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Getestet: Lohnt sich Amazon Fresh?

Lebensmittelversand Amazon Fresh: Nach Berlin beliefert der Online-Gigant nun auch Kunden in Hamburg (Foto: © Amazon)
Lebensmittelversand Amazon Fresh: Nach Berlin beliefert der Online-Gigant nun auch Kunden in Hamburg (Foto: © Amazon)

Seit Ende Juli bietet der Internet-Gigant Amazon seinen Lebensmittelversand Amazon Fresh auch in Hamburg und damit in der zweiten deutschen Stadt an. Yahoo-Autor Nils Jacobsen hat den Lieferdienst umgehend getestet.

Vorab ein Geständnis: Ich bin kein großer Einkäufer. Den Großteil unserer Einkäufe erledigt meine Frau, ich komme eher zum Tragen der Tüten mit – und die können am Ende ganz schön schwer werden, wenn man fürs Wochenende bei Edeka, Rewe und Lidl einkauft, weil man aus jedem Supermarkt etwas anderes benötigt, den Lachs bei Lidl, den Aufschnitt bei Edeka, Wasser von Evian in 1,25-Literflaschen bei Rewe.

Wie schön wäre es also, wenn man sich die ein oder andere Stunde Einkauf sparen und die Ware einfach nach Hause liefern lassen könnte? Möglich ist das theoretisch bereits bei Edeka und Rewe, doch in beiden Fällen reicht mir das Sortiment nicht aus und die Lieferkosten (erst ab einem Bestellwert von 70 Euro ist der Versand bei Edeka kostenfrei, bei Rewe sind es 40 Euro) schrecken mich ab.

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Entsprechend freut mich die gute Nachricht, dass Amazon seinen Lebensmittelversand Fresh nach Berlin nun auch in Hamburgs Ballungszentren anbietet. Und siehe da: Ich habe Glück, in Altona / Ottensen wird von Tag eins zugestellt. Ohne jede Frage geht Amazon bei mir mit einem Bonus ins Rennen: Seit Ende der 90er-Jahre bin ich glücklicher Kunde, ich kaufe praktisch alles bei Amazon, weil zuverlässig und schnell geliefert wird, die Auswahl ist grandios und der Kundenservice amerikanisch-gut. Geht etwas schief, hat der Kunde immer recht.

Für Prime-Kunden gilt eine Monatsgebühr von 9,99 Euro

Als Kunde des Premiumservice Prime, der mich im Jahr 69 Euro kostet und mit kostenloser Lieferung am gleichen oder nächsten Tag, dem Video-Streaming-Service und anderen Extras versorgt, qualifiziere ich mich zum Test von Amazon Fresh. 30 Tage lang kann ich Amazons Online-Supermarkt testen, danach wird eine monatliche Nutzungsgebühr von 9,99 Euro fällig.

Für jemanden, der den Einkauf nicht als Großereignis zelebriert, sondern eher als lästige Pflicht absolviert, ist das eine echte Einstiegshürde. Man sollte also einige Male im Monat einkaufen, um die Nutzungsgebühr wieder herauszubekommen. Doch auch die Lieferung kostet noch mal: Nur wer für über 40 Euro bestellt, bekommt seine Lieferung kostenlos. Wenn ich also vier Mal im Monat für über 40 Euro bestelle, bezahle ich pro Einkauf lediglich rechnerisch 2,50 Euro oben drauf, das wäre mir die Zeitersparnis wert – und meinem Rücken die Getränke-Schlepperei sowieso. Allein: Kauft man so oft, so viel ein? Und will man das überhaupt?

Schon beim ersten Kauf haben wir Probleme, die 40-Euro-Grenze zu erreichen, was in erster Linie an unserem bisherigen Kaufverhalten versus Amazons Angebot liegt. Es ist eine Frage der gelernten Kauferfahrung, denn die Auswahl bei Amazon Fresh ist groß, riesengroß. Nach Angaben des US-Internetgiganten stehen zum Start unglaubliche 300.000 Produkte zum Einkauf bereit – darunter 6000 Bioprodukte und zahlreiche Angebote aus Feinkostgeschäften.

Qual der Wahl: Welche der drei Heidelbeersorten soll es nun sein?

