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Das sind die Gewinner des Georg-von-Holtzbrinck-Preises

In vier Kategorien zeichnet der Georg-von-Holtzbrinck-Preis herausragenden Journalismus aus. Das sind die diesjährigen Gewinner.

Zum zwanzigsten Mal wurden in Frankfurt herausragende Beispiele für Qualitätsjournalismus ausgezeichnet. Der „Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik“ ist ein Beleg dafür, wie wichtig Medien im Internet-Zeitalter bleiben. Diese Journalisten wurden vor 100 geladenen Gästen in den Räumen der Commerzbank in Frankfurt ausgezeichnet:

Preisträger Kategorie Print: „Milliardenfalle Glyphosat“

Von Emotio und Ratio: Es ist vor allem die Differenziertheit, die Laudator Tonio Kröger, Geschäftsführer antoni GmbH, an dieser „Story“ überzeugt: „Die Autoren erlauben dem Leser, sich weitgehend selbst ein Bild zu machen. Eine eindeutige Meinung fällt schwer, und das ist richtig.“

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Richtig ist es deshalb, weil der Fall so wahnsinnig komplex ist. Denn es geht um den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat. Gewinner in der Kategorie Text ist das Handelsblatt-Autorenteam Bert Fröndhoff, Thomas Jahn, Katharina Kort, Anke Rezmer und Britta Weddeling. Unter dem Titel „Milliardenfalle Glyphosat“ haben sie hinter die Kulissen einer der größten Unternehmensübernahmen der deutschen Wirtschaftsgeschichte geblickt und detailliert die Folgen beschrieben.

Mit Monsanto will sich der Chemiekonzern Bayer fit für die Zukunft machen, hat sich damit aber auch erhebliche und unkalkulierbare Rechtsrisiken ins Haus geholt. Die Klageflut wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat nimmt kein Ende. Die Autoren arbeiten das emotionale Thema mit einer betont sachlichen Sprache und nüchterner Analyse auf.

Geschickt schlägt der Report die Brücke zwischen den Geschehnissen im Gerichtssaal, den Entscheidungen in der Konzernzentrale und der Situation der „Opfer“, die wegen ihrer den gesundheitlichen Gebrechen gegen Bayer/Monsanto vor Gericht zogen.

Es sei tiefer Einblick in das amerikanische Rechtssystem, lobt Kröger: „Es ist schwer, Recht zu finden zwischen emotionalen menschlichen Schicksalen einerseits und dem Nachweis einer krebserregenden Wirkung von Glyphosat andererseits.“ Die Trennung zwischen Emotio und Ratio sei in diesem Fall besonders wichtig.

Es gebe die emotionale Frage, wie es sein könne, dass ein Ehepaar gleichzeitig die gleiche Art von Knochenkrebs bekommt, es gebe aber auch die rationale Frage eines wissenschaftlichen Nachweises der Krebswirkung des Unkrautvernichters. Gerade deshalb sei es auch so wichtig gewesen, ressortübergreifend zu arbeiten.

„Ich bin überzeugt, dass diese Auszeichnung auch das Resultat einer echten Teamarbeit ist und dem Erfolg des guten Korrespondentennetzes des Handelsblatt zu verdanken ist“, sagt Mitautorin Kort. Die umfassende Recherche habe dazu geführt, dass man sich eben nicht festgelegt habe auf das Glyphosat als das Böse oder die Jury als die Dumpfen. Und für Fröndhoff steht fest: Eine Lösung aus dem Dilemma kann nur in einem Vergleich liegen. „Jedes Verfahren, das Bayer in der Vergangenheit geführt hat, endete in einem Vergleich.“

Preisträger Kategorie Audiovisuell: „Gefangen in Katar“

Die einfachen, aber richtigen Fragen gestellt: „Der beste Journalist ist der, der recherchiert und erzählt“, weiß Jochen Wegner. Gerade deshalb überzeugt den Chefredakteur von Zeit Online jene Geschichte, die Benjamin Best für den WDR produziert hat.

Es geht um die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar – und das aus einer besonderen Perspektive. Unter dem Titel „Gefangen in Katar – Ausbeutung vor der WM 2022“ hat Best die katastrophalen Zustände recherchiert, unter denen Arbeiter für den Wüstenstaat die Sporttempel errichten.

