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„Es gibt viele Möchtegern-Gründer, die keine echte Innovation haben“

Die Zahl der Wirtschaftsstudenten ist überraschend groß, als Carsten Maschmeyer im Rahmen des Handelsblatt-Wirtschaftsclubs in der Hamburger Brauerei-Gaststätte „Altes Mädchen“ auftritt. Dem Nachwuchs unter den rund 100 Gästen geht es vor allem um Tipps für die eigene Karriere oder Unternehmensgründung. Da hat der 59-Jährige im Gespräch mit Thomas Tuma genug Lebensweisheiten parat – und sogar ein bisschen Selbstkritik.

Herr Maschmeyer, Sie haben mittlerweile über 100 Millionen Euro in junge Unternehmen investiert. Wurden daraus eher 150 oder 50 Millionen?
Die Investments haben bislang gute Renditen erzielt. Wenn man in einer Nullzinsphase Geld anlegen will, halte ich Investitionen in innovative Unternehmen für eine wertsteigernde Idee. Und nach dem Verkauf meiner Firma vor elf Jahren wollte ich ja mein Geld gewinnbringend anlegen.

Sie meinen den damaligen Verkauf Ihres Finanzvertriebs AWD.
Genau. Auf einmal, wenn man die Firmenanteile veräußert hat und dafür Cash bekommt, geht man den üblichen Weg: Man kauft Blue-Chip-Aktien, Immobilien, Bonds, Gold. In meinem Fall habe ich dann eben auch begonnen, mich an Start-ups zu beteiligen. Was viele Anleger ja noch nicht realisiert haben: Wir steuern auf einen Anleihe-Crash vom Feinsten zu. Und sobald die ersten Zinsanstiege kommen, werden wir auch auf dem Immobilienmarkt Preisrücksetzer erleben.

Von Start-ups haben Sie sich demnach mehr Wachstum versprochen …
… und so kam es dann auch, obwohl ich am Anfang typische Fehler gemacht habe.

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Nämlich?
Meine ersten Start-up-Investments vor zehn Jahren folgten dem Credo: Ich kenn einen, der einen kennt, der eine Idee und mit einem Professor eine Firma gegründet hat. Das versprach die scheinbar beste Due Diligence, die man sich wünscht: Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Das reicht aber leider nicht. Insofern musste ich den Auswahlprozess dann doch schnell und deutlich professionalisieren und habe mir Topleute und Investment-Professionals ins Team geholt. Da lernt man vieles.

Zum Beispiel?
Nie in ein Start-up zu investieren, das von politischer Regulierung abhängig ist. Da können sich die Prämissen von heute auf morgen schlagartig ändern. Und dann verpufft der Business-Case mitsamt dem Geld. Dies habe ich leider bei einem meiner ersten Engagements in China erfahren. Leider sind auch Streitereien unter den Gründern ein häufiger Grund fürs Scheitern. Deshalb ist auch die charakterliche Beurteilung von Gründern von großer Bedeutung für eine Investmententscheidung.

Aber obwohl Sie mit Ihren Investments zufrieden sind – die Schlagzeilen werden eher von Ihren verbrannten Millionen beherrscht.
Ja, weil die Regel ganz einfach ist: Wenn man in den USA in zehn Start-ups investiert ist, werden die zwei gefeiert, die zu Raketen werden. In Deutschland wird gerne das eine Unternehmen rausgepickt, das scheitert. Vor vielen Jahren war ich an einem Unternehmen, das es nicht geschafft hat, mit nur sechs Prozent beteiligt. Und trotzdem hieß es dann: Maschmeyers Start-up ist pleite.

Nörgeln wir Deutschen zu viel?
Wir sind zumindest leider immer noch eher eine Neidgesellschaft.

Ihr bestes Investment bislang?
Es gibt viele, die sich überproportional gut entwickelt haben. Zwei will ich hier besonders hervorheben: Blacklane, die am schnellsten wachsende Limousinen-Plattform der Welt. Und die auf Depressionsdiagnostik und -therapie spezialisierte Brain Health aus München. Tolle Firmen, die schon viele Hundert Millionen wert sind.

