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Die goldenen Zeiten der Luftfahrt sind vorbei

Wenn am kommenden Montag auf dem kleinen Flughafen Le Bourget bei Paris die größte europäische Luftfahrtschau beginnt, dürfte dort ein Thema die Gespräche beherrschen: die Krise der Boeing 737 Max.

Zwar sind auf der Paris Air Show keine großen Neuigkeiten zum Kurz- und Mittelstreckenjet zu erwarten, der nach zwei Abstürzen mit fast 350 Toten seit März am Boden bleiben muss. Doch am Desaster der Max lassen sich gut die Herausforderungen der gesamten Branche aufzeigen. Und die sind gewaltig.

So gewaltig, dass Stefan Ohl, Head of Aerospace & Defence beim Beratungsunternehmen Alix Partners in Deutschland, die goldenen Jahre zur Neige gehen und Turbulenzen auf die Luftfahrtindustrie zukommen sieht: „Sowohl hausgemachte Probleme wie die 737-Max-Krise, sich weiter verstärkender Kostendruck, als auch makroökonomische Rahmenbedingungen und weiter drohende regulatorische Umweltvorgaben leiten gerade eine fundamentale Veränderung der Luftfahrtindustrie weltweit ein.“

Viele dieser Veränderungen kristallisieren sich in der 737 Max. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Branche künftig Innovationen sicherstellt. Weil die Entwicklung eines komplett neuen Flugzeugs ein großes finanzielles Risiko ist, sind die die großen Hersteller Airbus und Boeing dazu übergegangen, ihre vorhandenen Plattformen wie die A320-Familie oder die Boeing 737 zu modernisieren.

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Doch das Beispiel Max hat gezeigt, dass diese Strategie ihre Grenzen hat. Die sparsameren, aber dafür deutlich größeren Triebwerke veränderten die Geometrie der über 50 Jahre alten 737-Konstruktion. Die deshalb entwickelte zusätzliche Steuerungssoftware verschlimmerte die Situation offensichtlich und soll mitverantwortlich für die beiden Unglücke sein.

Gleichzeitig wächst aber der Druck, immer sparsamer zu fliegen. Die rund um die Europawahl so richtig losgebrochene Klimadebatte bringt den Luftverkehr zunehmend in Bedrängnis. Doch zumindest technisch ist eine Lösung nicht in Sicht. Weder elektrisches Fliegen noch synthetische Kraftstoffe sind serienreif.

„Für die Hersteller wäre es gut, wenn bei der Max wieder Stabilität hinsichtlich Sicherheit, Zuverlässigkeit und Vertrauen seitens der Verbraucher reinkommt“, sagt Luftfahrtexperte Ohl. Die Entwicklung eines völlig neuen Jets sei eine gewaltige Herausforderung.

„Das kostet nicht nur zwischen zehn und 15 Milliarden Dollar. Man muss im Grunde genommen auch jetzt schon eine Plattform entwickeln, die offen für alle neuen Antriebsarten ist, ohne dass man weiß, wie die in Zukunft aussehen werden.“

Neuer Zuliefer-Riese entsteht

Die Luftfahrt sei hier noch mehr gefordert als die Autoindustrie, denn die Entwicklungs- und Lebenszyklen eines Flugzeugs seien deutlich länger. „Deshalb wäre es gut, wenn die Branche hier mehr Zeit bekommt.“

Der Umbruch wird nach Einschätzung von Ohl wiederum die Konsolidierung beschleunigen: „Der Umstieg auf neue Antriebstechnologien erfordert sehr viel Kapital – analog zur Autoindustrie. Mehr denn je ist wirtschaftliche Stärke gefragt.“

Erste Belege für diese Aussage gibt es bereits. So wollen sich die US-Unternehmen United Technologies und Raytheon zusammenschließen. Mit einem Umsatz von zusammen über 70 Milliarden Dollar würde ein Zuliefer-Riese entstehen, der größer als Airbus ist.

Für die Flugzeughersteller bedeutet das neue Herausforderungen. Schon in den zurückliegenden Monaten hat sich gezeigt, wie stark Boeing und Airbus von ihren Lieferanten abhängig sind. Weil es Probleme mit den Triebwerken gab und teilweise immer noch gibt, können weniger Jets der 737- und der A320-Familie gefertigt werden als geplant.

Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass sich die Auslieferung der ersten Boeing 777-9 an Emirates und Lufthansa verzögern wird, weil auch dort die Triebwerke Probleme machen. Die Experten von Alix Partners sehen insbesondere in den Bereichen Kabine, Triebwerk und Flugzeugstruktur eine zunehmend volatiler werdende Situation bei den Lieferanten, die noch durch geopolitische Krisen verschärft wird.

Andererseits könnte das 737-Desaster neuen Schwung in die Marktstruktur bringen, die stark vom Duopol Boeing und Airbus geprägt ist. Denn das bisher nicht absehbare Ende des Groundings der 737 Max könnte für neue Anbieter wie Mitsubishi aus Japan oder Comac aus China eine Chance sein.

So könnten die chinesischen Behörden die Wiederzulassung der Max hinauszögern. „Es ist denkbar, dass China die Max-Krise dazu benutzen wird, um das eigene Projekt Comac C919 zu fördern“, sagt Ohl von Alix Partners. Doch einfach sei das nicht. „Auch dieser Jet muss am Ende sicher sein und benötigt eine Zulassung durch die Behörden.“

Hinzu kommt: Auch die Herausforderer haben mit einer hohen Abhängigkeit von Lieferanten zu kämpfen. Die Triebwerke der Comac C919 stammen zum Beispiel aus dem Westen – vom amerikanisch-französischen Hersteller CFM International. Der Regionaljet MRJ von Mitsubishi wiederum setzt auf Motoren des US-Lieferanten Pratt & Whitney.

Zudem mussten beide Herausforderer lernen, wie komplex und aufwendig die Entwicklung eines neuen Jets ist. Beide Projekte sind mittlerweile deutlich hinter den Zeitplan zurückgefallen.

Wettbewerber für Airbus und Boeing

Mitsubishi überlegt deshalb eine ganz neue Strategie. Die Japaner interessieren sich für das Regionaljet-Programm CRJ, das Bombardier zum Verkauf gestellt hat. Gleichzeitig prüft man eine US-Fertigung des MRJ, der angeblich in „Spacejet“ umbenannt werden soll.

Für Bryan Corliss vom Informationsdienstleister Leeham wäre das ein logischer Schritt. Mitsubishi bekäme dadurch nicht nur Zugriff auf eine etablierte Lieferkette in Nordamerika. Man könne sich auch wichtige personelle Kapazitäten zu guten Konditionen sichern, schreibt Corliss in einer aktuellen Studie: „Unsere Recherchen haben ergeben, dass japanische Luftfahrt-Ingenieure 75 Prozent mehr Geld erhalten als ihre US-Kollegen.“

„Der Schritt von Mitsubishi ist sehr interessant. Er zeigt einerseits, dass sich neue Marktteilnehmer nach wie vor schwertun, selbstständig im Markt Fuß zu fassen“, sagt Ohl von Alix Partners. Andererseits zeige er, dass es neben Boeing und Airbus durchaus neue Wettbewerber gebe, die in der Lage seien, sich bei etablierten Herstellern durch Zukäufe zu verstärken.

„Für mich ist grundsätzlich auch Comac ein potentieller Interessent bei solchen Transaktionen. Das Know-how rund um Triebwerke und andere relevante Komponenten kommen für die C919 nun mal bisher aus der westlichen Welt.“

Trotz all der Turbulenzen prognostiziert Ohl allerdings eine anhaltend hohe Nachfrage nach neuen Jets. „Wir haben zwei Entwicklungen: Auf der einen Seite gibt es die gestiegene Aufmerksamkeit für das Thema Klimaschutz. Die ist aber andererseits in der westlichen Welt ausgeprägter als in Asien, wo es immer noch einen Nachholbedarf beim Thema Reisen gibt.“

Hinzu komme die steigende Nachfrage nach immer effizienteren Flugzeugen, gerade mit Blick auf die gestiegenen und weiter steigenden Kerosinpreise.

Mehr: Der Preiskampf in der Luftfahrtbranche geht weiter. Die Lage in Europa wird auch für größere Anbieter bedrohlich. Sogar Billigairlines leiden.