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Gesundheitsindustrie warnt: Attraktivität Deutschlands als Forschungsstandort sinkt

Der Gesundheitssektor hat einen überdurchschnittlichen Effekt auf die Gesamtwirtschaft, zeigt eine Untersuchung. Doch Bürokratie und fehlende Digitalisierung gefährden die Branche.

„Unternehmen drohen Deutschland zu verlassen, weil sie hier im internationalen Vergleich vielen bürokratischen Hürden ausgesetzt sind“, mahnt der Bundesverband der Deutschen Industrie. Foto: dpa
„Unternehmen drohen Deutschland zu verlassen, weil sie hier im internationalen Vergleich vielen bürokratischen Hürden ausgesetzt sind“, mahnt der Bundesverband der Deutschen Industrie. Foto: dpa

Nach der Automobilindustrie, dem Energiesektor und der Stahlbranche droht einem weiteren Wirtschafszweig in Deutschland eine darbende Zukunft: der industriellen Gesundheitswirtschaft. Zu dieser zählt etwa die Herstellung von Arzneimitteln, medizinischen Großgeräten sowie die Bereiche Biotechnologie und Digitalisierung.

In den vergangenen Jahren war die Branche Wachstumsgarant. Doch in den vergangenen beiden Jahren zeigt sich ein jähes Ende dieser Entwicklung. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Berliner Wifor-Instituts für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die dem Handelsblatt vorliegt.

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Demnach sank die Bruttowertschöpfung der industriellen Gesundheitswirtschaft, also der Gesamtwert der erzeugten Waren und Dienstleistungen, 2019 im Vergleich zum Vorjahr um rund 400 Millionen Euro auf eine Billion Euro. Zuvor war diese Kennzahl seit 2010 durchweg gestiegen, um insgesamt 25 Prozent. Zudem ist die Beschäftigtenzahl zwischen 2018 und 2019 leicht zurückgegangen.

„Unternehmen drohen Deutschland zu verlassen, weil sie hier im internationalen Vergleich vielen bürokratischen Hürden ausgesetzt sind“, bemängelt Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Insbesondere Forschung und Entwicklung (F & E) seien zentral für eine intakte Gesundheitsversorgung, besonders in Pandemie-Zeiten.

Doch auch die Wertschöpfung bei F & E geht zurück. Sie stieg zwischen 2010 und 2018 im jährlichen Durchschnitt um circa sechs Prozent, zu 2019 waren es weniger als zwei Prozent. „Eine stockende Wachstumsdynamik und der Rückgang von F & E-Investitionen seit zwei Jahren trüben gewaltig die Stimmung“, sagt Plöger.

Drängen auf Reform der staatlichen Forschungsförderung

Dabei zeigt die Wifor-Analyse die Relevanz der Aktivitäten der industriellen Gesundheitswirtschaft. Die Marktforscher haben dafür den sogenannten ökonomischen Fußabdruck des Sektors durch ihre F & E-Aktivitäten errechnet. Demnach sei mit jedem Euro Wertschöpfung rund 1,85 Euro Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft verbunden.

Durch die Beschäftigung von zwei Erwerbstätigen in der F & E der Gesundheitswirtschaft wurden rund fünf Arbeitsplätze in der gesamten Volkswirtschaft gesichert, behauptet die Wifor-Analyse. Daraus resultiere für die Branche hinsichtlich der Beschäftigtenzahl ein ökonomischer Fußabdruck in Höhe von 132.190 Erwerbstätigen in 2019.

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Für die Auswertung hat das Institut Daten des Statistischen Bundesamtes zu 930 Waren und Dienstleistungen analysiert. Dafür wurden neben der direkten Wertschöpfung induzierte Effekte herausgefiltert. Das kann etwa die Anzahl der Erwerbstätigen in der Gesamtwirtschaft sein, die Güter für die industrielle Gesundheitswirtschaft erstellen.

Die Analyse zeigt, dass die Verflechtung in der Gesamtwirtschaft stärker ist als in anderen Branchen. Aus einem Euro Wertschöpfung in der Automobilindustrie entstehen in der Gesamtwirtschaft 1,47 Euro, im Maschinenbau sind es 1,17 Euro, in der Elektroindustrie 1,02. Für die Wifor-Analysten unterstreicht das die Notwendigkeit politischer Reformen.

Zuerst regen sie eine Reform des erst zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Gesetzes für die Forschungsförderung an. Mit bis zu einer Million Euro fördert der Staat darüber Personalkosten von Unternehmen im Bereich F & E. Ausgeschlossen sind allerdings Unternehmen „in wirtschaftlichen Schwierigkeiten“.

Betroffen sind laut Wifor auch explizit forschende Unternehmen, die noch keine Gewinne erzielen. Dabei sei die Intention des Gesetzes, gerade solche Unternehmen zu unterstützen: „Diese Regelung erscheint daher kontraproduktiv“. Darüber hinaus müsse der Schutz geistigen Eigentums gestärkt werden. Patente seien „der Hauptanreiz“ für Investitionen in F & E.

Drittens steigere ein höherer Digitalisierungsgrad die Effizienz. Bislang könne „von einer flächendeckenden Digitalisierung nach wie vor nicht die Rede sein“. Schließlich könne eine durchgängige digitale Infrastruktur den Austausch zwischen Forschungseinrichtungen, forschenden Unternehmen sowie Ärzten und Krankenhäusern vorantreiben. BDI-Co-Geschäftsführerin Plöger fordert deshalb: „Die deutsche Politik muss den Forschungsstandort stärken.“

„Ich bin da optimistischer als manche kritischen Stimmen“, erwiderte Gottfried Ludewig, Leiter der Digitalisierungsabteilung des Bundesgesundheitsministeriums, am Donnerstag bei der Handelsblatt-Veranstaltung „Health – The Digital Future“. Man habe bereits Regelungen geschaffen, damit die forschende Gesundheitsindustrie besser mit Daten versorgt werde. Ludewig stellte aber auch klar: „Ich bin immer offen dafür, dass wir uns in den nächsten Monaten und Jahren alle miteinander anschauen, wo wir Dinge noch besser machen können.“

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