In der Praxis erschlägt mich die Auswahl tatsächlich: Frisches Obst, Gemüse, Brot und Backwaren, Milch und Kühlprodukte, Fleisch, Wurst und Fisch, Tiefkühlprodukte, frische Fertigerichte, Getränke, Spirituosen, Körperpflegeartikel, Haushaltswaren – die Einkaufsmöglichkeiten sind länger als meine Bedürfnisse. Ich bin zunächst sehr damit beschäftigt, mich durch das Angebot durchzuklicken, doch nach fünf Minuten merke ich, dass sich so etwas wie Online-Einkaufsstress einstellt: Im Supermarkt sehe ich auf einen Blick, was mir geboten wird, online stellt sich schnell die Qual der Wahl ein.

Etwa beim Obst, wo ich sofort bei Beeren lande, solange die Saison noch läuft: 125 Gramm Heidelbeeren aus Deutschland zu 1,49 Euro oder Bio Heidelbeeren für 50 Cent mehr – 125 Gramm Himbeeren aus Deutschland oder die Sorte SanLucar, ebenfalls aus Deutschland, für 50 Cent mehr? An dieser Stelle würde ich auch gerne den Frischecheck machen und überprüfen, ob die Himbeeren nicht doch schon überreif sind. Am Ende stolpere ich über drei verschiedene Himbeer- und Heidelbeersorten, das ist mir zu viel, ich entscheide mich für die günstigste Variante, 6,49 Euro für 200 Gramm Bio-Himbeeren erscheinen mir allzu absurd.

Die Qual der Wahl setzt sich beim Gemüse fort, sollen es die Kulturchampignons, die Bio Kulturchampignons oder doch die weißen Kulturchampignons sein? Am Ende wird man wahrscheinlich wie bei den Offline-Supermärkten seines Vertrauens mit der Erfahrung schlauer. Obst und Gemüse sind gekauft, wie sieht es mit Brot aus? Auch hier ist das Angebot reichhaltig: 750 Gramm Weltmeisterbrot sind schon ab 1,39 Euro zu haben, ein Kilo Lieken Krustenbrot für 1,19 Euro. Nur nach in Scheiben geschnittenem und frisch verpacktem Brot suche ich vergebens. Ich bestelle stattdessen zwei Croissants zu 1,49 Euro.

Enttäuschung bei der Fisch-Auswahl

Wie sieht es mit dem Hauptgericht aus? Beim Fisch, für uns eines der wöchentlichen Hauptnahrungsmittel, stellt sich die erste große Enttäuschung ein. Amazon Fresh kann den Fischhändler um die Ecke bislang leider nicht ersetzten. Die Auswahl ist klein – und nicht mal besonders exklusiv. Viele Nordsee-Produkte und Räucherlachs stechen ins Auge, für ein 300 Gramm-Stück Lachs von „Deutsche See“ werden allerdings 8,99 Euro fällig, das ist fast der doppelte Preis, den wir für das leckere Stück Bio-Lachs von Lidl in gleicher Menge bezahlen. An dieser Stelle hat Amazon Friese eindeutig Verbesserungspotenzial.

Die virtuelle Fleischtheke ist dagegen wieder besser bestückt: 500 Gramm Rinderhackfleisch für 2,59 Euro von Gutendörfer sind ein fairer Deal, 400 Gramm Hähnchengeschnetzeltes von Wiesenhof gibt es für unter 3 Euro, das passt. Was noch? Barilla Spaghetti landen für 1,49 Euro – und damit durchaus unter dem Supermarktniveau – ebenso im Einkaufswagen wie eine Flasche Shiraz von Käfer, Brillenputzpücher und die Zewa Küchenrollen.

Bei weiteren Routinekäufen hakt es jedoch: Als großer Orangina-Fan würde ich mir gerne eine Flasche für das Wochenende gönnen, doch die Chance besteht bei Amazon Fresh nicht. Entweder das 24er-Dosen-Pack oder ein 6er-Literflaschen-Pack, das zwar in der Gesamtheit deutlich günstiger ist als der Liter bei Edeka, doch ich kenne mich. Wenn sechs Flaschen Orangina zu Hause herumstehen, trinke ich sechs Flaschen in einer Woche – genau das geht nun aber wirklich nicht, 6 Liter Orangenlimonade – und damit Zuckerwasser – sind das NoNo, vor dem schon Kinder im schulpflichtigen Alter gewarnt werden. Eine einzige – Flasche oder Dose – gibt es nicht, ich gehe also leer aus.

