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Die größten Probleme vor der Präsidentenwahl

Die Sozialisten sind tief zerstritten über ihren Kandidaten, das Volk enttäuscht von der politischen Elite, die die Probleme des Landes nicht lösen zu können scheint. Eine Bestandsaufnahme vor der Präsidentenwahl.

Wenn die Franzosen am 23. April zur Präsidentenwahl schreiten, ist nur eines ganz sicher: Der amtierende Präsident François Hollande wird nicht gewählt, er hat auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Grund dafür: Er ist der bislang unbeliebteste Präsident. Hollande hat vor allem seine eigenen Wähler von 2012 enttäuscht, weil er es nicht schaffte, die Arbeitslosigkeit deutlicher zu senken und die verkrusteten Strukturen der französischen Arbeitswelt zu durchbrechen.

Der künftige Präsident wird vor enormen Herausforderungen stehen. Die Probleme Frankreichs im Superwahljahr 2017 sind zahlreich. Sie beginnen mit der Zerstrittenheit der regierenden Sozialistischen Partei bei der Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge des erfolglosen Hollande. Ein Blick auf die fünf größten Baustellen:

Die Suche nach den Kandidaten

Die Sozialisten streiten noch, wer als Kandidat um die Präsidentschaft ins Rennen gehen darf. Am kommenden Sonntag wird die erste Runde der parteiinternen Vorwahlen stattfinden. Der kürzlich zurückgetretene Ministerpräsident Manuel Valls könnte die besten Chancen haben, aber auch Benoît Hamon, ehemaliger Bildungsminister, schnitt nach den ersten beiden Fernsehduellen in Umfragen überraschend stark ab. Aussichtsreich ist auch der frühere Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, der als Liebling des linken Flügels des PS gilt und mit der Unterstützung der radikaleren Linken, vor allem der Kommunistischen Partei, rechnen kann.

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Das größte Problem des sozialistischen Kandidaten, wer immer es auch sein wird, ist aber der parteilose Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Er könnte die Sozialisten viele Stimmen kosten, möglicherweise sogar besser dastehen als deren Kandidat und so in die Stichwahl kommen. In seiner „Berliner Rede“ in der vergangenen Woche betonte Macron seine pro-europäische Haltung: „Ich verteidige das europäische Projekt“, sagte er an der Humboldt-Universität. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung legte er nach: "Wir müssen schnell ein souveränes Europa schaffen, das in der Lage ist, uns gegen äußere Gefahren zu schützen, um die innere Sicherheit besser zu gewährleisten“. Er ist der einzige der französischen Präsidentschaftsbewerber, der sich einen so proeuropäischen Kurs zutraut.

Das größte Problem Macrons ist, dass er mit seiner erst im April 2016 gegründeten Bewegung „En Marche!“ zwar schnell eine beachtliche Anzahl an Unterstützern hinter sich scharen konnte, die Strukturen einer gewachsenen Partei aber nicht vorhanden sind. Daher könnte ihm schlicht das Personal für die Besetzung von politischen Ämtern fehlen. Das wiederum könnte einige Franzosen abschrecken. Aber der frühere Wirtschaftsminister kennt das politische Milieu als Absolvent der Elite –Verwaltungshochschule ENA und ehemaliger Protegé von Francois Hollande.

„Die so oft kritisierte Elite finden die Franzosen gar nicht so schlecht“, sagt Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg. „Aber sie suchen nach einem mitreißenden Anführer – und Emmanuel Macron könnte das sein.“ Denn es wäre nicht nur ein Generationswechsel, sondern auch einer, der Klartext spricht, ohne Feindbilder zu bemühen.

