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Grüne Wende: Das Tauschgeschäft mit Eon verändert die RWE-Bilanz

Kohleausstieg und Neuausrichtung auf die Energiewende – das Jahr 2019 war für RWE eine historische Zäsur. Die Spuren in der Bilanz sind deutlich.

Hauptversammlungen bei RWE waren für die Vorstandschefs in der Vergangenheit stets unkalkulierbar. Umweltschützer nutzten das Forum, um gegen Deutschlands größten Kohlekonzern zu protestieren. Schon vor der Essener Grugahalle bauten sich die Demonstranten auf. Im Saal störten sie mit Zwischenrufen die Reden und nutzten eifrig ihr Fragerecht.

Insofern dürfte Rolf Martin Schmitz dem Aktionärstreffen am Freitag entspannt entgegenschauen. Bei der virtuellen Hauptversammlung wird der RWE-Chef zwar auch kritische Fragen beantworten müssen, von Demonstranten bleibt er aber verschont.

Andererseits hätte sich Schmitz sicher gerne den Aktionären von Angesicht zu Angesicht präsentiert – und wäre auch für die Konfrontation mit Umweltschützern gewappnet gewesen. Schließlich hat er im Herbst seinen großen Coup abgeschlossen: den Wiedereinstieg in die erneuerbaren Energien. Das milliardenschwere Tauschgeschäft, das Schmitz Anfang 2018 mit Eon-Chef Johannes Teyssen einfädelte, ist perfekt. „Das Feld der neuen RWE ist bereitet“, sagte Schmitz zur Bilanz-Pressekonferenz.

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Und während die meisten Dax-Chefs ihren Aktionären in der Coronakrise Hiobsbotschaften übermitteln müssen, hat Schmitz noch dazu gute Nachrichten parat. Die Dividende steigt für das vergangene Jahr um zehn Cent auf 80 Cent je Aktie, für das laufende Jahr plant RWE auch schon eine Ausschüttung von 85 Cent. Diese Dividende bekommen inzwischen alle Aktionäre einheitlich. Im vergangenen Sommer wandelte der Konzern die 39 Millionen Vorzugs- in Stammaktien um.

2019 war für RWE ein historisches Jahr. Die Bundesregierung besiegelte den Kohleausstieg und damit das Aus für RWEs altes Geschäftsmodell. Gleichzeitig gelang RWE selbst durch den Deal mit Eon die Neuausrichtung auf die Energiewende. Beides hinterließ tiefe Spuren in der Bilanz.

Das Nettoergebnis schoss durch die Transaktion von 335 Millionen Euro auf 8,5 Milliarden Euro nach oben. RWE verbuchte schließlich einen Buchgewinn von 8,3 Milliarden Euro durch die Entkonsolidierung der veräußerten Aktivitäten. Diese waren in der Bilanz mit historischen Buchwerten erfasst, die deutlich unter den Marktwerten lagen.

Eon übernahm im September die RWE-Tochter Innogy, aber nur mit den Sparten Vertrieb und Netz. RWE erhielt die erneuerbaren Energien von Innogy und auch die, die bislang Eon betrieben hat. Jetzt deckt der Konzern wieder die gesamte Palette der Stromerzeugung ab, von Atom- und Kohlekraftwerken über Gasanlagen zu Wind- und Solaranlagen. Und da nach dem Atomausstieg jetzt auch der Ausstieg aus der Kohle besiegelt ist, will sich RWE langfristig komplett auf die Energiewende ausrichten und Ende 2040 klimaneutral arbeiten.

Überraschend gut lief der Energiehandel

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Der Ausstoß des klimaschädlichen CO2 sank zwar um 30 Millionen auf 88,1 Millionen Tonnen. Damit ist RWE aber immer noch der größte CO2-Emittent Europas. Zwar verfügt der Konzern auf einen Schlag wieder selbst über Kapazitäten bei erneuerbaren Energien von neun Gigawatt. Gemessen an den gesamten Kapazitäten von 43 Gigawatt machen Wind- und Solaranlagen aber nicht einmal ein Viertel aus.

Die wirtschaftliche Bedeutung der konventionellen Stromerzeugung ist jedoch schon in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, weil Kohle- und Gaskraftwerke zunehmend von Wind- und Solaranlagen aus dem Markt gedrängt werden, die ihren Strom vorrangig einspeisen dürfen. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) der deutschen Braunkohle- und Atomkraftwerke legte 2019 zwar um fünf Prozent auf 374 Millionen Euro zu, die Zeit der Milliardengewinne ist aber lange vorbei.

Das Segment Europäische Stromerzeugung, das die Steinkohle- und Gaskraftwerke umfasst, steigerte das Ebitda um 36 Prozent auf 453 Millionen Euro. Das lag allerdings vor allem an einer Rückerstattung in Großbritannien, wo die Regierung im Jahr zuvor massiv in den Markt eingegriffen hatte.

Insgesamt verdiente RWE mit den Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken schon im vergangenen Jahr weniger als mit erneuerbaren Energien. Allein die Anlagen von Innogy, die RWE fortführen wird, steuerten 833 Millionen Euro zum Ebitda bei, 19 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Windparks von Innogy waren wegen günstiger Witterung besser ausgelastet. Die von Eon übernommenen Anlagen, die ab September einflossen, lieferten zusätzlich 253 Millionen Euro.

