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Gericht verhindert Betriebsratswahl bei Lufthansa-Beteiligung

Bei der Lufthansa-Beteiligung Sun Express Deutschland müssen Arbeitnehmervertreter einen Rückschlag verkraften. Sie können vorerst keinen Betriebsrat wählen, um die Arbeitsbedingungen bei dem Billigflieger zu verbessern. Die Airline hatte mit einer einstweiligen Verfügung Erfolg am Frankfurter Arbeitsgericht, erklärte die Behörde am Donnerstag. Gewerkschaften zeigten sich empört.

Die Pilotengewerkschaft VC Cockpit und die Flugbegleitervertretung UFO wollen einen Betriebsrat bei Sun Express Deutschland etablieren und hatten schon einen Wahlvorstand bestimmt. Die Airline, eine Tochter der in Antalya sitzenden Sun Express, die zu gleichen Teilen Turkish Airlines und Lufthansa gehört, hatte sich vehement gewehrt.

Sun Express Deutschland mit 1150 Beschäftigten hierzulande hatte die Ablehnung mit dem „kontinuierlichen, konstruktiven Dialog auf allen Hierarchie-Ebenen“ begründet. Ein Betriebsrat sei „nicht notwendig“.

Der Billigflieger sah den Weg der Gewerkschaften als unrechtmäßig an, da laut Betriebsverfassungsgesetz für das fliegende Personal zunächst ein Tarifvertrag abgeschlossen werden müsse, der eine Personalvertretung regelt. Einen Tarifvertrag lehnt die Airline, deren Flugzeuge auch für die Lufthansa-Tochter Eurowings fliegen, ab.

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Das Frankfurter Arbeitsgericht schloss sich der Sicht nun an. Es fehle eine gesetzliche Grundlage für eine Betriebsratswahl, da der Flugbetrieb nicht dem Betriebsverfassungsgesetz unterliege, so die Begründung. Die Wahl eines Betriebsrats sei dort ohne Tarifvertrag nichtig. Auch eine EU-Richtlinie zu Personalvertretungen widerspreche dem nicht.

Die Gewerkschaften UFO und VC zeigten sich enttäuscht von der Entscheidung. Bei einer Zahl von mehr als 1000 Mitarbeitern gebe es in fast allen deutschen Firmen, auch den vergleichbaren Flugbetrieben, Betriebsräte, sagte Nicoley Baublies, Tarifvorstand der UFO. „Wir halten diese Entscheidung für falsch, weil sie einer EU-Richtlinie widerspricht, die hier zwingend in Anwendung zu bringen ist“. Er kündigte an, in Berufung am Hessischen Landesarbeitsgericht zu gehen.

In der Tat gilt im Betriebsverfassungsgesetz für die Luftfahrt eine Ausnahme. Ist die Wahl von Betriebsräten in Firmen sonst unkompliziert, steht dort, dass für im Flugbetrieb Beschäftigte „eine Vertretung durch Tarifvertrag errichtet werden kann“.

Die Gewerkschaften sehen in der umstrittenen Formulierung einen Verstoß gegen europäische Mindeststandards, wie Markus Germann von VC betonte. „Es ist völlig unverständlich, warum ausgerechnet in einem so stark sicherheitsrelevanten Bereich wie einem Flugbetrieb keine Mindeststandards von betrieblicher Mitbestimmung gelten sollen.“

Denn Sun Express ist in der Luftfahrtbranche bei weitem kein Einzelfall. Seit 2015 schwelt auch bei Aerologic, einem Joint-Venture von DHL und Lufthansa Cargo, ein Streit über die Berechtigung eines Betriebsrates für das fliegende Personal. Auch hier versuchte die Geschäftsleitung mehrfach, die Wahl des Gremiums zu verhindern.

Zunächst scheiterte sie zweimal mit ihren Anträgen auf einstweilige Verfügungen gegen die Wahl des Wahlvorstands. Sowohl das Arbeitsgericht Leipzig als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen verweigerten die einstweiligen Verfügungen. Später erklärte das Landesarbeitsgericht die dann durchgeführte Wahl dennoch für nichtig, weil diese gemeinsam für das Bodenpersonal und die Piloten durchgeführt wurde, was gegen die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes verstoße.

Doch ein höchstinstanzliches Urteil des Bundesarbeitsgerichts liegt in diesem Streit noch nicht vor. Das Verfahren liegt noch beim 7. Senat des BAG – bislang ohne Terminierung einer Entscheidung.

Die Situation ist rechtlich äußerst vertrackt. Denn auch wenn die Wahl eines Betriebsrates für Unternehmen mit mehr als fünf Arbeitnehmern arbeitsrechtlich vorgesehen ist, für Mitarbeiter in Flugbetrieben gibt es eine eigene Formulierung in dem Gesetzestext. Wörtlich heißt es im Betriebsverfassungsgesetz, Paragraf 117, Abschnitt 2: „Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden.“

Viele Jahre wurde das so interpretiert, dass ein Betriebsrat nur gewählt werden darf, wenn ein Tarifvertrag das vorsieht. Doch Rechtsexperten wie Karl Fitting sind der Ansicht, dass das Gesetz lediglich die Möglichkeit einräumt, die Mitbestimmung über einen Tarifvertrag zu regeln. Gibt es einen solchen nicht, wirkt das Betriebsverfassungsgesetz laut Fitting unmittelbar. Ein Betriebsrat wäre dann zwingend.

Gleichzeitig wird das Arbeitsrecht zunehmend auf Europa-Ebene formuliert. In der EU-Mitbestimmungsrichtlinie wird als Ausnahme nur die Hochseeschifffahrt genannt, nicht die Luftfahrt. Deshalb zweifeln mittlerweile viele Rechtsexperten daran, dass der Paragraf 117 europarechtskonform ist. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die Streichung dieses Paragraphen.

Angesichts des nun zweiten Falls in Deutschland, in dem über die Mitbestimmung in Flugbetrieben gestritten wird, wäre es wohl angebracht, die Sachlage endlich rechtlich klären zu lassen – am besten gleich auf EU-Ebene.