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Trump stellt seine Agenda über die Interessen der USA

Donald Trump verrückt die Leitplanken der amerikanischen Außenpolitik. Er erklärt die EU zu einem Gegner der Amerikaner – und sieht in Russland offenbar einen neuen Partner. „Die Welt möchte, dass wir miteinander auskommen“, sagt der US-Präsident bei seinem Treffen mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin in Helsinki.

Es ist Mittag in der finnischen Hauptstadt, als der Moment kommt, der viele westliche Diplomaten so beunruhigt: Die Türen im finnischen Präsidentenpalast schließen sich, Trump und Putin sind unter sich, begleitet nur von ihren Dolmetschern. Putin hat Trump warten lassen, ein Machtspiel, das der Kremlchef gerne aufzieht. Wahrscheinlich ist es noch als Zeichen der Wertschätzung zu interpretieren, dass Putin nur mit 50-minütiger Verspätung in Helsinki eintrifft. Angela Merkel hatte er einmal vier Stunden warten lassen.

Zwei Stunden bleiben Trump und Putin unter sich, länger als geplant, erst dann stoßen die wichtigsten Berater dazu, darunter die Außenminister Mike Pompeo und Sergej Lawrow. Was besprochen wird, dringt zunächst nicht nach außen. „Ein guter Anfang!“, ruft Trump den Journalisten während einer kurzen Unterbrechung zu. „Ein sehr, sehr guter Anfang für alle.“

Bei der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz ergreift Putin zuerst das Wort. Er spricht von einer „ehrlichen Diskussion“, einem „Erfolg“. Aber er spart auch Kontroversen nicht aus, verteidigt das Atomabkommen mit dem Iran, das die USA torpedieren. Und bestreitet vehement, was die amerikanischen Geheimdienste für erwiesen halten: die Einmischung Moskaus in den amerikanischen Wahlkampf.

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„Der russische Staat hat und wird sich nie in fremde Wahlen einmischen.“ Auf die direkte Frage, ob Putin auf einen Sieg Trumps gehofft hatte, sagt er: Ja, das habe ich – weil er sich für eine Verbesserung der Beziehungen mit Russland einsetzen wollte.

Es gehe jetzt darum, nach vorne zu blicken, betont Putin: „Der Kalte Krieg ist Vergangenheit“, es gebe keinen Grund für die Spannungen zwischen beiden Ländern. „Vielen Dank“, flüstert Trump ihm zu. Dann spricht der US-Präsident ins Mikrofon: „Das Verhältnis zwischen unseren Ländern war schlechter denn je. Aber das hat sich vor vier Stunden verändert.“

Treffen bereitet Europäern Sorge

Unter normalen Umständen würden es die Europäer begrüßen, dass Amerikaner und Russen ihre Sprachlosigkeit überwinden. Seit dem Ende des Kalten Kriegs waren die Beziehungen nicht mehr so schlecht wie heute. Doch die Umstände sind nicht normal. Europa hat das Vertrauen in die amerikanische Führung verloren. „Wir können uns auf das Weiße Haus nicht mehr uneingeschränkt verlassen“, bilanziert der deutsche Außenminister Heiko Maas.

Selbst Trumps Kabinettsmitgliedern bereitet das Vieraugengespräch der Präsidenten Sorge. Trump ist noch immer ein Novize auf dem Feld der internationalen Politik, dem Manipulationskünsten des früheren KGB-Agenten Putin dürfte er kaum gewachsen sein. „Vor dem Hintergrund einer Woche, in der Trump großflächig transatlantisches Porzellan zerschlagen hat, sind die Anbiederungsversuche des Präsidenten an Putin bestürzend“, sagt Constanze Stelzenmüller, Expertin der Brookings Institution in Washington.

Auf der Pressekonferenz verliert Trump kein schlechtes Wort über den russischen Präsidenten. Er attackiert die Medien, das FBI, die Opposition in den USA. Putin verschont er, sogar dessen Versicherung, sich nicht in den US-Wahlkampf eingemischt zu haben, nimmt er widerspruchslos hin.

Der Helsinki-Summit ist so improvisiert wie Trumps Wahlkampfauftritte. Er macht Geopolitik nach Bauchgefühl. Lust und Laune ersetzen Strategie und Planung. Die vergangene Woche war eine Hitparade der Grobheiten, mit denen Trump seine Anhänger verzückt und Amerikas Verbündete verstört hat. Der US-Präsident hat Deutschland beschimpft, die britische Premierministerin gedemütigt, die freie Presse zum Feind des Volkes erklärt und die EU als feindseligen Widersacher eingestuft.

Die wichtigsten Institutionen des Westens sind in ihren Grundfesten erschüttert – ein schöneres Begrüßungsgeschenk hätte sich Putin gar nicht wünschen können. Man meint ein süffisantes Lächeln zu erkennen, als der russische Präsident zu Beginn des Gipfels neben Trump Platz nimmt.