Überraschend gut lief im vergangen Jahr der Energiehandel. RWE konnte hier das Ebitda von 183 auf 702 Millionen Euro steigern – geplant war das Ergebnis in einem Korridor von 100 bis 300 Millionen Euro. Die Tradingabteilung arbeitete aber überraschend erfolgreich.

Insgesamt stieg das Ebitda um 62 Prozent auf knapp 2,5 Milliarden Euro. RWE hatte im Laufe des Jahres gleich zweimal die Prognose angehoben. Im März hatte der Konzern das Ebitda noch zwischen 1,4 Milliarden bis 1,7 Milliarden Euro erwartet.

Die Transaktion mit Eon eröffnet RWE neue Perspektiven. Nicht weniger einschneidend ist der Kohleausstieg, den die Bundesregierung im vergangenen Jahr in die Wege leitete, für RWE. Nachdem die Atomkraftwerke schon nach und nach vom Netz gehen müssen, wurde jetzt auch der Kohleausstieg beschlossen. Der Fahrplan steht, das zugehörige Gesetz soll bald verabschiedet werden.

Coronakrise trifft RWE kaum

Bis 2038 wird die Förderung und Verstromung in Deutschland beendet. Der RWE-Konzern, der wie kein zweites Unternehmen in der Kohle engagiert ist, muss seine Braunkohleförderung schon in den kommenden Jahren drastisch drosseln und die ersten Kraftwerke vom Netz nehmen.

RWE beziffert den Schaden mit mindestens 3,5 Milliarden Euro. Im Gegenzug erhält der Konzern aber auch Entschädigungszahlungen von 2,6 Milliarden Euro, die über einen Zeitraum von 15 Jahren fließen.
In der Bilanz musste RWE deshalb zum Jahresende schon die Bergbaurückstellungen um 2,1 Milliarden Euro auf 4,6 Milliarden Euro erhöhen – und die Pensionsrückstellungen aufstocken. Zudem schrieb der Konzern 500 Millionen Euro auf die Kraftwerke und Tagebaue ab.

Der Kohleausstieg trifft RWE aber nicht nur in Deutschland. In den Niederlanden, die bis 2030 die Verstromung von Kohle beenden wollen, musste der Konzern 700 Millionen Euro abschreiben – vor allem auf das Kraftwerk Eemshaven, das RWE erst 2014 in Betrieb genommen hatte.

Die Nettoschulden verringerten sich deutlich um zehn Milliarden Euro auf 9,3 Milliarden Euro. Entscheidend war dafür die Entkonsolidierung der Aktivitäten, die Eon von Innogy übernommen hat. Die Nettoschulden der nicht fortgeführten Aktivitäten sanken um 14,7 Milliarden auf 0,2 Milliarden Euro. Die Nettoschulden der fortgeführten Aktivitäten erhöhten sich dagegen nur um 4,7 Milliarden auf 9,1 Milliarden Euro.

Das Tauschgeschäft mit Eon veränderte die Bilanz deutlich. Die Bilanzsumme sank um 15,9 Milliarden auf 64,2 Milliarden Euro. Das Eigenkapital erhöhte sich um 3,2 Milliarden Euro und die Eigenkapitalquote verbesserte sich folglich um fast zehn Prozentpunkte auf 27,2 Prozent.

Nachdem der Kohleausstieg besiegelt ist, will der RWE-Konzern jetzt seine ganze Kraft auf das Zukunftsgeschäft mit erneuerbaren Energien lenken und die Investitionen darauf konzentrieren. Schon bis 2022 will RWE fünf Milliarden Euro in das neue Kerngeschäft investieren und Wind- und Solaranlagen mit einer Kapazität von vier Gigawatt bauen. 2,7 Gigawatt sind bereits im Bau, weitere 20 Gigawatt hat RWE nach eigenen Angaben in der Projektpipeline.

RWE hat auch ehrgeizige Wachstumsziele. Von 2020 bis 2022 will der Konzern, gemessen an den Kennzahlen für das Ergebnis, ein jährliches Wachstum von sieben bis zehn Prozent erreichen. Für das laufende Geschäftsjahr 2020 wird ein bereinigtes Ebitda zwischen 2,7 und 3,0 Milliarden Euro erwartet.

Die Coronakrise wird nach eigener Einschätzung RWE kaum belasten. Der Energiesektor ist vergleichsweise robust. Zwar ist auch die Stromnachfrage gesunken, RWE hat die Produktion aber schon langfristig am Terminmarkt verkauft. In den ersten drei Monaten des Jahres lag das Ebitda mit 1,3 Milliarden Euro 19 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Die kommende Bilanz auf der Hauptversammlung 2021 wird noch einmal Rolf Martin Schmitz präsentieren. Dann darf er auch die neue RWE den kritischen Umweltschützern erläutern – und auf milde Umstände hoffen. Im Sommer 2021 wird der dann 64-Jährige abtreten. Sein Nachfolger wurde vor Kurzem bereits bestimmt: Finanzchef Markus Krebber wird der nächste RWE-Chef.