Von der Medikamentenentwicklung lassen Sie doch eigentlich die Finger.
Weil mir das zu passiv ist, ja. Da könnte ich gleich ETFs kaufen. Junge Gründer erwarten schließlich neben Kapital noch zwei andere Dinge von mir: Netzwerk und Vertriebsunterstützung. Ich will denen ja auch helfen. Bei Pharma ist man jedoch zum Zuschauen verdammt und kann nur beten. Brain Health mit Professor Holsboer ist die positive Ausnahme: Hier kenne ich den Erfinder gut und wusste von Beginn an um seine überragenden wissenschaftlichen Fähigkeiten und weltweiten Kontakte.

Was raten Sie uns Kleinanlegern denn nun?
Zunächst rate ich Ihnen, etwas nicht zu tun: zurzeit in Immobilien zu investieren. Denn dafür ist es – abgesehen vom selbst genutzten Häuschen – als Geldanlage schon zu spät. Ich höre immer öfter von Investoren, dass sie bereits verkaufen.

Also?
Wenn man sich die Entwicklung über Dekaden anschaut, schlägt Produktivvermögen alles andere.

Zum Beispiel Aktien …
… die sich im großen Ganzen immer nach oben entwickelt haben, ja. Es ist die beste Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Wer’s gern kurzfristiger hätte, dem rate ich zu Value-Investing, also Fonds auf unterbewertete Aktien.

Wie ist es um die Start-up-Kultur in Deutschland bestellt?
Grundsätzlich gut. Deutschland hat sich in den letzten Jahren, was Start-ups angeht, hervorragend entwickelt. Wahr ist dabei auch: Es gibt, ganz besonders in Berlin, auch viele Möchtegern-Gründer, die keine echte Innovation haben.

In Berlin wurden doch auch Erfolge wie Hello Fresh oder Zalando geboren.
Absolut. In Berlin leben zugleich auch die besten jungen Unternehmer … leider aber ebenso jene, die sich nur für die besten halten, aber nicht mal eine echte Geschäftsidee haben. Und dann gibt es noch jene, die oft tolle Experten und Techniker sind, aber einfach nicht verkaufen können. Das Silicon Valley werden wir zwar nicht mehr einholen, was Start-ups angeht. Wir können aber noch die Nummer drei oder vier auf der Welt werden, wenn wir jetzt rechtzeitig die Kurve kriegen.

Was müsste sich politisch ändern?
Da will ich gar nichts fordern. Gründen braucht keine Gesetze, sondern eine Geisteshaltung …

… und wenigstens eine Metropole wie Berlin?
Glaube ich nicht. In Berlin bekommt man als Start-up ohnehin kaum noch bezahlbare Büroflächen. Man kann auch in kleineren Städten erfolgreich gründen. Wir haben beispielsweise sehr gute Start-ups in Passau mit crealytics oder in Mannheim mit stocard.

Ab September sind Sie wieder als Juror der Start-up-Show „Die Höhle der Löwen“ auf Vox aktiv. Ist das ein Abbild der hiesigen Szene? Dann müsste man ja fürchten, dass hierzulande nur noch vegane Lieferdienste oder Lutschbonbons auf Ingwer-Blumenkohl-Basis erfunden werden.
Da kann ich Sie beruhigen. Ohne zu viel zu verraten: Wir werden in dieser Staffel die spannendsten Innovationen und höchsten Investments sehen, die „Die Höhle der Löwe“ bisher hatte. Natürlich geht’s in der Sendung auch immer ums Geschäft, das Produkt und die Branche. Aber für mich ist am Ende der Unternehmer entscheidend, nicht das Unternehmen. Da halte ich die Gründer in der „Höhle der Löwen“ durchaus für repräsentativ für Deutschland – und Deutschland wiederum für global wettbewerbsfähig.

