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Geschlossene Schulen und Kitas sind ein Rückschritt für die Gleichstellung

Die Krise drängt selbst moderne Beziehungen ins klassische Rollenklischee. Hier muss die Politik schnell eine Lösung finden – nicht nur mit mehr Geld.

Das Nachbarland hat klare Perspektiven aufgezeigt, trotz strenger Regeln. Das fehlt in Deutschland. Foto: dpa
Das Nachbarland hat klare Perspektiven aufgezeigt, trotz strenger Regeln. Das fehlt in Deutschland. Foto: dpa

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in Zeiten von Corona implodiert. Wer seit dem Shutdown vor sechs Wochen täglich im Homeoffice vom Arbeitgeber gefordert wird, zeitgleich als Lehrer und Erzieher amtiert und mittags die „Wichtelküche“ betreibt, der weiß das.

Wer für seine Schulkinder die Notbetreuung in Anspruch nimmt, weil er zur Arbeitsstelle muss, der hat mittlerweile erfahren, dass damit keine Beschulung garantiert ist. Der Schulstoff muss nach Feierabend mit dem Kind nachgeholt werden. Das führt die Familien immer stärker an ihre Grenzen.

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Wenn die Eltern der 3,7 Millionen Kitakinder und elf Millionen Schüler hierzulande das Gefühl hätten, dass die Politik mit Hochdruck an Lösungen für das Corona-Betreuungsdilemma arbeitet, dann wären sie vielleicht weniger verzweifelt. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass die Verantwortlichen in Bund und Ländern die Zwangslage der Familien vornehmlich als Privatproblem betrachten. Hauptsache, Karstadt macht auf, Hauptsache, es kommt zum Neustart der Bundesliga.

Mit auffallender Stringenz hat die Bundesregierung Wirtschaftspakete beschlossen. Allein 600 Milliarden Euro fließen in die Unterstützung von Unternehmen und Start-ups. Zuletzt wurden der Gastronomie Hilfen zugesichert. Das alles ist gut und richtig. Daran hängen Arbeitsplätze. Das hilft auch den Familien. Immerhin hat der Koalitionsausschuss nun auch ein 500-Millionen-Euro-Programm für den digitalen Unterricht in den Schulen beschlossen. Doch auf viel mehr können Eltern derzeit nicht hoffen. Mit den Geldern wird kein einziges Schulklo für künftige Hygiene-Erfordernisse saniert.

Dabei drohen durch den Corona-Betreuungsstopp nicht nur Probleme für die Entwicklung der Kinder, sondern auch drastische Veränderungen in der Gleichstellung von Mann und Frau über die Phase der akuten Pandemie hinaus. Denn in der Not dürfte in viele Familien das Ernährer-Hausfrauen-Modell zurückkehren.

Dänemark macht es vor

In einer Zeit, da jedes fünfte Unternehmen Stellen abbauen will und jede zweite Firma Kurzarbeit eingeführt hat, übernimmt logischerweise derjenige die Kinderbetreuung, der weniger verdient. Das sind meist immer noch die Frauen, die in Teilzeitarbeit gehen, sobald die Kinder kommen. Das Coronavirus zwingt sie nun in die klassische Rollenverteilung zurück.

Darüber tröstet auch keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz hinweg – auch wenn der finanzielle Ausgleich natürlich immens wichtig ist. Moderne Männer, die sich nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehnen, werden in die Ernährerrolle gedrängt.

Wäre ein Ende der Einschränkungen durch das Coronavirus in Sicht, erschiene der Trend weniger verfestigt. Doch bislang haben die Bundesländer keine detaillierten Konzepte vorgelegt, wie Lockerungen bei Kitas und Schulen aussehen und wann sie kommen könnten. Bundesfamilienministerin Giffey und Bundesbildungsministerin Karliczek erdulden ihre geringen Einflussmöglichkeiten.

Dabei geht es auch anders, wie etwa das Beispiel Dänemark zeigt. Unser Nachbarland öffnete Kitas und Grundschulen bereits wieder: mit Schichtbetrieb, klaren Hygiene- und Abstandsregeln und Ausweichen an alternative Standorte. Dieser Schritt erfolgte bewusst für berufstätige Mütter und Väter.

Datenanalysen aus Island legen nahe, dass Kinder nur selten schwer an Covid-19 erkranken und das Coronavirus nicht aggressiv übertragen. Auch wenn deutsche Virologen die bisherigen Befunde kritisch bewerten, so müssen solche Ansätze auch hierzulande aufmerksam registriert werden.

Die Pläne müssen transparent sein

Kein verantwortungsvolles Elternteil erwartet oder fordert gar die übereilte Öffnung von Bildungseinrichtungen. Aber die Familien brauchen einen Zeitplan. Was spricht dagegen, mögliche Szenarien je nach Infektionsverlauf transparent zu machen?

Deutschland muss auch flexible und unkonventionelle Maßnahmen in den Blick nehmen. Wie kann ein Schichtbetrieb in der Schule aussehen – den es übrigens auch schon mal Ende der 1980er-Jahre wegen Asbestfunden gab? Was ist mit provisorischen Standorten und Behelfsbauten, um kleinere Gruppen zu realisieren? Wie können konkrete Hygiene- und Abstandsregeln aussehen? Wie lässt sich zusätzliches Personal mobilisieren? Auf diese Fragen muss die Politik mutige und zugleich verantwortungsvolle Antworten finden, und zwar schnell.

Je länger sie die Eltern im Ungewissen lässt, desto schneller werden sich traditionelle Geschlechterrollen zementieren. Auch die Arbeitgeber können das mit Blick auf den Fachkräftemangel nicht wollen.

Die finanzielle Lage der Eltern in näherer Zukunft ist dabei mitzudenken. Ein Corona-Elterngeld kann Druck aus der Situation nehmen. Es müsste aber möglichst so konzipiert sein, dass beide Elternteile die Arbeitszeit reduzieren. Sonst sind es doch wieder nur die Frauen, die die Leistung in Anspruch nehmen. Hierbei bleibt die Schwierigkeit, dass jene, die um ihren Job bangen, sich wohl kaum trauen werden, weniger zu arbeiten – so groß die Verzweiflung daheim auch ist.