Frusterlebnisse: Längst nicht alle bekannten Marken und Größen sind vorhanden

Ähnlich fällt das Frusterlebnis beim versuchten Schokoladenkauf aus: Sehr gern würde ich einen „Hello Dark Chocolate“-Stick von Lindt kaufen – ein kleiner Appetizer und eben nicht die ganze Tafel –, doch was ich kurz vor der Kasse bei Edeka und Rewe finden kann, verwehrt mir Amazon Fresh.

Wirklich existenziell wird die Enttäuschung bei der Auswahl des Wassers, dem eigentlich wichtigsten Pflichtkauf meiner Bestellung. Seit Jahren trinke ich stilles Evian und bilde mir ein, einen großen Unterschied zu anderen Mineralwässern festzustellen. Spätestens aber mit dem ästhetischen Redesign der Flache ohne billigen Aufkleber, sondern mit rotem Evian-Schriftzug vor dem Hintergrund der französischen Alpen haben die Franzosen mich als treuen Kunden eingesammelt, immer kaufe ich die 1,25 Liter-Flasche, eine Größe, die sonst niemand anbietet.

Zu meiner großen Bestürzung muss ich nun bei Amazon Fresh feststellen, dass Evian im Sortiment nicht vorhanden ist, sondern Volvic, Vittel, Via oder Gerolsteiner. Wasser ist gleich Wasser? Pfft! Dann kann ich ja auch gleich Leitungswasser trinken. Ziemlich widerwillig entscheide ich mich für einen klobigen 6er-Kasten von Volvic, um die 40-Euro-Marke vollzubekommen und beende meine Bestellung doch mit einem unbefriedigenden Gefühl. Vieles, was ich sonst eingekauft hätte, habe ich bei Amazon Fresh (noch) nicht gefunden – an anderes könnte ich mich vielleicht nach einiger Zeit gewöhnen.

Reibungslose Lieferung im 2-Stundenfenster

Die Lieferung, durchgeführt von DHL, erfolgt tags darauf. Wer bis 22 Uhr am Abend bestellt, bekommt seine Lieferung am nächsten Tag in einem Zeitfenster von zwei Stunden – Besteller bis 10.30 Uhr erhalten die Lieferung sogar noch am gleichen Tag. Daran muss man sich unterdessen erst einmal gewöhnen: auf eine Lieferung von Lebensmitteln zu warten. Normalerweise ist der Kauf von Lebensmitteln ja der unmittelbarste Einkauf überhaupt: Man kauft, wann man es einrichten kann – und oft, um sie gleich zu essen oder zu trinken. Möglicherweise stundenlang auf Nahrungsmittel zu warten (passendweise an einem Sommerabend), macht schnell ungeduldig.

Zum Glück erlöst mich der Amazon Fresh-Mann mit seinen grünen Lieferboxen nach einer Stunde. Die Lieferung hat etwas Exklusives: Die gekühlten Frischeboxen werden geöffnet, die Ware in Altpapiertüten und ansehnlicher Verpackung samt Aufkleber mit minutengenauer Abpackung ausgehändigt. Gerade die frische Ware ist es, mit der Amazon punktet: Die Croissants und der Käse schmecken wie von der Feinschmeckertheke. Zwei kleine Enttäuschungen gibt es doch: Die Himbeeren und der gekochte Schinken konnten nicht geliefert werden, darüber hatte mich Amazon bereits vorab per Mail informiert.

Fazit: Lohnt sich Amazon Fresh? Im jetzigen Stadium sicher nicht für jedermann. Das Angebot ist groß, oft günstiger als im Supermarkt – und doch lückenhaft. Amazon Fresh könnte sich gut als Basis-Lebensmittelversender für die viel beschäftigte junge Familie etablieren, die zwischen Job-Verpflichtungen und Kita sehr dankbar für Getränke-, Haushalts- und andere Standardbestellungen ist. Den Marktbesuch am Wochenende aber ersetzt Amazon Fresh aus dem Stand noch nicht.