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"Die größte Lohnerhöhung ihres Lebens": Am 1. Oktober steigt der Mindestlohn auf zwölf Euro – das müsst ihr jetzt darüber wissen

Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 1. Oktober 2022 auf zwölf Euro je Stunde. - Copyright: Picture Alliance
Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 1. Oktober 2022 auf zwölf Euro je Stunde. - Copyright: Picture Alliance

An diesem Samstag, den 1. Oktober 2022, steigt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro je Stunde. "Für Millionen Menschen ist dies die größte Gehaltserhöhung ihres Lebens", sagt die SPD-Fraktionsvize Carola Reimann. Das ist nicht unwahrscheinlich, denn im Vergleich zum Ende des vergangenen Jahres steigt der Mindestlohn 2022 um 25 Prozent. Darin liegt auch ein Risiko, denn die höheren Einkommen für rund 6,6 Millionen Beschäftigte sind auch höhere Kosten für Zehntausende Unternehmen. Ökonomen erwarten, dass die Erhöhung des Mindestlohns die Inflation weiter anheizt. Offen sind die Folgen des Mindestlohnes für den Arbeitsmarkt.

Aber was ist der Mindestlohn überhaupt? Für wen gilt er – und für wen nicht? Warum steigt der Mindestlohn jetzt so stark? Was sind mögliche Folgen? Was passiert mit den Mini-Jobs? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um "eine der größten Sozialreformen in der Geschichte der Bundesrepublik" (Carola Reimann).

Definition: Was ist der gesetzliche Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn legt fest, wie viel Lohn Beschäftigte mindestens bekommen müssen. Er definiert also eine Lohnuntergrenze für Unternehmen, egal ob privat oder öffentlich, ob soziale Einrichtungen oder Verein. Alle müssen allen Beschäftigten mindestens zwölf Euro brutto je Arbeitsstunde zahlen.

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Umgekehrt gilt, dass Arbeitnehmer nicht für weniger als zwölf Euro je Stunde arbeiten. Das gilt auch dann, wenn Beschäftigte zu diesem Stundensatz keine Arbeit finden. Sie müssen dann arbeitslos bleiben.

Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es in vielen Branchen tarifliche Mindestlöhne. Sie liegen immer oberhalb des gesetzlichen Mindestlohnes und sind von den Tarifparteien ausgehandelt worden.

Wie hat sich der Mindestlohn in Deutschland entwickelt?

Der gesetzliche Mindestlohn wurde in Deutschland 2015 eingeführt. Er betrug zunächst 8,50 Euro je Stunde. Im Laufe der Jahre wurde der Mindestlohn mehrfach angehoben. Ende 2021 lag er bei 9,60 Euro. In diesem Jahr folgten dann gleich drei Erhöhungen: zum 1. Januar auf 9,82 Euro, zum 1. Juli auf 10,45 Euro und nun zum 1. Oktober auf zwölf Euro.

Wer legt den gesetzlichen Mindestlohn fest?

Bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes 2015 wurde ein Verfahren für die regelmäßige Anpassung festgelegt. Eine unabhängige Kommission der Tarifpartner schlägt der Bundesregierung alle zwei Jahre vor, wie der Mindestlohn erhöht werden soll. Damit sollte der Mindestlohn eigentlich dem politischen Einfluss entzogen werden. Auf Empfehlung der Tarifparteien wurde der Mindestlohn zum 1. Juli auch auf 9,45 angehoben. Die SPD hatte im Bundestagswahlkampf aber mit einem Mindestlohn von zwölf Euro für sich geworben. Dieses Wahlversprechen setzte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP dann um. Künftig soll wieder die Mindestlohnkommission die Erhöhungen vorschlagen. Es darf aber als wahrscheinlich gelten, dass die Höhe des Mindestlohns nun ständig Thema von Wahlkämpfen sein wird.

Die nächste Anpassung des Mindestlohns soll wieder auf Vorschlag der Mindestlohnkommission zum 1. Januar 2024 erfolgen.

Für wen gilt die Erhöhung des Mindestlohns?

Die Erhöhung des Mindestlohnes betrifft nach Rechnung des Deutschen Gewerkschaftsbundes 6,64 Millionen Beschäftigte. Das sind dann 17,8 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland. Dabei gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen West und Ost. In den alten Bundesländern sind 5,18 Millionen Menschen betroffen, das sind hier 16,1 Prozent aller Beschäftigten. In den neuen Bundesländern sind es mit 1,46 Millionen oder 29,1 aller Beschäftigten.

Diese interaktive Karte zeigt euch, wie viele Menschen in eurer Region vom neuen Mindestlohn betroffen sind.

Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gilt der Mindestlohn nach seiner Erhöhung dann für doppelt so viele Menschen wie bei seiner Einführung 2015. Anders gesagt: Im Westen arbeiten dann rund 18 Prozent, im Westen sogar 29 Prozent aller Beschäftigten mit einem politisch festgelegten Lohn.

Unter den 6,64 Millionen, deren Stundenlohn bisher unter zwölf Euro liegt, sind laut der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung 2,55 Millionen Vollzeitbeschäftigte, 1,8 Millionen Teilzeitbeschäftigte und knapp 2,3 Millionen Personen, die als einzige Beschäftigung einen Minijob haben.

Für sie steigt das Einkommen also zum Teil kräftig – unter der Voraussetzung, dass ihre Betriebe die höheren Kosten auch stemmen können und ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Welche Folgen hat der Mindestlohn für die Preise?

