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Gericht verurteilt Kremlgegner Nawalny zu dreieinhalb Jahren Haft

Einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok hat der Kremlgegner Alexej Nawalny überlebt. Nun sperrt die russische Justiz den schärfsten Gegner von Kremlchef Wladimir Putin für Jahre ins Gefängnis.

Der russische Kremlgegner Alexej Nawalny muss nach einem Urteil eines Moskauer Gerichts dreieinhalb Jahre in ein Straflager. Foto: dpa
Der russische Kremlgegner Alexej Nawalny muss nach einem Urteil eines Moskauer Gerichts dreieinhalb Jahre in ein Straflager. Foto: dpa

Der russische Kremlgegner Alexej Nawalny muss nach einem Urteil eines Moskauer Gerichts dreieinhalb Jahre in Haft. Der 44-Jährige habe mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen, teilte das Gericht am Dienstag mit. Deshalb wurde eine frühere Bewährungs- nun in eine echte Haftstrafe umgewandelt. „Ich war in Deutschland in Behandlung“, hatte Nawalny dazu im Gerichtssaal vor dem Urteil der vom Kreml eingesetzten Richterin Natalia Repnikowa gesagt. Der Gegner von Präsident Wladimir Putin hatte sich in Berlin und Baden-Württemberg fünf Monate lang von einem Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok erholt.

Nawalnys Anwälte kündigten umgehend Berufung an. Seine Vertrauten riefen nach dem Urteil zu weiteren Protesten in der Hauptstadt auf. Während des Prozesses wurden vor dem Gerichtsgebäude Dutzende Nawalny-Anhänger festgenommen. Bundesaußenminister Heiko Maas kritisierte die Gerichtsentscheidung scharf. Das Urteil sei „ein herber Schlag gegen fest verbriefte Freiheitsrechte und Rechtsstaatlichkeit in Russland“, twitterte Maas. Nawalny müsse unverzüglich freigelassen werden.

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Das Moskauer Gericht erklärte, die Haftstrafe werde um die Zeit verkürzt, die Nawalny zuvor unter Hausarrest verbracht habe. Details gab das Gericht nicht bekannt. Die Agentur IFX berichtete unter Berufung auf Anwälte, die noch zu verbüßende Strafe belaufe sich damit auf zwei Jahre und acht Monate.

Auch Großbritannien forderte unmittelbar nach dem Urteil die sofortige und bedingungslose Freilassung Nawalnys. Auch alle friedlichen Demonstranten und Journalisten, die in den vergangenen zwei Wochen festgenommen wurden, müssten freikommen, forderte Außenminister Dominic Raab. „Das perverse Urteil von heute zielt eher auf das Opfer eines Giftanschlags als auf die dafür Verantwortlichen“, unterstrich Raab. „Dies zeigt, dass Russland die grundlegendsten Verpflichtungen nicht erfüllt, die von jedem verantwortungsvollen Mitglied der internationalen Gemeinschaft erwartet werden.“

Die USA zeigten sich zutiefst besorgt über das Urteil und forderten ebenfalls die Freilassung Nawalnys. Die Washingtoner Regierung werde sich eng mit ihren Verbündeten absprechen, um Russland zur Verantwortung zu ziehen, erklärte Außenminister Antony Blinken.

Die Moskauer Polizei hat zum Beginn des Prozesses gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny laut dem unabhängigen Portal ovdinfo.org mehr als 300 Menschen festgenommen. Bereits am Sonntag waren Zehntausende in ganz Russland für die Freilassung des 44-Jährigen auf die Straße gegangen und hatten auch einen Rücktritt von Präsident Wladimir Putin gefordert.

Der russische Kremlgegner hat seinen Auftritt bei dem umstrittenen Gerichtsprozess in Moskau für einen neuen Angriff auf Präsident Wladimir Putin genutzt. Der Kremlchef werde als „Wladimir, der Vergifter der Unterhosen“ in die russische Geschichte eingehen, sagte Nawalny am Dienstag, wie verschiedene Kanäle im Nachrichtendienst Telegram aus dem Gericht berichteten. Nawalny erinnerte daran, dass er nur knapp einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebte. Für das Attentat macht er Putin und Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich.

Das „Killerkommando“ soll das Nervengift in seiner Unterhose angebracht haben. Nawalny kritisierte erneut, dass russische Ermittler bis heute Untersuchungen zu dem Anschlag vom August ablehnten. „Wir haben nachgewiesen, dass Putin diesen versuchten Mord verübt hat.“ Und nun spiele „dieser kleine diebische Mensch in seinem Bunker“ verrückt, weil sein Gegner überlebt habe, meinte der 44-Jährige. Putin und der FSB weisen es zurück, in den Mordanschlag verwickelt zu sein.

Der Oppositionsführer rief die Menschen in seinem Land auf, trotz des Drucks ihre Angst zu überwinden. Er verlangte zudem die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland. Gesetzlosigkeit und Willkür seien das Wesen des politischen Systems in Russland, meinte der Politiker weiter. „Das ist furchtbar“, sagte er in seinem Schlusswort. Die vom Kreml eingesetzte Richterin Natalia Pepnikowa forderte Nawalny auf, im Gerichtssaal keine Politik zu machen. Das Land gehöre den Menschen, erwiderte Nawalny. Sie hätten das Recht, gegen Missstände zu protestieren.