Trumps Handlungsspielraum ist begrenzt

Putin strebt einen neuen Vertrag zur Begrenzung nuklearer Sprengköpfe an. Das Start-Abkommen läuft 2021 aus. Auch der Streit über Nordstream 2 beschäftigt die Russen stark. Die Pipeline soll mehr russisches Gas nach Deutschland liefern, für Moskau geht es um wichtige Devisen. Doch Trump stemmt sich dagegen, seine Regierung droht mit Sanktionen.

Die Amerikaner wiederum hoffen auf ein Arrangement in Syrien. Ihre größte Sorge gilt nicht mehr dem mörderischen Regime in Damaskus, sondern den iranischen Milizen, die es unterstützen und die Israel bedrohen. Falls Russland seine Kontakte nach Teheran nutzt und den Iran zum Abzug seiner Kämpfer bewegt, könnten die USA bereit sein, ihre Truppen abzuziehen. Die Ölfelder im Osten Syriens wären dann wieder in der Kontrolle Assads – und seiner Schutzmacht Russland. Syrien könnte zum Beweis dafür werden, dass Russland und die USA kooperieren können, sagt Putin. Es gehe darum, einen „anhaltenden Frieden“ zu schaffen.

Trump würde wohl gern noch weiter gehen und Putin die Lockerung der Wirtschaftssanktionen anbieten, mit denen sein Vorgänger Barack Obama Russland für die Destabilisierung der Ukraine bestraft hatte. Entsprechende Andeutungen hat Trump häufiger gemacht, Putin beschwört bereits den Unternehmergeist der beiden Länder und die Chancen wirtschaftlicher Kooperation.

Doch Trumps Handlungsspielraum ist begrenzt. Zu Hause in den USA schlägt ihm enormes Misstrauen entgegen. Die Ermittlungen zu Moskau-Verbindungen seines Wahlkampfteams liegen wie ein dunkler Schatten über seiner Präsidentschaft – und sie verfolgen ihn nach Helsinki. Vor den Augen der Welt muss er die Frage beantworten, ob Putin belastendes Material gegen ihn gesammelt habe.

Russland und USA liegen in Krisengebieten über Kreuz

Während Trump unter Rechtfertigungsdruck steht, kann sich Putin als großer Gewinner des Gipfel fühlen. Sein wichtiges Ziel hat er bereits erreicht: Helsinki markiert das Ende der amerikanischen Bemühungen, Russland international zu isolieren.
Trump hat seine Bewunderung für Putin nie verhehlt, hat ihn als „starken Anführer“ gepriesen. Dabei gibt es kaum ein Krisengebiet, in dem die beiden Mächte nicht über Kreuz liegen.

Für die USA ist Russlands Landraub in der Ukraine ein Angriff auf die europäische Friedensordnung, Moskau stellt die Annexion der Krim-Halbinsel als Selbstverteidigungsmaßnahme gegen ein westliches Komplott da. Washington verurteilt die russische Unterstützung für den syrischen Diktator Assad und dessen iranische Verbündete, der Kreml kontert mit dem Vorwurf, dass US-Truppen gegen die territoriale Unverletzlichkeit Syriens verstießen.

Nach fast einhelliger Einschätzung amerikanischer Experten führt Putin ein mafiöses Regime, dessen Ziel es ist, Amerikas Einfluss zurückzudrängen – in Europa oder im Nahen Osten. Tatsächlich propagiert Russland das Ideal einer multipolaren Weltordnung und begreift dies als Gegenmodell zum amerikanischen Hegemonialanspruch. Trump ist ein zentraler Baustein der russischen Strategie – die Wahlkampfhilfe russischer Cyberagenten war kein Zufall, sondern eine meisterhaft organisierte Geheimdienstoperation.

Putin weiß: Der US-Präsident verfolgt seine eigene Russland-Politik und setzt sich über seine Minister und Berater hinweg. Trump will einen Schlussstrich unter die Konflikte der Vergangenheit ziehen, vor allem unter die blamable und gefährliche Russland-Affäre.

Auch darum hat Trump auf einem Vieraugengespräch bestanden. Er misstraut seinen Beratern, Informationslecks im Weißen Haus haben ihn immer wieder in Verlegenheit gebracht. Außerdem, so heißt es aus US-Regierungskreisen, ist Trump überzeugt, dass er im persönlichen Gespräch, von Mann zu Mann, am ehesten ein Vertrauensverhältnis zu Putin aufbauen kann.

Trump hat sich eine eigene Realität geschaffen, eine Realität, in der nicht der Kreml die Schuld für die Beziehungskrise beider Länder trägt, sondern „amerikanische Unvernunft und Dummheit“. Je länger die Pressekonferenz läuft, desto breiter wird das Lächeln Putins.