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Gipfel der Ratlosen: G20-Staaten belassen es bei Lippenbekenntnissen

Die größten Industrie- und Schwellenländer kommen über vage Versprechungen nicht hinaus – vor allem im Kampf gegen Corona. Der US-Präsident ging lieber golfen, Xi gab den Anti-Trump.

Wenn es noch eines Zeichens bedurft hätte, dass die Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) allenfalls ein Schatten ihrer selbst ist – der von Saudi-Arabien organisierte zweitägige Videogipfel hat es geliefert. Donald Trump, der zwar abgewählte, aber immer noch amtierende Präsident der westlichen Führungsmacht, zog es nach kurzen Statements vor, im nahen Bundesstaat Virginia golfen zu gehen. Noch während seine G20-Kollegen verhandelten, kursierten am Samstag Bilder im Internet, wie Trump im roten Blouson und einer weißen Kappe seiner körperlichen Ertüchtigung nachgeht.

Aber auch das redliche Bemühen der übrigen Teilnehmer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ergebnisse des Gipfels enttäuschend sind – vor allem was den Kampf gegen Corona angeht. Bis auf die vorab vereinbarten 14 Milliarden Dollar für ärmste Entwicklungsländer zur Schuldenstundung kamen nur lose Versprechungen und Lippenbekenntnisse heraus.

Vor allem was eine gerechte Verteilung der Impfstoffe angeht, gab es wenig Konkretes. Die G20 will „keine Mühe scheuen, einen gerechten und erschwinglichen Zugang zu Corona-Impfstoffen in der Welt sicherzustellen“, heißt es in der Gipfelerklärung ebenso allgemein wie unverbindlich.

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Kanzlerin Angela Merkel warb für die Unterstützung der internationalen Impfstoff-Initiative Covax. „Wenn wir weltweit zusammenstehen, können wir das Virus und seine Folgen beherrschen und überwinden“, sagte sie. Merkel rief die G20-Partner ausdrücklich zur finanziellen Unterstützung der Covax-Initiative auf.

Um die Corona-Pandemie einzudämmen, müsse der Zugang zur Impfung für jedes Land möglich und bezahlbar sein. „Dazu reichen die bisher zugesagten Mittel noch nicht aus“, sagte Merkel. Ziel der Initiative sei es, bis Ende kommenden Jahres zwei Milliarden Impfdosen zu verteilen.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte, es müsse vermieden werden, „dass nur Reiche Zugang haben“. Über die Verteilung dürfe nicht die Kaufkraft der Länder entscheiden. Merkel zufolge sind bislang fünf Milliarden Dollar für Covax zusammengekommen. Deutschland beteilige sich daran mit über einer halben Milliarde Euro. Bis Ende 2021 werden für die Initiative insgesamt elf Milliarden Dollar benötigt. An ihr beteiligen sich 150 Länder, darunter auch China, aber nicht die USA. So fehlen bisher noch sechs Milliarden Dollar.

Xi gibt den Anti-Trump

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nutzte einmal mehr die Gelegenheit, sich als Anti-Trump zu inszenieren. Er wolle im Kampf gegen die Pandemie „die Kooperation mit anderen Ländern bei der Forschung, Entwicklung, Produktion und Verteilung von Impfstoffen verstärken“. Der Impfstoff müsse ein „öffentliches Gut“ sein – zugänglich und erschwinglich. Konkrete Maßnahmen? Fehlanzeige.

Auch bei den anderen wichtigen Gipfelthemen beschränkten sich die Teilnehmer auf Appelle. Der Klimawandel zähle „zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit“, heißt es im Abschlussdokument. Die G20-Gruppe spreche sich „ausdrücklich für das „multilaterale Handelssystem“ aus, was immerhin ein Fortschritt ist, denn im vergangenen Jahr in Osaka fehlte dieser Hinweis. Und: Wir werden „weiterhin alle verfügbaren politischen Instrumente einsetzen, um das Leben, die Jobs und die Einkommen der Menschen zu schützen“.

Viele, schön klingende Worte. Ob ihnen auch Taten folgen, bleibt abzuwarten. Die Initiative von Bundesfinanzminister Olaf Scholz jedenfalls zu einer internationalen Mindestbesteuerung von Unternehmen ist wieder einmal gescheitert.

Hoffnungsvoll waren die G20 während der Finanzkrise gestartet – als zentrales Organ zur Bekämpfung globaler Krisen. Die Pandemie, die in ihren ökonomischen Auswirkungen die Finanzkrise bei Weitem übertrifft, wäre so ein Einsatzfeld der G20.

Die Gruppe, die 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft auf sich vereint, entstand auch aus der Einsicht heraus, dass der Klub der G7-Industriestaaten sich überlebt hatte. Und dass eine Integration der großen Schwellenländer für eine nachhaltige Lösung globaler Probleme dringend notwendig war. Wirklich weitergekommen ist das Gremium bei diesem so wichtigen Anliegen allerdings nicht.