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Geldwäsche-Verdacht bei Wirecard – Taskforce soll Vorwürfe prüfen

Den Behörden liegen 72 Verdachtsmeldungen zu möglicher Geldwäsche bei Wirecard vor. Die Opposition bezweifelt, dass den Hinweisen bislang ausreichend nachgegangen wurde.

Es gibt zahlreiche Hinweise auf Geldwäsche bei dem inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister. Foto: dpa
Es gibt zahlreiche Hinweise auf Geldwäsche bei dem inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister. Foto: dpa

Es war eine Andeutung, die aufhorchen ließ. Der Wirecard-Skandal dürfte eine weitere kriminelle Facette erhalten: Neben dem milliardenschweren Bilanzbetrug geht es nun auch um den Verdacht der Geldwäsche bei Wirecard. Das soll Olaf Scholz (SPD) am vergangenen Mittwoch in der Sondersitzung des Finanzausschusses erklärt haben, wie Teilnehmer berichten.

Die Anti-Geldwäsche-Einheit Financial Intelligence Unit (FIU) hat in den vergangenen Jahren mehr als 500 Verdachtsmeldungen erhalten. Diese kamen von der Wirecard-Bank und richteten sich gegen Kunden des Zahlungsdienstleisters. Finanzinstitute sind verpflichtet, Hinweise an die FIU zu melden.

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Doch das ist nicht alles. Denn die FIU, eine beim Zoll angesiedelte Spezialeinheit, hat auch Hinweise, die sich gegen Wirecard selbst richten. Es würden „72 Meldungen in einem möglichen Zusammenhang mit aktuellen Vorwürfen gegen die Wirecard AG“ stehen, heißt es in einer Unterlage des Finanzministeriums für den Finanzausschuss. Nach Handelsblatt-Informationen richten sich einige Verdachtshinweise auch gegen mindestens einen früheren Wirecard-Vorstand.

Der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard hatte am 22. Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Am selben Tag hat die FIU angefangen, noch mal alle Meldungen zu prüfen, die ihr zu Wirecard vorliegen. „Die FIU wird diese Meldungen sorgfältig aufarbeiten und untersuchen, ob unabhängig von den weitergeleiteten Informationen weitere Erkenntnisse zum Geschäftsgebaren der Wirecard AG gewonnen werden können, und darüber zeitnah und unaufgefordert berichten“, heißt es in dem Papier des Finanzministeriums.

Mittlerweile haben die FIU und die Finanzaufsicht Bafin eine gemeinsame Taskforce gebildet, welche dem Verdacht der Geldwäsche bei Wirecard nachgehen soll. Das hat Scholz im Ausschuss den Finanzpolitikern laut Teilnehmern erklärt. Darüber berichtete auch der „Spiegel“.

„Die FIU und die Bafin haben sich – im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit – auf eine Taskforce geeinigt, um gemeinsam an der Auswertung der vorhandenen geldwäscherechtlichen Hinweise im Fall Wirecard zu arbeiten“, bestätigte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums.

Die FIU selbst ermittelt nicht, sondern sammelt Verdachtsmeldungen

FIU und Bafin demonstrieren mit ihrer Taskforce nun Tatkraft. Doch den Mitgliedern des Finanzausschusses stellt sich die Frage, ob dieser Einsatz nicht ein wenig spät kommt. Was hat insbesondere die FIU gemacht, bevor der ganze Skandal am 22. Juni öffentlich wurde?

Für Linke-Finanzpolitiker Fabio De Masi lautet eine auch nach der Befragung von Scholz weiter offene Frage: „Wie wurde bezüglich Geldwäscheverdachtsmeldungen vonseiten der Financial Intelligence Unit und vonseiten der Strafverfolgungsbehörden agiert?“

Die FIU selbst ermittelt nicht. Sie sammelt Verdachtsmeldungen, die sie etwa von Banken oder Notaren bekommt, sichtet diese und gibt sie dann an die zuständigen Behörden in den Bundesländern weiter. In der Vergangenheit gab es allerdings wiederholt Beschwerden von Landesbehörden über die Qualität der FIU-Meldungen. Auch wurde der Behörde vorgeworfen, dass sie einige Meldungen zu spät weitergereicht habe.

Noch ist unklar, ob und welche Hinweise etwa die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt von der FIU in den vergangenen Jahren bekommen haben. Finanzpolitiker weisen aber darauf hin, dass über Ermittlungen vor dem Juni nichts bekannt ist.

„Wenn sich herausstellen sollte, dass neben der Bafin auch die FIU Hinweise bei Wirecard nicht richtig abgearbeitet haben sollte, wäre das ein zweiter Fall des staatlichen Versagens“, sagte FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. Und an Finanzminister Scholz würden sich weitere unangenehme Fragen richten. Die FIU untersteht als Einheit des Zolls dem Bundesfinanzministerium.

Die Anti-Geldwäsche-Einheit war noch zu Zeiten von Scholz’ Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) vom Bundeskriminalamt zum Zoll verschoben worden und damit in die Zuständigkeit des Finanzministeriums. Was der Truppe mehr Schlagkraft verleihen sollte, sorgte zunächst für chaotische Zustände. Aufgrund von Technikproblemen und zu wenig qualifiziertem Personal türmten sich bei der FIU schnell Zehntausende unbearbeitete Verdachtsmeldungen.

Wer war für die Geldwäsche-Aufsicht zuständig?

Scholz tauchte den FIU-Leiter aus und erhöhte das Personal. Nach den Startschwierigkeiten sei die Lage bei der FIU mittlerweile viel besser, ist man im Finanzministerium überzeugt. Im vergangenen Jahr gingen bei der FIU 114.000 Hinweise auf Geldwäsche oder Terrorfinanzierung ein, davon gab die Einheit 38.000 an Strafverfolgungsbehörden weiter.

Kritiker melden allerdings weiterhin Zweifel an der Arbeit der FIU an. Die Behörde verschiebe viele Fälle in das sogenannte Monitoring, wo sie aber nicht endgültig abgearbeitet seien. Die Unterstützer halten diese Praxis für gerechtfertigt. Doch unabhängig davon, wie man den aktuellen Zustand der FIU bewertet, ist unbestritten, dass sie gerade nach der Reform und Übersiedlung zum Zoll in den Jahren 2017 und 2018 mit Problemen zu kämpfen hatte.

Deshalb stellt sich aus Sicht von Finanzpolitikern der Opposition die Frage, ob die FIU in dieser Zeit die Verdachtsmeldungen in Bezug auf Wirecard richtig abgearbeitet und rechtzeitig an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben hat. „Ich habe da so meine Zweifel“, sagt einer.

Und noch etwas anderes ist ungeklärt: Wer war bei dem Zahlungsdienstleister eigentlich für die Geldwäsche-Aufsicht zuständig? Für die Wirecard-Bank war es die Bafin, die auch Prüfungen unternommen hat. Für den Wirecard-Konzern ist die Frage hingegen bis heute nicht eindeutig geklärt.

Eigentlich sind die Länder zuständig. Am 25. Februar soll laut Unterlagen des Finanzministeriums die Bezirksregierung von Niederbayern erstmals Kontakt mit der Bafin aufgenommen und mitgeteilt haben, dass sie sich als zuständige Geldwäscheaufsichtsbehörde ansieht. Ende Mai soll sie das noch mal bekräftigt haben.

Am 25. Juni teilte das bayerische Innenministerium dann der Bafin und dem Bundesfinanzministerium mit, dass es die Bezirksregierung nicht als zuständig ansieht. Es war just der Tag, an dem Wirecard Insolvenz anmeldete.