Der Autor stellt die öffentlichen Erklärungen etwa der Fifa, die Missstände beseitigen zu wollen, gegen die brutale Realität: Gastarbeiter aus Nepal, Indien und Bangladesch, denen die Pässe weggenommen werden, die auf ihren Lohn warten, die ihre auf das Geld angewiesenen Familien zu Hause hängen lassen müssen.

Angesichts der fürchterlichen Bilder aus den Unterkünften und den erschütternden Aussagen der Betroffenen lässt der Film die Bekundungen der Fifa und die Ausreden der beteiligten Unternehmen als inhaltsleer und wertlos erscheinen. „Die himmelschreienden Arbeitsbedingungen wurden immer wieder angeprangert, Katar hat Besserung gelobt“, so Wegner in seiner Laudatio. Heute könne man in Katar angeblich zufriedene Arbeiter finden.

„Best hat sich die Frage gestellt, ob das stimmt“, so Wegner. Er sei mit versteckten Kameras in einer Brille und in einem Autoschlüssel losgezogen. Und er habe herausgefunden: Es hat sich nichts gebessert. Einer der Arbeiter frage sich in dem Beitrag, ob es nicht besser wäre tot zu sein, weil er seit acht Monaten kein Geld zur Familie überweisen könne. „Best hat die einfache Frage gestellt, wie geht es der Frau. Und er ist nach Kathmandu gefahren und hat nachgeschaut“ belegt Wegner die Präzision der Recherche.

Die Bilder seien verwackelt, dafür sei der Beitrag eines der intensivsten Stücke, das er bisher gesehen habe, lobt Wegner: „Mir ist klar, dass so ein Journalismus immer schwerer zu finanzieren ist.“ 125 Arbeitern seien nach dem Ausstrahlen des Films ihre Pässe zurückgegeben worden, ihr Geld hätten sie aber bis heute nicht bekommen. „Best sollte dringend einen weiteren Beitrag machen, um dieses wichtige Thema weiter zu betreuen“, empfiehlt der Laudator.

Dagegen hat der Autor nichts einzuwenden. Wenngleich Best überzeugt ist: „Der Film trägt auch in seiner jetzigen Kürze sehr gut.“ Aber es wäre vielleicht wirklich eine gute Idee, knapp drei Jahre vor der WM noch mal intensiver draufzuschauen.

Preisträger interaktive Multimedia-Speziale: „Das dunkle System“

Nicht nur schöne Sätze: Fast genau ein Jahr ist es her, da erschütterte der Skandal um gefälschte Reportagen die Redaktion des Spiegels und die gesamte Medienlandschaft. Seitdem wird genauer geschaut, auch in der Jury des Georg von Holtzbrinck-Preises. „Als Journalist wird man hellhörig, wenn eine Geschichte sich anfühlt, als wäre sie zu schön. So ging es uns bei dieser Geschichte“, sagt Sven Afhüppe, der Chefredakteur des Handelsblatt.

Die Geschichte heißt „Das dunkle System“. In dem Web-Spezial von Jannika und Stefan Schultz für Spiegel Online geht es um die systematische Verfolgung von Menschen nach der Gründung der Volksrepublik China. 50 Millionen Bürger soll das „Regime“ seitdem inhaftiert haben.

Das Besondere: Beide haben ihre drei „Helden“ der Geschichte – ehemalige Inhaftierte - über sechs Jahre lang begleitet. Entlang ihrer persönlichen Geschichte wird über einen tragenden Text, begleitet von Fotos, Videos und ansprechenden Grafiken die Situation der „Geächteten“ geschildert.

Herausgekommen sind berührende Einblicke in den Alltag im Straflager und in die schwierige Situation der Angehörigen. Das Spezial nimmt mit und klärt gleichermaßen auf. „Es wühlt einen auf“, so Afhüppe in seiner Laudatio. „Ein wunderbares Beispiel für Qualitätsjournalismus. Wir waren ergriffen von der kraftvollen Sprache. Gleichzeitig haben wir uns gefragt: Ist das wirklich passiert?“ Man habe deshalb die Autoren gebeten, Recherchematerial vorzulegen. Das sei dann auch geschehen.

