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Goldpuffer ohne Glanz: Edelmetall schützt nicht vor Absturz der Währung

Die Notenbanken von Russland und der Türkei haben jahrelang tonnenweise Gold gekauft. Doch der Erfolg dieser Strategie ist gering.

Die Bundesbank verfügt mit rund 3367 Tonnen über den zweitgrößten Goldschatz der Welt. Foto: dpa
Die Bundesbank verfügt mit rund 3.367 Tonnen über den zweitgrößten Goldschatz der Welt. (Bild: dpa)

Das beste Investment in der Türkei in diesem Jahr wird auf dem großen Basar in Istanbul verkauft. Die Altstadt mit ihren Goldshops und -schmieden ist das Zentrum des türkischen Goldhandels. Zu Jahresbeginn kostete eine Feinunze Gold noch 9.000 Lira, inzwischen ist der Preis auf rund 14.700 Lira geklettert – ein Plus von 63 Prozent.

Türken kaufen fleißig Gold

Kaum eine andere Anlageklasse hat sich in der Türkei seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie besser entwickelt. Und die Türken kaufen weiter fleißig: Allein im ersten Halbjahr importierte die Türkei 137 Tonnen Gold – dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum.

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Der Wunsch vieler Türken, Lira abzustoßen und Gold oder Dollar zu kaufen, wird für die Notenbank des Landes zum Problem: Seit Jahresbeginn hat die Lira über 25 Prozent gegenüber dem Dollar verloren.

Zwar gehörte auch die türkische Zentralbank in den vergangenen Jahren zu den größten Goldkäufern am Markt. Der Preisanstieg erhöht daher auch den Wert des in Gold angelegten Teils der Währungsreserve. Doch den Verfall der Lira konnte auch der hohe Goldbestand in der Zentralbankbilanz nicht stoppen.

Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in Russland beobachten: Die russische Notenbank hat zwischen 2014 und 2019 jedes Jahr 170 bis 270 Tonnen angekauft. Mittlerweile hält sie knapp 2300 Tonnen in der Bilanz – mehr als China und beinahe so viel wie Frankreich.

Experten zweifeln am Sinn der massiven Goldreserven

Den Verfall des Rubels um über 30 Prozent seit Jahresbeginn gegenüber dem Euro konnte das Gold aber nicht verhindern. Und auch der ungarische Forint hat in diesem Jahr im Vergleich zum Euro deutlich abgewertet, obwohl die ungarische Notenbank als eines der wenigen Institute in Europa im großen Stil Gold angekauft hat.

Viele Notenbanken kaufen Gold, um das Vertrauen in die Stabilität der Währung zu stärken. Doch der Erfolg der Strategie ist gering. Ökonomen zweifeln daher am Sinn einer Reserve in Edelmetall. "Große Goldbestände einer Notenbank verhindern keine Währungskrisen", sagt Adrian Ash, Leiter Research beim Goldanbieter Bullionvault. Er hält aber zumindest einen gewissen Goldanteil an den Währungsreserven für sinnvoll, um diese zu diversifizieren. Gold hänge schließlich "als einzige Anlageklasse der Welt nicht von der Kreditwürdigkeit einer anderen Partei ab".

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Noch skeptischer ist Thu Lan Nguyen, Devisenexpertin der Commerzbank: "Gold ist als Währungsreserve besonders unpraktisch", sagt sie. Für eine Notenbank sei Gold "eher Anlageobjekt" und erfülle "keinen wirklichen realwirtschaftlichen Zweck".

Aus ihrer Sicht ist es vor allem sinnvoll, die Währungen der wichtigsten Handelspartner des Landes zu halten. Denn wenn die eigene Währung unter Druck gerät, seien diese besonders gefragt. Nach diesem Kriterium wären Dollar und Euro erste Wahl als Währungsreserven, in denen große Teile des Welthandels verrechnet werden.

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In Krisenzeiten ist Gold ein begehrtes Anlageobjekt. (Symbolbild: Getty Images)

Großbritannien trennt sich komplett von Goldreserven

Manche Länder wie Großbritannien haben sich deshalb komplett von ihren Goldreserven getrennt. Auch wenn die Briten zwischen 1999 und 2002 einen ungünstigen Zeitpunkt für diesen Schritt erwischten, hat der Verkauf ihrer Währung nicht geschadet. Stärker unter Druck geriet das Pfund erst nach dem Brexit-Votum 2016.

