KIEW (dpa-AFX) -Die Ukraine hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, die laufenden "gesetzwidrigen Wahlen" in den von Russland besetzten Gebieten nicht anzuerkennen. "Die Scheinwahlen Russlands in den zeitweilig besetzten Gebieten sind null und nichtig", erklärte das Außenministerium in Kiew am Freitag. Bei erneuten russischen Drohnen- und Raketenangriffen auf die Ukraine kam in der Nacht offiziellen Angaben zufolge mindestens ein Mensch ums Leben und rund 60 weitere wurden verletzt. Unterdessen überschattete der Streit um den Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch den Beginn des G20-Gipfels an diesem Wochenende. Das Treffen drohte deswegen, ohne gemeinsame Abschlusserklärung zu enden.
Ukraine fordert wegen Scheinwahlen neue Sanktionen
Die von Russland inszenierten Abstimmungen hätten keinerlei rechtliche Folgen, stellten zugleich aber eine "grobe Verletzung" der territorialen Integrität der Ukraine und des Völkerrechts dar, betonte das Außenministerium. Kiew forderte zudem, die Organisatoren der Scheinwahlen sowie die russischen Machthaber und die Mitglieder der Besatzungsverwaltungen vor Gericht zu stellen. Auch müssten neue Sanktionen gegen die Verantwortlichen verhängt werden. Bis Sonntag werden in Russland Kommunal- und Regionalwahlen abgehalten. Inmitten des seit mehr als anderthalb Jahren andauernden Angriffskriegs hat der Kreml zudem in den annektierten ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson Scheinabstimmungen angesetzt.
Diese von der Besatzungsmacht organisierten Abstimmungen haben international keine Gültigkeit. Schon die Ergebnisse der Scheinreferenden zur völkerrechtswidrigen Annexion der vier Regionen im vergangenen Jahr wurden von anderen Staaten nicht anerkannt.
Dutzende Verletzte bei russischen Angriffen
Bei russischen Drohnen- und Raketenangriffen ist nach ukrainischen Angaben ein Polizist getötet worden. Insgesamt 48 weitere Menschen wurden verletzt. Bei einem Einschlag in Krywyj Rih wurde eine Polizeistation getroffen, wie Serhij Lyssak, der Militärgouverneur des Gebietes Dnipropetrowsk, mitteilte. Er sprach von 44 Verletzten in der Stadt. Die Räumungsarbeiten dauerten noch an. Auch im Gebiet Sumy im Norden wurden drei Menschen verletzt. Insgesamt seien 20 Wohnhäuser und 8 Fahrzeuge bei einem Raketenschlag beschädigt worden. Auch im südlichen Gebiet Saporischschja wurde nach Angaben des dortigen Militärgouverneurs Jurij Malaschko eine Person verletzt.
Kein Beleg für Gerüchte nach Beschuss eines ukrainischen Marktes
Wenige Tage nach dem Angriff auf einen Markt in der ostukrainischen Stadt Kostjantyniwka mit mindestens 16 Toten kursierten Gerüchte, es habe sich möglicherweise um ein ukrainisches Geschoss und kein russisches gehandelt. Dafür sehen unabhängige Experten allerdings keine Belege. Angesichts von Videoaufnahmen, in denen ein deutliches Rauschen zu hören sei, halte er es für wahrscheinlich, dass mit einem Marschflugkörper angegriffen worden sei, erklärte etwa der Münchner Experte Markus Schiller auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Solche Marschflugkörper wiederum könnten in der Luft ihre Richtung ändern und Schleifen drehen. Daher sei auch die Richtung des Einschlags kein harter Beweis für die Urheberschaft. Kiew spricht von einem russischen Angriff.
Bereits das fünfte Mal in dieser Woche wurde die Hafenregion Odessa angegriffen, vor allem mit Drohnen. Die ukrainische Luftwaffe meldete den Abschuss von 16 der insgesamt 20 gestarteten Drohnen. Zunächst gab es keine Angaben über größere Schäden oder Opfer.
Rumänien plant Schutzmaßnahmen für Bevölkerung an Grenze zu Ukraine
Angesichts der russischen Angriffe im Grenzgebiet der Ukraine plant die Regierung in Bukarest Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung auf rumänischem Territorium. Demnach sollen im Donaudelta Schutz-Quartiere für den Fall von Bedrohungen aus der Luft sowie Warn-Mechanismen eingerichtet werden, hieß es. Zuletzt hatte Russland mehrfach die ukrainischen Donau-Häfen Reni, Ismajil und Kilija angegriffen. Diese sind nur rund 500 Meter von Rumänien entfernt.
EU hält Scheitern des G20-Gipfels für möglich
Der G20-Gipfel in der indischen Hauptstadt Neu Delhi könnte nach Einschätzung der EU ohne gemeinsame Abschlusserklärung enden. Es sei schwierig vorherzusagen, ob es möglich sein werde, sich zu verständigen, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel vor Beginn des Spitzentreffens an diesem Samstag. Ein Grund sei, dass es für einige Staaten in diesem Jahr schwieriger zu sein scheine, einer klaren Verurteilung des Kriegstreibers Russlands zuzustimmen, so Michel.
Russland wirft Westen Druck auf Indien vor G20-Gipfel vor
Moskau wiederum warf den führenden westlichen Industriestaaten vor, in der Frage Druck auf Indien auszuüben. Der Westen versuche in dem Abschlussdokument, seine "einseitige Herangehensweise bei der Lage um die Ukraine" aufzuzwingen, teilte das Außenministerium mit. "Die indische Seite versucht vor diesem Hintergrund, ihren neutralen Status zu behalten, weil es von einem streng wirtschaftlichen Mandat der Gruppe der 20 ausgeht", hieß es.
Gastgeber Indien hoffte weiter auf eine gemeinsame Erklärung. Bei vorangegangenen Treffen auf Ministerebene stimmten China und Russland jeweils Passagen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht zu, was gemeinsame Kommuniqués verhinderte. Zur G20 gehören - neben der EU - 19 der stärksten Volkswirtschaften der Erde.
Musk: Ukrainischen Angriff auf russische Flotte verhindert
Tech-Milliardär Elon Musk hat nach eigenen Angaben einen ukrainischen Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte in der Hafenstadt Sewastopol verhindert. Er habe einen Antrag der ukrainischen Regierung abgelehnt, das Satelliten-Kommunikationssystem Starlink seiner Firma SpaceX in der Region zu aktivieren, schrieb Musk bei seiner Online-Plattform X (ehemals Twitter). "Ihre offensichtliche Absicht war, den Großteil der vor Anker liegenden Flotte zu versenken", schrieb er. SpaceX wäre damit in eine größere Kriegshandlung und Eskalation verwickelt gewesen, erklärte Musk.
Russland-Spionageaffäre: Anklage gegen BND-Mitarbeiter und Komplizen
Die Bundesanwaltschaft klagte einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und einen mutmaßlichen Komplizen an, weil sie geheime Informationen an den russischen Geheimdienst FSB verraten haben sollen. Sie wirft den beiden Deutschen zwei Fälle von besonders schwerem Landesverrat vor, wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte. Das Berliner Kammergericht muss über die Zulassung der Anklage und einen möglichen Prozess entscheiden.