Ohne dass die Jury es bei der Bewertung gewusst habe, sei das Thema mit der Verfolgung der Uiguren in Westchina aktueller denn je, so Afhüppe: „Journalismus muss wachsam sein, dorthin gehen, wo sich andere nicht trauen und wegschauen.“

Die Politik und die Wirtschaft schweige zur Situation in China. Doch die enge wirtschaftliche Verbindung mit dem Land dürfe kein Grund sein, schweigsam zu bleiben. Für ihn gebe es im Journalismus drei Prinzipen: Er solle informieren, dabei aber nicht belehren. Er solle kritisch sein, aber nicht verletzten. Und er solle schön sein, aber nicht unwahr. Das Web-Spezial erfülle all drei Prinzipien.

Stefan Schultz wusste zu Beginn der Recherche nicht, dass sie sechs Jahre dauern würde. Darüber sei er im Nachhinein auch froh, sonst hätte er das wohl nicht geschafft. „Uns bedeutet der Preis sehr viel, auch weil die drei Protagonisten dadurch noch mehr Öffentlichkeit bekommen.“

Ferdinand-Simoneit-Nachwuchspreis: Kohleausstieg in der Lausitz und Geldanlage für Nonnen

Laudatorin Alexandra Borchardt, Senior Research Associate am Reuters Institute for the Study of Journalism, hatte in diesem Jahr besonders viel zu tun: „Bei zwei Beiträgen gab es Punktegleichheit, deshalb gibt es zwei Nachwuchspreise.“ Der erste geht an Handelsblatt-Redakteurin Kathrin Witsch. Sie reiste in die Lausitz, um den Kohle-Ausstieg und die Folgen einzufangen.

In ihrer Reportage „Raus aus der Kohle – Ist die Lausitz noch zu retten“ zeigt sie einfühlsam, wie der gewaltige Umbruch, der bereits seit Jahren im Gange ist, Kommunalpolitiker wie Bürger fordert. Wie können Unternehmen angesiedelt, wie kann die Infrastruktur ertüchtigt und attraktiv gemacht werden?

Witsch gelingt es, die Protagonisten nicht nur als Verlierer darzustellen, sondern als Menschen, die versuchen, was möglich ist – und dabei durchaus kreativ zu Werke gehen. „Wenn eine Reporterin loszieht, ist die Versuchung groß, genau die Erwartung zu erfüllen, die das Publikum hat“, weiß Borchardt. Das seien etwa sterbende Dörfer und Menschen, die wegziehen. Witsch habe dieser Versuchung widerstanden, aber auch der, alles wiederum nur positiv darzustellen.

„Sie zählt auf, was schon gelungen ist, aber spart die Misserfolge und die Fragezeichen nicht aus“, so Borchardt. Witsch selbst bringt das auf eine einfache Formel: „Mir ist es als Journalistin wichtig, genau das zu schreiben, was ich sehe.“

Ein ganz anderes Thema hat sich Lukas Zdrzalek von Capital vorgenommen: die Altersvorsorge von Frauen. Dem auf den ersten Blick langweilig anmutenden „Gegenstand“ verleiht der Autor durch einen besonderen Kniff Zugkraft. Die Heldin seiner Geschichte ist eine Nonne, die das millionenschwere Portfolio einer Abtei steuert.

Durch diesen besonderen Blick gelingt es, das Thema Geld und Anlage nicht nur unterhaltsam zu vermitteln. Geldanlage wird auch zu einer Angelegenheit, die keineswegs nur was für „Experten“ ist.

„Schwester Lioba macht neugierig“, sagt Borchardt: Investiere sie in Facebook Aktien, kaufe sie VW-Aktien? „Der Autor weiß, es reicht nicht, über Google zu recherchieren. Die Antworten können eben nicht immer schnell im Internet recherchiert werden, weil sie persönlich sind.“

Die Nonnen hätten viele Fragen gestellt, die sich auch viele Bürger stellen würden. Der Text liefere keine einfachen Antworten, aber er liefere Anregungen. Er habe sogar eine Nacht im Kloster übernachtet und an der Frühmesse teilgenommen, berichtet Zdrzalek selbst: „Ich habe die Hoffnung, dass der Text dabei hilft, dass sich Leute mit Aktien beschäftigen, die das sonst nicht tun.“