Die Verhandlung am Moskauer Stadtgericht lief unter einem beispiellosen Polizeiaufgebot ab. Das Moskauer Stadtgericht wurde von Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewacht und weiträumig mit Metallgittern abgesperrt, wie die dpa berichtet. Die Zufahrtsstraßen zum Gerichtsgebäude waren gesperrt, es standen zahlreiche Gefangenentransporter bereit. Im Internet veröffentlichten Festgenommene Hilferufe und berichteten, sie würden im Stehen in den Fahrzeugen ohne Wasser festgehalten.

Vor dem Gerichtsgebäude parkten zahlreiche Fahrzeuge von Diplomaten, was das russische Präsidialamt zu einer Stellungnahme veranlasste. Ausländische Diplomaten dürften in keiner Weise Druck auf das Gericht ausüben, erklärte der Kreml. Russland hoffe vor allem, dass die Europäische Union die bilateralen Beziehungen nicht abhängig mache vom Fall Nawalny. Dies wäre töricht. Russland werde Belehrungen nicht hinnehmen, erklärte das Präsidialamt mit Verweis auf den anstehenden Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau ab Donnerstag. Auf Kritik werde man jederzeit reagieren.

Präsident Wladimir Putin lehnt jeden Dialog mit Nawalny und dessen Anhängern ab. Am Sonntag hatten zahlreiche Menschen in Moskau und Dutzenden anderer Städte im ganzen Land die Freilassung des Kreml-Kritikers gefordert. Nach Schätzungen von OVD-Info wurden über 5300 Demonstranten festgenommen. In russischen Staatsmedien war von kleinen Demonstrationen die Rede, die von einem Versagen der Opposition zeugten. Nawalnys Team wiederum sprach von „überwältigender landesweiter Unterstützung“ für den bekannten Regierungskritiker. Schon am vorangegangenen Wochenende hatte es im ganzen Land Massenproteste für dessen Freilassung gegeben.

Nawalny war bei seiner Rückkehr nach Moskau am 17. Januar unmittelbar festgenommen und einen Tag später zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Das Vorgehen gegen Nawalny hatte international Entsetzen ausgelöst. Die Bundesregierung forderte mehrfach die Freilassung Nawalnys. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe das frühere Strafverfahren gegen Nawalny als „grob willkürlich beurteilt“. „Statt Nawalny und seine Unterstützer weiter zu verfolgen, zu unterdrücken und zu kriminalisieren, müssen endlich strafrechtliche Ermittlungen beginnen, um das Gift-Attentat auf ihn aufzuklären“, verlangte sie.

Russland lehnt Ermittlungen ab, weil es keine Hinweise auf eine Vergiftung sieht. Mehrere westliche Labors, darunter eins der Bundeswehr, hatten die Nowitschok-Spuren allerdings zweifelsfrei nachgewiesen. Die EU hat deshalb Sanktionen gegen ranghohe russische Funktionäre verhängt. Nawalnys Team fordert angesichts der Inhaftierung des Politikers weitere Sanktionen gegen Oligarchen und Funktionäre aus dem Umfeld Putins.

Die Demonstrationen für Nawalnys Freilassung haben den Kreml offenbar in Unruhe versetzt. Um sie im Keim zu ersticken, haben die Behörden Getreue Nawalnys und Aktivisten im ganzen Land festgenommen. Nawalnys Bruder Oleg, seine Vertraute Ljubow Sobol sowie drei weitere Personen wurde unter einen zweimonatigen Hausarrest gestellt. Ihnen war Missachtung von Corona-Beschränkungen bei Demonstrationen zur Last gelegt worden. Laut der Menschenrechtsgruppe Agora sind im Zusammenhang mit den Protesten 40 Strafverfahren in 18 russischen Regionen eingeleitet worden.

Auf eine Frage nach den Massenverhaftungen entgegnete Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag, dass die Proteste „unrechtmäßig“ gewesen seien. Es habe eine „ziemlich große Zahl von Hooligans, Provokateuren mit mehr oder minder aggressivem Verhalten“ gegenüber den Beamten gegeben. „Bei der Reaktion auf Provokationen handelt die Polizei harsch und im Rahmen des Gesetzes“, ergänzte Peskow.

Russische Staatsmedien wiesen in ihren Berichten über die Proteste vom Sonntag auch auf „aggressive Aktionen“ von Teilnehmern hin. Von „höflichem“ Vorgehen von Polizisten war die Rede. Der staatliche Fernsehsender Rossija 1 strahlte sogar Erklärungen von Bürgern aus, die Sicherheitskräften für ihren Einsatz bei den Demonstrationen dankten.

Mehr zum Thema: Russlandexperte Janis Kluge über den wachsenden Druck auf dem Kreml und das Dauerproblem Nord Stream 2.