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Regionen-Vergleich: Einkommen in Starnberg doppelt so hoch wie in Gelsenkirchen

Das Einkommen in Deutschland ist regional ungleich verteilt. Die Folge sind beispielsweise Abwanderung in Gelsenkirchen und Wohnungsnot in Starnberg.

Die gute Nachricht: Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland steigt kontinuierlich. Heute haben die Deutschen über zwölf Prozent mehr Geld auf ihren Konten als noch 2000, das zeigt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler Stiftung. (Link zur WSI-Grafik)

Die schlechte Nachricht: Das Pro-Kopf-Einkommen ist regional ungleich verteilt. Das heißt: Nach Abzug der Steuern, Abgaben und Sozialtransfers wie etwa Kindergeld, bleibt etwa im Osten Deutschlands weniger für Konsum oder Sparen übrig als in den meisten westlichen Städten. Im Durchschnitt hat so jede Person 23.295 Euro pro Jahr zur Verfügung.

Doch während in Starnberg bei München das jährliche Pro-Kopf-Einkommen im Schnitt bei 34.987 Euro liegt, müssen Menschen in Gelsenkirchen mit 16.203 Euro oder in Halle an der Saale mit 17.218 Euro, also weniger als der Hälfte, im Jahr auskommen. Das haben Eric Seils und Helge Baumann anhand der neuesten verfügbaren Einkommensdaten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder ausgewertet.

Damit ist im Ruhrgebiet und vielen Städte im Osten das Einkommensniveau „vergleichbar mit dem in Italien oder auf Korsika“, schreiben die Studienautoren. Parallel dazu verdienen die Bewohner in den reichsten Gegenden in Starnberg, dem Hochtaunuskreis oder Heilbronn mit über 32.000 Euro soviel wie in Luxemburg – dem reichsten EU-Land.

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Das widerspricht dem politischen Ziel „einheitliche“ oder „gleichwertige“ Lebensverhältnisse in der gesamten Bundesrepublik zu schaffen – wie es im Grundgesetz niedergeschrieben ist.

Ein wenig Hoffnung gibt es doch: Statt bei 81,5 Prozent zur Jahrtausendwende lag das Pro-Kopf-Einkommen im Osten 2016 bei 85 Prozent des Westniveaus. Es gleicht sich also an, jedoch nur sehr langsam. Der Osten und das Ruhrgebiet hängen ein paar Jahre hinterher.

Kinder müssen als einzige morgens aufstehen

„Das liegt am Strukturwandel“, erklärt Martin Schulmann, Pressesprecher der Stadt Gelsenkirchen. Nach dem Ende des Bergbaus in den 80er Jahren schwanden die Stellen und damit die Einwohnerzahl. Statt ehemals fast 400.000 Einwohnern, sind heute etwa 260.000 Menschen in Gelsenkirchen gemeldet.

Durch den freien und günstigen Wohnraum wurde die Stadt in den vergangenen Jahren für Einwanderer aus der östlichen EU und für Geflüchtete attraktiv. Diese hätten häufig keine Ausbildung, seien Analphabeten.

„Im Bergbau gab es viele Arbeitsplätze für Ungelernte. Diese Menschen können Sie heute nicht in ein Ingenieurbüro schieben“, sagt Schulmann. So würden viele langzeitarbeitslos. In Nordrhein-Westfalen ist Gelsenkirchen mit einer Arbeitslosenquote von 12,5 Prozent Spitzenreiter. Zum Vergleich: Bundesweit liegt die Quote bei gut fünf Prozent. Dies schlägt sich auch im Durchschnittseinkommen nieder.

„In manchen Familien sind die Kinder die einzigen, die morgens aufstehen müssen“, sagt Schulmann. Um dieser Entwicklung ein Ende zu setzen, setzt die Stadt vor allem auf die Förderung der Kinder. In fast jedem Klassenzimmer hängt ein Whiteboard. Es gibt schnelles Internet, Laptops und Tablets, die den Unterricht technisch erleichtern sollen. Ein Talentzentrum, wo die besonderen Fähigkeiten der Kinder entdeckt und gefördert werden sollen, ist im Bau.

Zudem hat die Stadt alle Gewerbegebiete mit Glasfasernetzen ausgestattet. „Doch nur weil sie schnelles Netz haben, kommen die Unternehmen nicht sofort“, sagt Schulmann.

In Starnberg bei München, der Region mit dem höchsten Einkommen, gibt es andere Probleme. „Es herrscht Wohnungsmangel“, sagt Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der regionalen Wirtschaftsentwicklung Gwt. Gerade Normalverdiener, wie Erzieher oder Krankenpfleger, können entweder die Mieten nicht zahlen oder finden erst gar nichts Passendes. „Hier leben sehr viele Top-Verdiener“, sagt Winkelkötter.

Mehr Ein- als Auspendler in Starnberg

Die Region ist geprägt von Ein- und Zweifamilienhäusern. Zwei- bis Dreizimmerwohnungen gibt es nur begrenzt. „Wenn wir aber diese gesellschaftliche Schicht halten wollen, müssen wir neuen und bezahlbaren Wohnraum schaffen“, meint er. Denn Arbeitsplätze gebe es genug. Eine Erhebung zeigt, dass im Jahr 2016 täglich 29.000 Menschen nach Starnberg pendelten während nur 27.000 rausfuhren. Ungewöhnlich für eine ländliche Region, die direkt neben der Großstadt München liegt.

Normalerweise pendeln die Menschen aus den „Speckgürteln“ in die Großstadt. „Grund dafür sind die Hidden Champions des Mittelstands oder etwa Konzerne wie der Satellitenbauer OHB“, sagt Winkelkötter. Die Unternehmen arbeiten auf internationalem Niveau und locken so viele Arbeitskräfte an.

Die wichtigste Zukunftsstrategie sei für ihn daher die „Bestandspflege“. Das bedeutet, dass er sich mit den Unternehmern vor Ort zusammensetzt, um Bedürfnisse wie etwa die notwendige Infrastruktur, zu ermitteln.

Der Erfolg in Starnberg deutet dabei noch auf einen anderen Trend hin. So zeigen die Zahlen, dass die Städte zunehmend verarmen. Denn auch wenn das Einkommen in den 15 größten Städten über dem Bundesdurchschnitt liegt, fällt das Einkommenswachstum insgesamt deutlich schwächer aus. Zwischen 2000 und 2016 stieg das Pro-Kopf-Einkommen in Gesamtdeutschland real um 9,7 Prozent.

Doch in Hamburg, wo es noch am besten lief, gab es in der gleichen Zeit ein Einkommensplus von nur 6,3 Prozent. In Essen und Nürnberg seien hingegen deutliche Rückgänge zu beobachten. Rechne man hinzu, dass die Kosten für Miete und Lebensmittel aus dem Topf des Pro-Kopf-Einkommens bezahlt werden, wird das Leben in der Stadt immer teurer. „Sollte dieser Trend in den kommenden Jahren anhalten, ist in den Großstädten mit einem weiteren Anstieg der Einkommensarmut zu rechnen.“