Sie selbst haben dort schon in die unterschiedlichsten Firmen investiert – vom Dirndl-Onlineshop bis zu Hightech-Klebestiften. Wie oft scheiterten Deals, die im Fernsehen noch nach großer Zukunft aussahen?
Ich würde schätzen, dass gut ein Drittel der Fälle nicht zustande kommt. Das ist bedauerlich, gerade für uns als Investoren, weil wir uns ja vor der Öffentlichkeit positiv zum Unternehmen geäußert haben und Investitionen vor den Kameras zugesagt haben.

Warum scheitern die Deals dann doch?
Weil nach der Show plötzlich unerwartete Probleme auftauchen. Ein Beispiel: In der Sendung wird uns zugesichert, dass für das Produkt ein Patent besteht, in Wirklichkeit wurde aber erst ein Gebrauchsmuster beantragt. Oder dass es hohe Anlaufverluste gab, die uns verschwiegen wurden. Wie im echten Leben kommt dann nicht jeder angedachte Deal zustande.

Wie viel eigenes Geld haben Sie bei der Show dennoch bislang eingesetzt?
Geschätzt waren es sieben bis acht Millionen Euro. Und so wie es bei Immobilien immer „Lage, Lage, Lage“ heißt, geht es mir bei Start-up-Investments um „Team, Team, Team“. Denn längst schon hat der Krieg um Talente begonnen. Das gilt nicht nur für unsere Volkswirtschaft als Ganzes, nicht nur für Siemens oder die Telekom, sondern auch für die Zalandos von morgen. Heute müssen sich Unternehmen bei den Kandidaten bewerben – nicht umgekehrt. Denn nur mit Top-Personal schafft ein Start-up auch den Aufstieg.

Sie selbst wurden mit einer alleinerziehenden Mutter groß. Ihren leiblichen Vater haben Sie nie kennengelernt. Sie wurden streng erzogen, öfter mal vom Stiefvater verprügelt. Was prägt Sie davon heute noch?
In meiner Kindheit habe ich unsere Armut nicht als Armut wahrgenommen. Das kam erst auf dem Gymnasium, als meine Mitschüler erzählten, wohin sie in den Urlaub fliegen oder welche Autos ihre Väter fuhren. Für meine Mutter war es die größte Schande, damals, vor mehr als 50 Jahren, überhaupt ein uneheliches Kind zu haben. Ihre größte Sorge war dann, dass aus diesem Jungen – eben aus mir – nichts wird. Also musste ich viel lernen und gute Noten nach Hause bringen – ich wurde fürs Funktionieren gelobt. Den Ehrgeiz meiner Mutter habe ich zunächst als Jugendlicher auf den Sport übertragen, später ist er mir im ganzen Geschäftsleben geblieben.

Welche Rolle spielte Geld für Sie?
Reine Luxusartikel waren mir noch nie so wichtig. Ich wollte damals nur meine eigene Wohnung haben, denn bei meiner Mutter zu Hause konnte ich nie mit meiner damaligen Freundin ungestört Zeit verbringen. Sie hatte wohl Angst, dass es auch noch ein uneheliches Enkelkind geben würde.

Sie waren immer auch eine öffentliche Figur. Warum wurde Öffentlichkeit für Sie so wichtig?
Das war eine wechselseitige Entwicklung. Ich hatte vor etwa 20 bis 30 Jahren Interesse, in die Medien zu kommen – und Medien hatten Interesse an einem schon in jungen Jahren vermögenden Unternehmer. Anfangs verführt dieses Interesse ja auch, wenn man wie ich im Alter von gerade mal 40 seinen eigenen Finanzvertrieb an die Börse bringt. Also ging ich auch zu oft in Talkshows. Das polarisierte. Daher habe ich in der zweiten Phase versucht, mich rauszuhalten und weggeduckt, was auch wieder falsch war, weil der eigene Standpunkt dann ja gar nicht mehr sichtbar ist in der öffentlichen Debatte.