Für die Beschäftigten mit Mindestlohn steigen die Einkommen. Wer Vollzeit arbeitet und bisher den alten Mindestlohn bekommen hat, der hat ab Oktober 270 Euro mehr brutto im Monat. Die Erhöhung um bis zu 25 Prozent in diesem Jahr liegt deutlich über der allgemeinen Inflationsrate von rund acht Prozent. Die wirkliche Verteuerung des Lebens ist für untere Einkommensgruppen aber meist höher, weil sie einen höheren Teil ihres Einkommens für Energie und Nahrungsmittel ausgeben. Dennoch dürfte der neue Mindestlohn zu einer Steigerung der Realeinkommen führen. „Die Mindestlohnerhöhung trägt zur Stabilisierung der Kaufkraft bei“, sagt der gewerkschaftliche Arbeitsmarkt-Experte Toralf Pusch. Der DGB geht von einem Kaufkraftgewinn von 4,8 Milliarden Euro aus.

Für betroffene Unternehmen steigen aber die Kosten. „Die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober bringt viele Unternehmen dazu, ihre Preise zu erhöhen“, schrieb Ifo-Arbeitsmarktexperte Sebastian Link in der Analyse einer Umfrage des Ifo-Instituts. Darin gab die Mehrheit der betroffenen Firmen an, als Reaktion auf den Mindestlohn ihre Preise hochzusetzen. „Das dürfte die ohnehin schon große Inflation weiter antreiben“, schrieb Link.

Auch die Bundesbank sieht in der Erhöhung der Mindestlöhne einen Faktor für ihre Prognose, dass die Inflation in Deutschland im Herbst auf mehr als zehn Prozent steigen wird. Der Kaufkraftgewinn wird also zum Teil durch höhere Preise aufgezehrt.

Die Beschäftigten müssen noch mit weiteren Einschränkungen rechnen. 18 Prozent der betroffenen Unternehmen wollen die Arbeitszeit der Mindestlohn-Beschäftigten verringern, um Kosten zu sparen. Weitere 18 Prozent denken über Kürzungen bei zusätzlichen Lohnbestandteilen wie Sonderzahlungen, Boni und geldwerten Vorteilen nach. 21 Prozent wollen ihre Ausgaben für Weiterbildung zurückschrauben.

Und: 12,7 Prozent der betroffenen Unternehmen wollen aufgrund der Erhöhung auch Stellen abbauen.

Welche Folgen hat der Mindestlohn für den Arbeitsmarkt

Die Folgen eines Mindestlohnes für die Beschäftigung sind seit jeher umstritten. Von einem per Gesetz festgelegten Mindestlohn profitieren alle Arbeitnehmer, die vorher weniger verdient haben, obwohl sie für das Unternehmen einen höheren Wert erwirtschaftet haben. Im Nachteil sind jedoch Beschäftigte, die zu ihrem vorigen Lohn gerade noch eine Beschäftigung finden konnten, zum höheren Mindestlohn aber zu teuer werden. Sie finden keinen Job mehr und werden auf die staatliche Fürsorge zurückgeworfen.

Welche Effekte überwiegen, hängt natürlich vor allem von der Höhe des Mindestlohnes, aber auch vom Wettbewerb und der Konjunktur ab. Die Einführung des Mindestlohnes 2015 fiel in eine Phase, in der erstens der Mangel an Arbeitskräften zunahm und zweitens die Wirtschaft beständig wuchs. Die meisten Studien, wie jüngst des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), ergaben, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes in Deutschland keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung hatte. Mit der aufkommenden Rezession und einem zunehmend wackeligen Arbeitsmarkt wachsen aber die Risiken gerade für Beschäftigte mit geringen Einkommen, ihren Job zu verlieren.

Was ändert sich noch durch den Mindestlohn – zum Beispiel für Minijobs?

Die Anhebung des Mindestlohns führt zu Verschiebungen im Lohngefüge. Bereits die Ankündigung hat dazu geführt, dass die Einkommen im Lohn- und Gehaltsbereich direkt oberhalb des Mindestlohnes besonders stark gestiegen sind.

Mit dem Mindestlohn steigt auch die Verdienstgrenze für sozialversicherungsfreie Mini-Jobs von 450 auf 520 Euro. Dahinter steckt folgender Gedanke: Der gesetzliche Mindestlohn gilt unabhängig vom Umfang der Beschäftigung – und damit auch für Minijobs. Damit eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden mit Mindestlohn im Minijob möglich ist, steigt zum 1. Oktober die Minijob-Grenze auf 520 Euro. Sie wird künftig entsprechend der Zehn-Stunden-Regel an die Entwicklung des Mindestlohns angepasst.

Der Arbeitgeber muss die Arbeitszeiten von Minijobbern aufzeichnen und sie zwei Jahre lang bei einer Prüfung vorlegen können.

Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn: Wer hat keinen Anspruch?

Der Mindestlohn gilt für alle volljährigen Beschäftigten. Es gibt jedoch Ausnahmen:

  • Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz,

  • ehrenamtlich Tätige sowie Personen, die einen freiwilligen Dienst ableisten,

  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung,

  • Selbstständige,

  • Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt.

  • Beschäftigte in Behindertenwerkstätten,

  • Strafgefangene

Wer kontrolliert die Einhaltung des Mindestlohns?

Die Kontrolle liegt wie auch bei den tariflichen Branchenmindestlöhnen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls.

Verstöße können mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro bestraft werden. Verstöße gegen die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit können mit bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Außerdem können Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.