Im Lager der gemäßigten Rechten ("Les Republicains") hat sich bei den parteiinternen Vorwahlen der frühere Premierminister François Fillon durchgesetzt - unter anderem gegen seinen früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy. Fillon werden die größten Chancen zugerechnet. Ihm könnte es gelingen Marine Le Pen vom rechten "Front National" viele Wähler abspenstig zu machen. Noch im Dezember glaubten 55 Prozent der Franzosen, dass er der nächste Präsident sein werde. Allerdings wünschen sich nur 30 Prozent der Franzosen, dass er es auch tatsächlich wird. Fillon tritt unter anderem für eine stärke Liberalisierung der Wirtschaft ein, will die Staatsausgaben um 100 Milliarden Euro reduzieren und die 35-Stunden-Woche abschaffen. Gesellschafts- und innenpolitisch ist seine Agenda deutlich konservativ: Der bekennende Katholik will die Einwanderung stärker beschränken, kriminelle Ausländer abschieben und die Stellung der Nationalstaaten in der EU stärken. Merkels Flüchtlingspolitik kritisierte er. Fillon überzeugt damit wohl vor allem Rentner, Manager und Selbstständige.

„Für mich ist François Fillon der aussichtsreichste Bewerber“, sagt Joachim Schild, Professor für Politikwissenschaft/Vergleichende Regierungslehre an der Universität Trier. „Aber wir haben schon so viele Überraschungen erlebt, dass zum jetzigen Zeitpunkt viele Spekulationen dabei sind.“

Das gemeinsame Problem aller Kandidaten außer Le Pen ist die grundsätzliche Verdrossenheit der Franzosen gegenüber ihrem politischen System. „Es gibt einen Erwartungsdruck an den Staat, der alles regeln soll. Das aber nicht kann, “ sagt Baasner. So entstehen Frustration und ein Vertrauensverlust gegenüber den politischen Eliten. Das erklärt den Erfolg der Front National, die „momentan die einzige stabile Partei ist.“


Zu hohe Schulden

Weil kein Bewerber auf Anhieb in der ersten Wahlrunde eine absolute Mehrheit erreichen wird, werden sehr wahrscheinlich Kooperationen in Form von Empfehlungen für die Stichwahl und dann eine Koalitionsregierung notwendig sein. So zerstritten, wie sich die französische Linke momentan zeigt, ist es nur schwer denkbar, wie eine Zusammenarbeit möglich werden soll. „Der Graben zwischen der radikalen und der populistischen Linken, aber auch den Grünen einerseits und den Sozialisten andererseits ist zu groß“, sagt Schild.

Frankreich leidet unter einem strukturellen Schulden-Problem. Schon seit vielen Jahren verletzt das Land die Drei-Prozent-Defizitgrenze des Stabilitätspaktes deutlich. Brüssel hat es mehrfach verpasst wirklich nachdrücklich zu rügen. Im Gegenteil: Die EU-Kommission gewährt der französischen Regierung wiederholt Aufschub. In diesem Jahr will Frankreich die Defizitgrenze zum ersten Mal einhalten. Ob das gelingt, bleibt fraglich. Viele Experten gehen davon aus, dass die Vorgabe aus dem Euro-Stabilitätspakt erst 2018 eingehalten wird.

Das Haushaltsloch in Frankreich sei „bedrohlich hoch“ und zeige, dass „Frankreich in Krisenzeiten verwundbar ist“, gibt Politikwissenschaftler Schild zu bedenken. Derzeit profitiert die französische Volkswirtschaft vor allem von den Niedrigzinsen der EZB. Aber es stelle sich die Frage, so Schild, ob sich die Schuldenrückstände nicht hemmend auf das Wachstum auswirkte.

Stark regulierter Arbeitsmarkt und hohe Lohnkosten

Wirtschaftswachstum braucht Frankreich ganz dringend: „Die französische Wirtschaftspolitik funktioniert über eine Nachfragelogik. Das führt aber auch dazu, dass die Politik etwa auf Veränderungen durch die Globalisierung nicht schnell genug reagieren kann“, sagt Baasner. Hinzu kommt die überbordende Bürokratie, die gerade für kleine und mittelständische Unternehmen zum Problem werden kann.