Die Bundesbank dagegen verfügt mit rund 3367 Tonnen über den zweitgrößten Goldschatz der Welt – nach den USA. Der aktuelle Marktwert beläuft sich auf etwa 170 Milliarden Euro. Das hat historische Gründe: In der Nachkriegszeit erzielte Deutschland hohe Handelsüberschüsse, die im früheren Bretton-Woods-System fester Wechselkurse zum Teil in Gold aufgewogen wurden.

Ein großer Teil dieser deutschen Goldreserven lagerte lange Zeit in New York, London und Paris. Nach Kritik des Bundesrechnungshofs beschloss die Bundesbank, rund die Hälfte ihrer Reserven in Deutschland zu deponieren. Zwischen 2013 und 2017 brachte sie dafür insgesamt 674 Tonnen Gold aus Paris und New York nach Frankfurt.

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Anders als die Bank von England hält die Bundesbank eisern an ihren Goldreserven fest. Von Politikern gab es über die Jahre immer wieder Ideen, wie man den legendären Schatz nutzen könnte. Für Schlagzeilen sorgte 1997 der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) mit seiner "Operation Goldfinger": Er wollte die Bundesbank dazu bringen, ihre Gold- und Währungsreserven höher zu bewerten und daraus resultierende Gewinne an den Bund auszuschütten. Doch alle Begehrlichkeiten blieben erfolglos.

Selbst wenn Notenbanken ihre Währungsreserven nicht in Gold, sondern in anderen Währungen wie Euro und Dollar halten, stellt sich die Frage, was sie im Falle einer Krise wirklich nutzen. Devisenexpertin Nguyen hat Zweifel, ob sich damit Währungskrisen abwenden lassen.

Währungsreserven sind oft wie ein Tropfen auf dem heißen Stein

Als Beispiel verweist sie auf China, das über die weltweit höchsten Währungsreserven in US-Dollar verfügt. Im Jahr 2015 half das der chinesischen Notenbank jedoch wenig, um die damals massiv unter Druck stehende Landeswährung Yuan zu stützen. Damals schmolzen die chinesischen Währungsreserven rapide: Binnen weniger Monate verlor die chinesische Notenbank etwa 500 Milliarden US-Dollar an Reserven und konnte den Verfall des Yuans nicht stoppen. Letztlich sah sich China gezwungen, verschärfte Kapitalverkehrskontrollen einzuführen.

Währungsreserven sind oft wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Problem: Wenn Investoren eine Währung für überbewertet halten, können sie leicht sehr hohe Summen mobilisieren, um dagegen zu wetten. In der Pfund-Krise 1992 beispielsweise lieh sich der Hedgefondsmanager George Soros zehn Milliarden Dollar, um gegen die britische Währung zu wetten. Diesem Druck hielt die Bank von England nicht lange stand.

Interveniert eine Notenbank am Devisenmarkt und verliert Reserven, kann das unter Umständen die Zweifel an der Währung sogar noch verstärken. "Eine Notenbank kann mit ihren Reserven allenfalls das Abwertungstempo einer Währung vermindern oder kurzfristige Übertreibungen korrigieren", sagt Nguyen. Für kurzfristig effektiver hält sie Kapitalverkehrskontrollen, auch diese seien aber wenig nachhaltig.

Problem der Türkei: Die Auslandsverschuldung ist hoch

Vor allem die türkische Währung Lira sieht Nguyen kritisch: "Wir sind angesichts der steigenden Inflation in der Türkei und Zweifeln an der Unabhängigkeit der Notenbank sehr pessimistisch." Im vergangenen Jahr hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den damaligen türkischen Notenbankchef entlassen.

Seither sorgen sich Investoren besonders um die Unabhängigkeit der Währungshüter in der Türkei. Der neue türkische Notenbankchef senkte wie von Erdogan gefordert die Zinsen. Noch im Juni 2019 lagen sie bei 24 Prozent – aktuell liegen sie bei 10,25 Prozent. Zwischenzeitlich lagen sie noch niedriger. Trotz des niedrigen Ölpreises und der Coronakrise, die eher preisdämpfend wirken, prognostiziert die Commerzbank für die Türkei für Ende des Jahres eine Inflation von etwa 16 Prozent.