Das war bei Ihnen die Zeit, als Sie nur noch der böse „Drückerkönig“ waren …
… und entsprechend hart attackiert wurde. Aber es ist ja mittlerweile aufgeklärt, dass mein früherer Wettbewerber, die DVAG, jahrelang einen Rufmörder für die Manipulation von Journalisten bezahlt hat.

In welcher Phase sind Sie jetzt?
Plötzlich werde ich wieder zu den unterschiedlichsten Themen gefragt, doch äußern will ich mich vorrangig zu zweien: Start-ups und Investments. Auf diesen Feldern kenne ich mich mittlerweile nun wirklich gut aus. Dort, wo ich einen Beitrag leisten kann und andere davon lernen können, stehe ich gerne Rede und Antwort.

Generell gefragt: Können Unternehmer und Manager ihr Image steuern?
Ich habe aufgehört, darüber ernsthaft nachzudenken. Wahr ist, dass der Umgang mit Medien heute noch wichtiger ist, als er es vor 20, 30 Jahren war. Denken Sie nur an die Möglichkeiten von Social Media – im Guten wie im Schlechten. Unterm Strich ist Kommunikation für die meisten Unternehmen heute ein weitaus größerer Aufwand als früher. Mein Eindruck ist auch: Viele arbeiten heute deutlich seriöser als damals, aber die wenigen negativen Fälle werden viel lauter thematisiert. Selbst eine exklusive Story ist in Minutenschnelle auf allen Kanälen und Onlineportalen. Unabhängig davon sind in zu vielen Unternehmen reine Zahlenmenschen oder Technokraten an der Spitze. Ich finde, da sollte es eher eine Aufgabenteilung geben.

Ein Chef fürs Geschäft, einer für die Show?
Vielleicht nicht so explizit, aber jedes Gründer-Team braucht auch einen Spitzenverkäufer, der vor allem das People Business versteht, also empathisch ist und gut kommunizieren kann. In den USA weiß man das längst. Ich sehe jedenfalls, dass die Krisenkommunikation mancher Firmen deren Lage oft verschlimmert. Dabei ist es gerade in der heutigen Zeit oft besser, Fehler einfach mal einzugestehen.

Welches Image hat die deutsche Wirtschaft generell?
Leider in Deutschland ein weit schlechteres als die amerikanische bei den Amerikanern. Dabei sind wir letztlich die Blaupause für ganz Europa. Wir sind schon arg überkritisch, obwohl im Gegensatz zu vielen Managern eher einige Spieler unserer Fußball-Nationalmannschaft bei dieser Weltmeisterschaft überbezahlt waren.

Was läuft schief im Land?
Die allgegenwärtige Transparenz sorgt dafür, dass manche zu Recht an den Pranger gestellt werden. Aber wir neigen doch auch zu Überreaktionen. Das sorgt dafür, dass wir nicht nur für die Politik immer weniger guten Nachwuchs begeistern können. Ich fände es zum Beispiel gut, wenn ein deutscher Regierungschef ähnlich wie in den USA nur einmal wiedergewählt werden könnte …

… weil uns dann einige Jahre Merkel erspart geblieben wären?
Nein, weil es sich dann freier regieren ließe … und manche notwendigen Reformen ohne Rücksicht auf eventuelles Wählerverhalten einfach gemacht werden könnten. Gegenwärtig ist die Politikverdrossenheit doch enorm in unserem Land. Die Folge ist, dass tolle Talente aus der Wirtschaft oder Industrie gar nicht mehr in Betracht ziehen, in die Politik zu gehen.

Sie sind jetzt 59. Wie sieht Ihr eigener Fünf-Jahres-Plan aus?
Ein Investor wie ich wird erst dann arbeitslos, wenn er vermögenslos ist (lacht). Da ich großen Spaß an der Zusammenarbeit mit unseren Start-ups habe und auch Verantwortung für unsere Co-Investoren trage, freue ich mich auf viele weitere spannende und erfolgreiche Jahre als Gründercoach und Investor.

Herr Maschmeyer, vielen Dank für das Interview.