zu verhandeln. Auf europäischer Ebene ist das taktisch geschickt. Der deutsche Finanzminister zwingt Länder wie Italien damit, konkrete Pläne vorzulegen, wie sie ihren Bankensektor sanieren wollen. In Teilen der deutschen Bevölkerung dürfte der Vorstoß dagegen vor allem Ängste wecken.

Sollen deutsche Sparer künftig für Schieflagen von Banken in Südeuropa haften?
Nein. Mit Verweis auf diese Sorge hat Deutschland alle bisherigen Bestrebungen für eine gemeinsame Einlagensicherung abgeschmettert. Scholz schlägt deshalb einen europäischen Konto-Versicherungsfonds vor. Der springt dann ein, wenn die nationalen Sicherungssysteme erschöpft sind, indem er ihnen Mittel vorübergehend per Kredit zur Verfügung stellt. Zudem soll die Unterstützung der Höhe nach gedeckelt sein. Die gemeinsame Sicherung soll vor allem Nachteile für Banken in kleineren Ländern beseitigen, deren Sicherungssysteme als weniger leistungsfähig gelten. Damit das Konzept funktioniert, müssten die nationalen Einlagensicherungen allerdings weitgehend harmonisiert werden. Und es ist fraglich, ob Scholz sein Konzept bei Verhandlungen durchsetzen kann. Denn er fordert von diesen gleichzeitig deutliche Zugeständnisse.

Was will Scholz noch?
Der Einstieg in die gemeinsame Einlagensicherung ist nur ein Teil eines großen Pakets. So schlägt Scholz unter anderem auch ein einheitliches europäisches Bankeninsolvenzrecht vor – bisher existieren 19 verschiedene. Zudem will er erreichen, dass in mehreren Ländern tätige Banken den Einsatz von Liquidität und Kapital leichter als bisher zentral steuern können. Bisher blockieren die nationalen Aufsichtsbehörden den unbegrenzten Verkehr über die Grenze hinweg, um die Stabilität der Bank in ihrem Land zu sichern. Zudem will Scholz das umstrittene Problem der Nullgewichtung von Staatsanleihen angehen. Bisher gelten diese als risikolos, sodass Banken sie nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Das führt dazu, dass vor allem italienische Banken große Mengen heimischer Schuldtitel auf den Bilanzen haben – und vertieft damit die Abhängigkeit von Staat und Bank. Scholz schwebt nun vor, dass – vermutlich anhand von Ratings – die Solidität der einzelnen Länder Berücksichtigung finden soll. Allerdings soll es dabei einen beachtlichen Freibetrag geben – ähnlich der bisher bereits existierenden Grenze für Großkredite. Zudem soll ein „Konzentrationszuschlag“ ein zu starkes Engagement bei Titeln eines Landes verhindern.

Warum bringt der Vorschlag von Scholz nicht unbedingt den Durchbruch auf europäischer Ebene?
Die Vorschläge von Scholz sorgen bei anderen EU-Ländern nicht für Begeisterung, so sehr viele erleichtert sind, dass Bewegung in die Debatte gekommen ist. Italien hat sich bisher vehement gesperrt gegen jeglichen Ansatz, der auf den Abbau von Staatsanleihen aus dem eigenen Land bei Banken abzielt. Griechenland, das gerade an einem ambitionierten Plan arbeitet, um notleidende Kredite abzubauen, wird der Zeitplan nicht gefallen. Scholz will eine gemeinsame Einlagensicherung erst, wenn alle Länder in den Bankenbilanzen gründlich aufgeräumt haben. Die neue griechische Regierung unter dem Christdemokraten Kyriakos Mitsotakis hatte gehofft, dass alleine ein entschlossener Plan ausreichen würde, damit Berlin Konzessionen macht. Unklar ist auch die Lage in Berlin. Scholz hat seine Ideen nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt. Es muss sich erst noch erweisen, ob die Union das Konzept mitträgt. Ohne deren Zustimmung kann daraus keine Verhandlungsposition in Brüssel werden.

Wie schnell wird es also eine gemeinsame europäische Einlagensicherung geben?
Nicht so schnell. Der offizielle Brüsseler Zeitplan ist gemächlich. Die Staats- und Regierungschefs sollen beim EU-Gipfel im Dezember den Finanzministern den Auftrag erteilen, konkrete Vorschläge für die gemeinsame Einlagensicherung zu erarbeiten. In Brüssel wird damit gerechnet, dass dies mindestens ein Jahr dauern könnte. Außerdem kann sich Scholz nicht der Zustimmung anderer Staaten sicher sein.

Wer profitiert von der Bankenunion?
In erster Linie soll sie bürokratische Hindernisse auf nationaler Ebene beseitigen und damit vor allem länderübergreifend tätigen Banken das Leben erleichtern. Ein größerer, einheitlicher Markt soll sie stärken und gegenüber den weit überlegenen amerikanischen und auch chinesischen Banken wettbewerbsfähiger machen. Damit sollen auch Investitionen in Europa attraktiver werden. Ob das Konzept den deutschen Banken viel bringt, ist offen. Viele sitzen auf einem Überschuss an Mitteln, die sie dann leichter in anderen Ländern als Kredite vergeben könnten statt sie zu negativen Zinsen bei der EZB zu parken. Die bisherigen Erfahrungen bei ihren Auslandsabenteuern sprechen allerdings dagegen, dass sie auf anderen Märkten sonderlich erfolgreich sein werden. Vor allem einigen angeschlagenen Großbanken dürfte derzeit auch schlicht die Kraft für die Expansion ins EU-Ausland fehlen.

Was ist mit Sparkassen und Volksbanken?
Die sogenannten Finanzverbünde haben sich bisher nach Kräften gegen eine europäische Einlagensicherung gewehrt. Sie fürchten um ihr bisheriges Sicherungssystem – und damit einen für sie wichtigen Wettbewerbsvorteil. Bisher zahlen Sparkassen und Volksbanken nur überschaubare Mittel in einen zentralen Topf ein und garantieren die Einlagen ihrer Kunden vor allem über das Versprechen, dass andere Institute strauchelnde Mitglieder der jeweiligen Gruppe im Notfall auffangen. Der EU ist das schon lange ein Dorn im Auge – und in der Tat haben die Schieflagen der im Sparkassensektor verwurzelten Landesbanken die Zweifel an dem Konzept verstärkt. Es ist aber kaum vorstellbar, dass Scholz die Institutssicherung nun opfern und die Verbünde zur vollen Beitragspflicht für ein europäisches Sicherungssystem verpflichten wird. Sonderrechte für einen Teil der deutschen Bankenlandschaft laufen der Idee eines einheitlichen europäischen Marktes jedoch entgegen.

Was bringt die Bankenunion den Bankkunden?
Wenn die Banken effizienter agieren, sinken die Preise – in der Theorie. In Deutschland ist das derzeit ein schwaches Argument, weil Finanzdienstleistungen hier schon heute im internationalen Vergleich nahezu konkurrenzlos günstig sind. Zudem könnte der gemeinsame Markt perspektivisch zu mehr grenzübergreifenden Fusionen, einer höheren Konzentration und damit steigenden Preisen führen. Scholz Vorschlag ist deshalb vor allem für größere Banken sinnvoll. Gerade die Wähler des potenziellen nächsten SPD-Chefs haben wenig davon.