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Gericht verteidigt „großzügigen Maßstab“ bei Beschimpfungen gegen Künast

Die Grünen-Politikerin ist mit einer Klage gegen Hass-Postings auf Twitter teilweise gescheitet. Nur in einem Punkt gaben ihr die Richter recht.

Die Grünen-Politikerin erlebt im Netz immer wieder harte Angriffe auf ihre Person. Foto: dpa
Die Grünen-Politikerin erlebt im Netz immer wieder harte Angriffe auf ihre Person. Foto: dpa

Verkehrte Welt. Eben erst hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur verbesserten Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz beschlossen. Nun konterkariert das Berliner Landgericht die Pläne.

In einem neuen Beschluss des Gerichts zu Beschimpfungen der Grünen-Politikerin Renate Künast auf Twitter, aus dem das Magazin „Der Spiegel“ zitiert, heißt es: Generell sei bei Äußerungen im Internet ein „großzügiger Maßstab“ anzulegen, weil es sich nicht um einen „Ort des Höflichkeitsaustauschs“ handle. Die Richter bleiben damit ihre bisherigen Linie treu.

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Künast war gegen Hass-Postings gegen sie vorgegangen. Sie wollte Facebook gerichtlich dazu zwingen, die Identität von 22 Verfassern solcher Kommentare herauszugeben. Die Richter erklärten jedoch, dass entsprechende Kommentare „keine Diffamierung der Person der Antragstellerin und damit keine Beleidigungen“ darstellten. Künast legte daraufhin Beschwerde ein. Unbekannte hatten die Bundestagsabgeordnete unter anderem als „Stück Scheiße“ und „Geisteskranke“ bezeichnet und noch drastischere und auch sexistische Posts geschrieben.

Gegen die Posts auf Facebook ist die Entscheidung noch offen. In ihrem Beschluss zu Twitter vom 16. November heben die Richter explizit darauf ab, dass sich Künast als Politikerin mit ihren Meinungen selbst in die Öffentlichkeit stelle. Daher müsse sie auch stark vereinfachte und drastische Einordnungen ihrer politischen Haltung hinnehmen. Die von ihr kritisierten Formulierungen wie „Abartige“ oder „perverses Pack“ bezögen sich zudem „für Durchschnittsrezipienten nicht zwingend“ auf sie selbst, heißt es in der Entscheidung.

Künast sagte dazu dem „Spiegel“: „Ich werde den Korrekturbeschluss zu meinem Auskunftsbegehren gegen Twitter so nicht akzeptieren.“ Sie halte es für „ungeheuerlich“, wenn ein Gericht meine, engagierte Menschen müssten sich so was gefallen lassen.

In einem Punkt entschieden die Richter indes für Künast. Laut „Spiegel“ geht es um einen Tweet auf Twitter aus dem Juli 2017. Ein Nutzer ohne Klarnamen hatte darin der Grünen-Politikerin ein falsches direktes Zitat („Ja zu Sex mit Kindern“) unterstellt.

„Freifahrtschein für die Verfasser von Hassnachrichten“

In diesem Fall sei Künasts Auskunftsersuchen an die Plattform datenschutzrechtlich zu erlauben, befand das Gericht, weil das verwendete Zitat eine unwahre Tatsachenbehauptung sei - „geeignet, die Klägerin verächtlich zu machen“ und ihrem Ansehen schweren Schaden zuzufügen. Demnach müsste Twitter nun unter anderem Klarnamen und E-Mail-Adresse des Nutzers herausgeben, ebenso wie die beim Hochladen des Tweets verwendete IP-Adresse.

Künasts Rechtsanwalt Severin Riemenschneider warf dem Gericht laut „Spiegel“ vor, die Chance nicht genutzt zu haben, die „eklatanten Rechtsfehler aus dem Ausgangsbeschluss“ zu beheben. Kritisch sieht er vor allem den Hinweis der Richter auf angeblich andere Maßstäbe bei Debatten im Netz: Das bedeute „einen Freifahrtschein für die Verfasser von Hassnachrichten und Hetzposts im Internet und gibt ein völlig falsches Signal zulasten der Debattenkultur“.

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, lobte auf Twitter, dass Künast „nicht locker lassen und sich nicht abfinden“ werde. „Hass ist keine Meinung! Solidarität und Unterstützung für alle, die bedroht und beschimpft werden oder Einschüchterung erleben“, so Haßelmann.

Scharfe Kritik an dem neuen Beschluss Gerichts kam von der FDP. „Das Berliner Kammergericht verkennt die Grenzen der Meinungsfreiheit und die Menschenwürde der Betroffenen“, sagte der Innenexperte der Liberalen im Bundestag, Konstantin Kuhle, dem Handelsblatt. „Frau Künast sollte den gesamten Rechtsweg ausschöpfen, damit ein für alle mal klar ist: Menschen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, sind kein Freiwild, auch nicht im Internet.“

Es sei zwar klar, dass Politikerinnen und Politiker „harte Worte einstecken können müssen“, betonte Kuhle. „Wer das nicht abkann, ist in der Politik falsch.“ Daran wolle niemand etwas verändern. Die Begründung der Berliner Richter sei jedoch nicht überzeugend. „Einzelne Formulierungen gegenüber Renate Künast überschreiten die Grenze des Erträglichen und dürfen so nicht stehen bleiben.“