Konkret heißt das: Das Arbeitsrecht ist so arbeitnehmerfreundlich, dass kleine Betriebe, zum Beispiel Handwerker, große Risiken eingehen, wenn sie zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Aufgrund hoher Abfindungskosten und eines starken Kündigungsschutzes trauen sich das viele kleine Unternehmer nicht mehr, Angestellte einzustellen. Schließlich kann sich ihr persönlicher Verdienst durch fixe Lohnkosten schnell schmälern. Hinzu kommen die hohen Sozialabgaben, die Unternehmen für ihre Beschäftigten zahlen müssen.

Jugendarbeitslosigkeit

Eines der Kernanliegen von Hollande war die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – das ist ihm nur teilweise gelungen: Die Zahl der Arbeitslosen ist seit 2008 zum ersten Mal unter zehn Prozent gesunken und hält sich seit August 2016 konstant unter der magischen Grenze. Das entscheidende Problem ist allerdings die hohe Jugendarbeitslosigkeit von knapp 26 Prozent. Unter Jugendlichen in den Vorstädten, den sogenannten Banlieues, liegt sie sogar bei über 40 Prozent.

Nach den Krisenländern Griechenland, Spanien und Italien sowie Kroatien und Portugal liegt Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union im europäischen Vergleich auf Platz sechs. Die Gründe für die strukturell hohe Arbeitslosigkeit sind offensichtlich tief im französischen Ausbildungssystem verwurzelt: Es fördert vor allem die Eliten und sortiert Jugendliche mit schlechtem oder gar keinen Abschluss direkt aus.

Zudem bereitet die Schulbildung nur schlecht auf den Arbeitsmarkt vor. Notwendig wäre also eine tiefgreifende Reform des französischen Schul- und Ausbildungssystems. Dabei verfügt das Land über eine vergleichsweise günstige demografische Situation, mit einer Geburtenquote von rund zwei Kindern pro Frau.

Islamistischer Terror

Der Wahlkampf und die politische Stimmung in Frankreich ist stark durch den islamistischen Terror geprägt. Der Anschlag auf die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo und die Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt im Januar 2015, dann im November 2015 die Morde in der Konzerthalle Bataclan und in mehreren Straßencafés: Frankreich ist in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Ziel von Anschlägen geworden - mehr als andere europäische Länder

Während es in Deutschland 550 Gefährder gibt, sollen es in Frankreich – Angaben des Innenministeriums zufolge – 8250 sein. In erster Linie Franzosen mit Vorfahren aus nordafrikanischen Staaten. „Frankreich gelingt es seit Jahren nicht, vor allem muslimische Minderheiten zu integrieren“, sagt Schild. Sie werden auf dem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt diskriminiert. Unter Muslimen wächst die Wut auf den Staat. Die Attentäter von Paris wuchsen in den Banlieues auf. So war etwa Samir Amimour, bevor er im Bataclan 90 Menschen ermordete, Busfahrer in einem Vorort im Pariser Norden.

Eine Perspektive für Einwanderer und ihre Nachkommen in den Vorstädten zu entwickeln und Antworten gegen den islamistischen Terror zu finden, wird zu den wohl schwierigsten Aufgabe des kommenden französischen Präsidenten gehören.

KONTEXT

Aktuelle Umfrage

Fillon könnte Le Pen bei Präsidentschaftswahl besiegen

Der Kandidat der französischen Konservativen, Francois Fillon, würde einer Umfrage zufolge bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Frühjahr die Chefin der rechtsextremen Partei Front National, Marine Le Pen, klar besiegen.

Der Wirtschaftsliberale dürfte bei einer Stichwahl 67 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, Le Pen nur 33 Prozent, wie aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Harris Interactive vom 27. November 2016 hervorgeht. Insgesamt wurden rund 6000 Personen befragt.