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Auch Paul McNamara, Fondsmanager und Experte für Schwellenlandanleihen beim Schweizer Vermögensverwalter GAM, sieht erhebliche Risiken für die Türkei. Ein großes Problem ist aus seiner Sicht die hohe Verschuldung in Fremdwährung dort. Wertet die Lira im Vergleich zum Euro oder Dollar ab, steigt die Last dieser Schulden.

Die Regierung um Staatspräsident Erdogan habe schon vor Corona die Banken zur Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte animiert, um das Wirtschaftswachstum anzuheizen. Viele Kredite haben die Banken in Euro und Dollar ausgereicht. Die Folge: "Ich erwarte viele Konkurse von heimischen Unternehmen und Haushalten", sagt McNamara. "Die türkischen Banken sehen ebenfalls instabil aus."

"Die Corona-Pandemie ist ein schwerer Schlag für die türkische Wirtschaft"

Hinzu kommt: "Die Corona-Pandemie ist ein schwerer Schlag für die türkische Wirtschaft", sagt der GAM-Manager. Das Land ist stark vom Tourismus abhängig, der fast zum Erliegen gekommen ist. Auch an den offiziellen Corona-Fallzahlen gibt es erhebliche Zweifel. Auch die Geldpolitik in der Türkei sei angesichts der hohen Inflation viel zu locker und schwäche die Lira weiter. Die Risiken für die türkische Währung sind also groß.

Deutliche Verluste hat in diesem Jahr auch die ungarische Währung Forint erlitten. Seit Jahresbeginn gab sie um rund zehn Prozent gegenüber dem Euro nach. Für die Zukunft rechnen Experten mit einer weiteren Abwertung.

"Die fundamentale Dynamik hat sich gegen den Forint gewendet", urteilt die Commerzbank in einer aktuellen Studie. Als Ursachen sieht sie eine vergleichsweise hohe Inflation und eine extrem expansive Geldpolitik. Zudem sind Mittel- und Osteuropa derzeit besonders stark von der zweiten Welle der Corona-Pandemie betroffen.

Gold in Russland: Das Risiko ist politisch

Weniger eindeutig ist die Situation in Russland: Vordergründig habe das Land kein Problem mit hoher Fremdwährungsverschuldung, sagt GAM-Manager McNamara. "Es ist schwer zu erklären, was in Russland vorgeht, die Daten sehen nicht schlecht aus." Er vermutet innenpolitische Gründe, die von außen schwer nachzuvollziehen seien. "Es führt jedoch dazu, dass reiche Russen ihre Rubel in Fremdwährung tauschen." Auch ihnen fehlt offenbar das Vertrauen in die Währung – allen Goldkäufen zum Trotz.

Seit Jahresbeginn hat der russische Rubel um über 30 Prozent gegenüber dem Euro an Wert verloren – allein in den vergangenen drei Monaten gab er um etwa zwölf Prozent nach. Die russische Währung habe stark unter dem gefallenen Ölpreis und den hohen Corona-Infektionszahlen im Land gelitten, sagt Commerzbank-Devisenexpertin Nguyen. "Wir erwarten, dass sich sein Kurs im Vergleich zum Dollar stabilisieren wird."

Goldpreis: 10 Jahre Bärenmarkt voraus?

Risiken gibt es allerdings vor allem von politischer Seite. Nach der Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hat sich die EU jüngst auf Sanktionen gegen Russland geeinigt. Zudem könnten auch die USA im Falle eines Wahlsiegs des demokratischen Herausforderers Joe Biden die Sanktionen gegen Russland verschärfen.

Die Währungen in der Türkei, Ungarn und Russland stehen also deutlich unter Druck. Daran ändern die massiven Goldkäufe der Notenbanken dieser Ländern in den vergangenen Jahren nichts. In spekulativer Hinsicht mag sich das Investment ausgezahlt haben. Denn der Goldpreis ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Eine Absicherung gegen deutliche Verluste der eigenen Währung ist das jedoch nicht.

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